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Mit Kind, Hund und Camper: So geht es Görlitzerin nach Europareise

Lisa Kießling bereiste mit ihrem Kind und ihren beiden Hunden ein halbes Jahr Europa. Ihr Leben verkleinerte sie dafür auf Wohnwagen-Größe. Jetzt ist sie zurück.

Von Susanne Sodan
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Lisa Kießling  (33) aus Zimpel machte eine Rundreise durch Europa. Die Hunde Olga und Amy waren immer dabei.
Lisa Kießling (33) aus Zimpel machte eine Rundreise durch Europa. Die Hunde Olga und Amy waren immer dabei. © André Schulze

Mit dem Campingwagen nachts unter dem beleuchteten Eiffelturm stehen. Mit Kind und Hund am schier endlosen Strand der Atlantikküste spazieren. Picknick an einem zugefrorenen See in Schweden. Den Lieblingsmoment ihrer Reise kann Lisa Kießling gar nicht benennen. "Oft werde ich sicher an unsere Zeit in Finnland zurückdenken", sagt sie. Auf einer Rentierfarm half sie, Jungtiere zu markieren. "Aber eigentlich hatte jeder Ort etwas ganz Besonderes." Mit ihrem heute sechsjährigen Sohn, zwei Hunden und einem Campingwagen bereiste Lisa Kießling aus Zimpel sechs Monate lang elf Länder Europas, fuhr 27.000 Kilometer. Jetzt ist sie zurück.

Lisa Kießling stammt aus Görlitz, ist ausgebildete Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. 2019 kaufte sie einen Hof im Boxberger Ortsteil Zimpel, baute ihn aus und ihre Selbständigkeit auf. Lisa Kießling leitet das Unternehmen Animal A.C.T., das unter anderem pferde- und hundegestützte Coachings anbietet. Das verlangte viel Disziplin. Auf der anderen Seite stand lange der Traum, das zu tun, was sie regelmäßig ihren Klienten rät: sich von Plänen und Anforderungen zu lösen, den Moment zu genießen. Einmal lange mit ihrem Kind zu verreisen, einfach los, egal wohin - das war lange ihr großer Wunsch.

Lisa Kießling aus Zimpel, ein Ortsteil von Boxberg, war mit ihrem Sohn und zwei Hunden ein halbes Jahr auf Europareise. Eine der ersten Stationen: Paris.
Lisa Kießling aus Zimpel, ein Ortsteil von Boxberg, war mit ihrem Sohn und zwei Hunden ein halbes Jahr auf Europareise. Eine der ersten Stationen: Paris. © privat
Einfach mal raus aus dem Alltag: Dieses Bild entstand an einem Strand in Portugal.
Einfach mal raus aus dem Alltag: Dieses Bild entstand an einem Strand in Portugal. © privat
Auch diesen Moment erlebte die 33-Jährige in Portugal. Die vielen kleinen Momente seien das Schönste gewesen.
Auch diesen Moment erlebte die 33-Jährige in Portugal. Die vielen kleinen Momente seien das Schönste gewesen. © privat
Nach einem Zwischenstopp zurück in Deutschland wegen einer OP ging es gen Norden, dieses Bild entstand in Norwegen.
Nach einem Zwischenstopp zurück in Deutschland wegen einer OP ging es gen Norden, dieses Bild entstand in Norwegen. © privat
Ein ganz besonderer Moment in Norwegen: Die Straße in Richtung Nordkap war sehr stark befahren. Als es Lisa Kießling und ihrem Sohn zu viel wurde, bogen sie ab von der Küstenstraße, landeten an einem menschenleeren Strand. "Wir dachten, wir sind im Paradies gelandet."
Ein ganz besonderer Moment in Norwegen: Die Straße in Richtung Nordkap war sehr stark befahren. Als es Lisa Kießling und ihrem Sohn zu viel wurde, bogen sie ab von der Küstenstraße, landeten an einem menschenleeren Strand. "Wir dachten, wir sind im Paradies gelandet." © privat
Picknick an einem zugefrorenen See in Schweden mit neuen Bekannten.
Picknick an einem zugefrorenen See in Schweden mit neuen Bekannten. © privat
Auf einer Rentierfarm half die Familie, Jungtiere zu markieren. Ein Ort, an dem sie länger blieben.
Auf einer Rentierfarm half die Familie, Jungtiere zu markieren. Ein Ort, an dem sie länger blieben. © privat
Inzwischen sind Kießlings zurück in der Oberlausitz - mit zig Erinnerungen.
Inzwischen sind Kießlings zurück in der Oberlausitz - mit zig Erinnerungen. © privat

Leben im Wohnwagen: "Man braucht noch weniger, als man denkt"

"Ich dachte, was sicher die meisten denken: Das mache ich, wenn ich Geld und Zeit habe." Und so hatte sie es erst auch beiseite gewischt, als Freunde, denen sie von ihrem Traum erzählte, anboten, ihr einen Campingwagen zu leihen und ihre Pferde zeitweise unterzubringen. "Aber man sollte den Moment nutzen, wenn man ihn hat", sagt Lisa Kießling. Von jetzt auf gleich brach sie zwar nicht auf, aber sie nahm das Angebot schließlich an. Mit einem für ihr Kind und zwei Hunde ausgestatteten Campingwagen ging es im Januar los: von der Oberlausitz durch Frankreich an die Atlantikküste, weiter nach Spanien und Portugal, dann hinauf in den Norden nach Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, durch das Baltikum und Polen wieder zurück nach Deutschland.

