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Älteste Görlitzerin feiert 105. Geburtstag: Bei Gartenarbeit hält sie sich fit

Charlotte Wünsche hatte am Sonntag ihren großen Tag. Sie ist geistig und körperlich topfit. Und seit wenigen Tagen ist sie die älteste Görlitzerin.

Von Ingo Kramer
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Charlotte Wünsche feierte am Sonntag ihren 105. Geburtstag. Am Montag war sie schon wieder im Garten beschäftigt.
Charlotte Wünsche feierte am Sonntag ihren 105. Geburtstag. Am Montag war sie schon wieder im Garten beschäftigt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Nur am Fenster sitzen und rausgucken ist nichts für Charlotte Wünsche. Vom Fenster aus würde sie auf ein großes Görlitzer Altersheim blicken. Alle Menschen, die dort leben, sind jünger als sie, teilweise um Jahrzehnte. Das braucht Charlotte Wünsche nicht. Da geht sie lieber in den Garten, gießt die Erdbeeren, jätet Unkraut oder schneidet mit der Gartenschere die Rosen.

Kaum zu glauben, dass sie am Sonntag tatsächlich ihren 105. Geburtstag gefeiert hat. "Wir waren in Girbigsdorf in der Gaststätte, die ganze Verwandtschaft war da, etwa 20 Leute", berichtet die gut gelaunte Jubilarin. Sie ist nicht nur körperlich fit, sondern auch geistig, liest täglich die Zeitung und ist über das aktuelle Weltgeschehen bestens informiert. Sie spricht vom Hochwasser und der teilweise eingestürzten Carolabrücke in Dresden. "Hoffentlich lernen sie daraus und kümmern sich nun besser um die Brücken", sagt Charlotte Wünsche.

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Sie kann durchaus resolut sein: Wenn mal wieder ein Schock- oder Gewinnanruf kommt, legt sie sofort das Telefon auf. "Wenn ich nicht spiele, kann ich auch nicht gewinnen", sagt sie: "Ich kann nicht verstehen, wie man auf solche Anrufe hereinfallen kann." Wie sie es geschafft hat, so alt zu werden und dann auch noch so fit zu sein? "Ich weiß es nicht, ich habe immer das gemacht, was von mir verlangt wurde", sagt sie. Vielleicht liege es an der gesunden Ernährung vom eigenen Grundstück: "Wir haben hier Ziegen, Kaninchen und auch mal Gänse gehalten, viel Obst und Gemüse angebaut, Weißkraut und Gurken eingelegt und Tee gesammelt." Letzteres macht Charlotte Wünsche heute noch. In der Nähe ihres Grundstücks wachsen Linden, da hat sie dieses Jahr wieder Blüten gesammelt: "Ich musste fast hüpfen, um heranzukommen, weil sie so hoch hingen." Beim nächsten Mal will sie einen Haken mitnehmen, um die Zweige nach unten zu ziehen.

Geboren im Jahr 1919

Geboren wurde Charlotte Wünsche am 15. September 1919 in Holtendorf als Tochter des Eisenbahners Richard Werner. Später ist sie auf dem Mühlehof in Girbigsdorf groß geworden. Sie erinnert sich gut an ihre Kindheit. Schon mit fünfeinhalb Jahren sei sie eingeschult worden und immer mit einem anderen Mädchen aus ihrer Klasse zu Fuß zur Schule gelaufen, vom Oberdorf bis zum Ortseingang von Ebersbach. Ihr Vater hat 1929/30 das Haus am Übergang zwischen Biesnitz und Rauschwalde gekauft, in dem Charlotte Wünsche bis heute lebt. Nachdem die Familie umgezogen war, ging sie in Biesnitz in die Schule, die sie schon mit dreizehneinhalb Jahren abschloss.

Beruflich hat Charlotte Wünsche vieles gemacht, war zunächst Haushaltshilfe, hat dann Weißnäherin gelernt, Bettwäsche und Hemden genäht, bei den Bäckern Opitz, Brückner und Vogt im Verkauf gearbeitet, zwischendrin für die Gewerkschaft Beiträge kassiert und als Rentnerin für die Kirchgemeinde Geld kassiert und Kirchenblätter ausgetragen. Mit Kopfrechnen hatte sie immer zu tun, bis heute ist sie darin schnell. "Registrierkassen gab es ja noch nicht", sagt sie fast entschuldigend.

Heute beginnen ihre Tage um 6.30 Uhr. „Wenn ich um sieben aufstehe, habe ich verschlafen“, sagt sie. Am Morgen kocht sie sich zuerst einen Tee und bereitet das Frühstück zu, bevor sie ins Bad geht und sich wäscht. Dann gibt es Frühstück und sie liest die Zeitung, räumt noch ein bisschen auf: "Ich hab es nicht gern, wenn es nicht ordentlich ist." Das Mittagessen liefert der ASB, aber den Abwasch erledigt sie anschließend selbst. Nach dem Mittagsschlaf schaut sie, ob im Garten noch etwas zu erledigen ist. Selbst mit dem Bücken hat sie keine Probleme, schneidet wilde Triebe der Pflaume bodentief ab. An anderen Tagen liest sie, löst Kreuzworträtsel oder trifft sich mit ihrem Sohn Bernd und der Schwiegertochter zum Kaffeetrinken und Romméspielen. "Es kommt oft vor, dass meine Mutter gewinnt", sagt Bernd Wünsche.

Er fährt mit ihr überall hin, sowohl für Besorgungen als auch für Ausflüge. Demnächst ist mal wieder ein Ausflug zum Findlingspark Nochten geplant. Doch wenn er mit seiner Mutter in die Stadt fährt, müsse er sie manchmal ermahnen, nicht so zu rennen, das sei nicht gut in ihrem Alter. Die 105-Jährige protestiert: "Ich renne nicht, ich laufe nur zügig." Größere Reisen unternimmt sie aber nicht mehr. Als ihr Mann noch lebte, waren beide viel unterwegs. Doch Gerhard Wünsche starb 2022 – im Alter von 100 Jahren.

Elfriede Goschütz war die älteste Einwohnerin von Görlitz. Jetzt ist sie mit 109 Jahren gestorben.
Elfriede Goschütz war die älteste Einwohnerin von Görlitz. Jetzt ist sie mit 109 Jahren gestorben. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Vor wenigen Tagen ist nun auch Elfriede Goschütz gestorben. Mit 109 Jahren war sie die älteste Görlitzerin aller Zeiten. Im kommenden Januar wäre sie 110 geworden. Nun ist Charlotte Wünsche die älteste Einwohnerin der Stadt. Und wird es hoffentlich lange bleiben. "Als Nächstes feiern wir zu Ostern den 100. Jahrestag ihres Schulanfangs", sagt Bernd Wünsche lachend. Das sei vielleicht ein weiterer guter Anlass, sich an alte Zeiten zu erinnern.