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"Ein Skywalk auf der Landeskrone wäre für mich Karneval"

Darf man eingreifen in die Natur auf der Landeskrone? Zoologe Willi Xylander ist zumindest nicht komplett dagegen. Einen Skywalk kann er sich auf dem Görlitzer Hausberg aber nicht vorstellen.

Von Susanne Sodan
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Zoologie-Professor Willi Xylander (Mitte) in seinem Element: auf der Landeskrone
Zoologie-Professor Willi Xylander (Mitte) in seinem Element: auf der Landeskrone © Martin Schneider

Von der Landeskrone aus hat man wieder einen herrlichen Blick auf den Berzdorfer See. Am Bismarckturm auf dem Görlitzer Hausberg wurde die Sicht freigeschnitten. Schlimm findet das Willi Xylander nicht. Er ist Professor für Zoologie und war bis vor Kurzem Leiter des Senckenberg-Institutes Görlitz. "Dieser Zustand war vor 25 Jahren auch vorhanden, deshalb finde ich es in Ordnung". Freie Sicht von der Landeskrone aus, mehr Angebot, bessere Möglichkeiten überhaupt hinaufzukommen - das wünschen sich viele. Die Görlitzer CDU hatte am Wochenende zu einer Wanderung mit Xylander auf den Berg eingeladen. Sie erhoffte sich mehr Klarheit, wie man Tourismus und Naturschutz auf einen Nenner bringen kann - schon lange ein schwieriges Thema.

Zur Wanderung eingeladen hatte der CDU-Stadtverband unter Christiane Schulz (Mitte).
Zur Wanderung eingeladen hatte der CDU-Stadtverband unter Christiane Schulz (Mitte). © Martin Schneider

Seit wann steht die Landeskrone unter Naturschutz?

Unter Naturschutz steht der Görlitzer Hausberg schon seit 1940. Er entstand vor rund 30 Millionen Jahren als Vulkan. Dass es ein "echter" Vulkan ist, der Lava spuckte, hatten zum Beispiel Senckenberg-Geologen nachgewiesen. "Erste Hinweise auf eine Besiedlung gibt es aus der Jungsteinzeit", erzählt Xylander. Von den Verteidigungsanlagen, die später die Slawen anlegten, sind bis heute Reste vorhanden. Um 1750 war die Landeskrone komplett unbewaldet. Kurz darauf, im 19. Jahrhundert, begann die Aufforstung. "Man brauchte Brenn- und Bauholz. Außerdem wollte man Erosionen, die durch die Entwaldung zuvor zu befürchten waren, vermeiden." Vor allem mit Buchenarten, Linden- und Eichenarten wurde die Landeskrone aufgeforstet.

Welchen Arten bietet die Landeskrone ein Zuhause?

Heute sind Eichelhäher und Habicht zu hören. Im Winter haben um die 20 Rehe auf der Landeskrone ihr Winterrevier. Wildschweine gibt es, "kurzzeitig hatten wir Mufflons", die aber der Wolf gefressen hat, Füchse gibt es dagegen bis heute, "und immer mal wieder den Dachs." Vier Mäusearten beherbergt der Berg, der eingewanderte Marderhund zum Beispiel kam vor ungefähr 50 Jahren dazu. 209 Arten der Kurzflügelkäfer und 50 Arten der Laufkäfer wurden nachgewiesen, 300 Blütenpflanzen und Farne, über 500 Pilzarten.

Umgestürzte Bäume: Warum ist es so "unordentlich"?

Häufig sieht man auf den Wegen zur Landeskrone hinauf umgestürzte Bäume mit mannshohen, flachen Wurzeltellern. "Das ist die Konsequenz von Bewaldung auf diesem Untergrund", sagt Willi Xylander. Der Waldboden ist flach, schnell treffen Wurzeln auf Granit oder Basalt. Dazu kommt, dass viele Bäume dasselbe Alter haben, weil sie zur gleichen Zeit gepflanzt wurden: dieselbe Höhe, die geringe Standfestigkeit - kippt einer, kippen meist noch mehr. Entfernen darf man die Bäume nur, wenn sie drohen, in Gefahrenbereiche zu fallen, also auf die Wanderwege – oder dort liegen.

Sollte man in die Landeskronen-Natur eingreifen?