Das Leben zweier Menschen und zweier Tiere musste sie vorab auf Wohnwagengröße reduzieren. "Aber wir hatten alles dabei, wir waren ausgestattet für Temperaturen von -20 Grad bis 30 Grad plus." Für zwei Wochen musste Lisa Kießling zurück nach Deutschland wegen einer Operation. Daheim lud sie sogar noch einige Sachen aus. "Man braucht wirklich noch weniger, als man denkt."

Tatsächlich erlebten sie und ihr Sohn in Schweden die -20 Grad - und den einzigen Zwischenfall ihrer Reise: Die Dichtung ihres Campingmobils fror ein. Aber viele andere Momente entschädigten dafür - zum Beispiel die Zeit auf der Rentierfarm. An manchem Ort, erzählt Lisa Kießling, blieben sie und ihr Sohn mehrere Wochen, "andere Orte haben wir nach einer halben Stunde wieder verlassen."

Ein halbes Jahr Freiheit - Regeln gab es trotzdem. "Zum Beispiel haben wir immer versucht, vor Einbruch der Dunkelheit einen Ort zu erreichen, an dem wir übernachten können." Einfacher wurde das in Nordeuropa, wo ab Mai der Polartag einsetzt, erzählt Lisa Kießling und lacht. Wichtig sei vor allem gewesen, zum Übernachten einen Ort mit Mobilfunk- und Internetanbindung zu finden. Das hatte nicht nur mit der Sicherheit zu tun, erklärt sie. Kontakt mit ihren Mitarbeitern und Klienten hielt sie das halbe Jahr. "Wir waren aber nur ungefähr fünfmal auf einem offiziellen Campingplatz, sonst immer in 'freier Wildbahn'. Wir sind nie weggejagt worden. Ich kann mich auch an keine Situation erinnern, in der ich ernstlich Angst hatte, das hat mich selbst gewundert."

Manchmal fuhr das Quartett mit Navi, manchmal ohne. Manchmal ließ Lisa Kießling ihren Sohn entscheiden, in welche Richtung es weitergehen soll. "Bei dem Ziel hatte mein Sohn immer ein Vetorecht. Ich denke, mit der Zeit sind wir ein gutes Team geworden." Jeder Kilometer sei es wert gewesen, immer habe es etwas zu entdecken gegeben. "Es waren oft Kleinigkeiten. Das Wichtigste war für mich, dass es uns beiden gut geht."

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Die Reise, sagt Lisa Kießling, sei etwas ganz Persönliches gewesen, "ich bin losgefahren mit der Frage: Was will ich?" Auf Instagram hatte sie hin und wieder Fotos veröffentlicht, die SZ hatte kurz nach ihrer Abreise über sie berichtet. Ein Kommentar dazu in den sozialen Netzwerken lautete etwa: "Na, wenn man sich's leisten kann." Schade findet Lisa Kießling solche Kommentare. Auf Instagram stellte sie klar, dass sie sich diese Reise auch nicht hätte leisten können ohne die Unterstützung ihrer Freunde - und ohne den Entschluss, den Traum nicht Traum sein zu lassen, sondern eben loszulegen. Auch unterwegs erlebte sie viel Unterstützung. "Das war eigentlich das Schönste: die vielen Leute, die wir getroffen haben."

Zum Beispiel in Portugal war sie auf einer kaum befahrenen Route unterwegs, ihr Sohn wollte gerne baden gehen, aber weit und breit war keine Gelegenheit in Sicht. "Auf dieser fast menschenleeren Straße haben wir dann eine Frau getroffen", die sie nach dem Weg zu einem See fragten. Eine Frau, die sich als deutsche Auswanderin herausstellte und kurzerhand Lisa Kießling und ihren Sohn auf ihr Grundstück einlud - wo es einen Badesee gab.

Schwere Entscheidung nach Rückkehr

Zurück in der Oberlausitz hat sich einiges verändert für die Familie: Lisa Kießlings Sohn geht jetzt zur Schule. Die Europareise kann zwar nicht ewig weitergehen, "ich habe mir aber fest vorgenommen, diese mentale Freiheit zu erhalten." Aber auch eine schwere Entscheidung hat sie getroffen: Ihre vier Pferde werden bei ihren Freunden im Erzgebirge bleiben. "Es geht ihnen gut dort", sagt sie und kündigt an: In ihrem Unternehmen wolle sie manches verändern.