So langsam, sagt Willi Xylander, nähert sich die Entwicklung der Flora auf der Landeskrone den natürlichen Prozessen an. Also alles so lassen, wie es ist? "Es kommt darauf an, was man möchte". Es gebe drei Strategien des Artenschutzes, den Biotopschutz und den Prozessschutz. Letzteren, erklärt Xylander, sehen viele Naturschützer nicht so gerne, "weil er Eingriffe bedeutet." Im Prozessschutz wird ein Areal auf einen bestimmten Zustand, den man schützen will, zurückgesetzt. "Viele sagen, man soll die Natur machen lassen." Für den Wald an sich ist dafür auch Willi Xylander. Für bestimmte Bereiche ist er aber durchaus für Eingriffe, um einen bestimmten Schutzstatus zu erhalten. "Das pure Machenlassen muss für den Erhalt der Artenvielfalt nicht immer das Beste sein." Denn dadurch können Arten, die man eigentlich erhalten will, auch "überwuchert" werden.

Warum haben es Touristiker auf der Landeskrone schwer?

Einerseits ist die Landeskrone immer beliebtes Ausflugsziel gewesen. Dennoch warfen in den zurückliegenden Jahren manche Pächter das Handtuch. Zum Teil mögen daran fehlende Investitionen Schuld gehabt haben. Aber in der heutigen Form ist die Gaststätte allein auch schwer wirtschaftlich zu führen. Die Fahrstraße hinauf ist, auch aufgrund des Naturschutzes, nicht für Touristenverkehr vorgesehen. Und einigermaßen Aussicht hat man derzeit nur vom Aussichtsturm aus - und jetzt wieder vom Bismarckturm. Zumindest große Veränderungen sind auch an den Bauwerken, dem Burghotel mit Restaurant und dem Aussichtsturm, nicht möglich, denn sie stehen unter Denkmalschutz.

Was hält der Görlitzer Zoologe von der Skywalk-Idee?

Dass es mehr Angebot braucht, um wirtschaftlich arbeiten zu können, dürfte sich auch der Görlitzer Investor Stefan Menzel gedacht haben. Er ist der neue Eigentümer der Berggaststätte auf dem Görlitzer Hausberg. Dieses Jahr hat er auf der Landeskrone schon mal den Biergarten wiedereröffnet. Außerdem plant er eine Art Skywalk. Ob das ob des Schutzstatus auf der Landeskrone überhaupt möglich ist, ist offen. Zur Wanderung war Stefan Menzel als CDU-Mitglied zwar nicht dabei, das Thema Skywalk kam freilich dennoch auf. "Für mich ist es Karneval", sagt Willi Xylander. "Erstens haben wir zwei wunderbare Aussichtspunkte. Und zweitens muss man sich auch überlegen, mit welcher Attraktion man welche Zielgruppe anspricht", und wie viele Menschen. Als bei Świeradów-Zdrój (Bad Flinsberg) der Baumwipfelpfad eröffnet wurde, kamen alleine zum erste Wochenende 20.000 Gäste.

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Ein Szenario, das sich Xylander für die Landeskrone nicht gut vorstellen kann. An den Skywalk von Bad Flinsberg soll auch der auf der Landeskrone angelehnt sein. Doch Bad Flinsberg liegt im Isergebirge, zusammen mit vielen anderen Gipfeln, "da kann man auf einem so etwas schon mal machen. Aber in Görlitz haben wir nur den einen Berg, der etwas Originäres für uns hat." Und der Naturschutz und Tourismus vereinen soll. "Ich denke, alles, was es früher schon mal gab, sollte auch heute in Ordnung sein." Eine Grundlage, mit der aus seiner Sicht einiges an Attraktionen, Ideen möglich sei. „Einen ‚sanften Tourismus‘ sehe ich als machbar und auch sinnvoll.“

Wie blickt die Görlitzer CDU nun auf die Landeskrone?

Wie es auf der Landeskrone früher aussah, weiß auch Christiane Schulz, Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes. Als Jugendliche hatte sie sich oft mit Freunden auf der Landeskrone getroffen, und beim Bismarckturm gesessen, "Oder wir waren zum Ritteressen", erinnert sie sich. "Ganz interessant fand ich", sagt sie nach der Wanderung, "dass wir vielleicht nicht alles nur laufen lassen sollten auf der Landeskrone, sondern dass man sich kümmern muss um die Entwicklung", sagt sie. "Und man muss den Mut haben, die Entscheidung zu treffen, was man möchte auf der Landeskrone. Das Machbare sollten wir machen." Beim Skywalk ist auch sie eher skeptisch. "Insgesamt finde ich das Engagement von Herrn Menzel aber sehr lobenswert. Alleine mit dem Biergarten hat er schon einiges getan für die Belebung."