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Altes preußisches Schloss: Im Hirschberger Tal entsteht ein neues Ausflugsziel

Der Landschaftspark und Schloss Buchwald (Bukowiec) waren vor 20 Jahren in üblem Zustand. Nun ist die Anlage weitgehend restauriert. Was die Besucher hier erleben können.

Von Irmela Hennig
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Grazyna Kolarzyk und Christopher Schmidt-Münzberg stehen bei der Marmorbank im polnischen Schlosspark Bukowiec.
Grazyna Kolarzyk und Christopher Schmidt-Münzberg stehen bei der Marmorbank im polnischen Schlosspark Bukowiec. © Irmela Hennig

Die Schneekoppe präsentiert sich in Blau-Grau. Hitze trübt die Sicht. 35 Grad Celsius sind vorhergesagt – auch für die polnische Riesengebirgsregion. Auf dem rund 1.600 Meter hohen Gipfel der Koppe dürfte es deutlich kühler sein. Man könnte sich also auf den Weg nach Karpacz (Krummhübel) machen und hinaufsteigen. Oder man nimmt – von Jelenia Góra (Hischberg) kommend – den Abzweig nach Myslakowice (Erdmannsdorf) und weiter nach Bukowiec, das auch Deutsch Buchwald heißt.

Das Belvedere, die schöne Aussicht, war völlig marode. Der Säulentempel samt Fries wurde rekonstruiert. Von hier aus können Besucher die Schneekoppe sehen, den höchsten Gipfel des Riesengebirges.

Hier spenden riesige Bäume Schatten. Ein paar Birken und Kiefern sind darunter. Vor allem aber Eichen und Buchen. „200 bis 250 Jahre alt“, sagt Christopher Schmidt-Münzberg. Manche so dick, dass ein Mensch nicht reicht, um sie komplett zu umarmen. Schmidt-Münzberg stammt aus Norddeutschland. Ist Vorsitzender des Vereins zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur, der sich für das schlesische Erbe vor allem im heutigen Polen engagiert. Zudem ist der Architekt Ehemann von Ewa Schmidt-Münzberg und Schwiegersohn von Grażyna Kolarzyk. Die beiden Frauen leiten die Stiftung der Schlösser und Gärten im Hirschberger Tal, die kommendes Jahr den 20. Geburtstag feiert.

In dieser Funktion sind sie vor allem zuständig für den Landschaftspark von Bukowiec. Wohl der einzige im Gebirge nach englischem Stil. Die letzte „Ornamental Farm“ in Polen, wie Grażyna Kolarzyk erzählt. Also, eine Mischung aus landwirtschaftlicher Nutzfläche und grüner Park-Oase, einst angelegt vom preußischen Minister Friedrich Wilhelm von Reden. Dass es dies so noch gibt, scheint ein Wunder. „Eigentlich war Buchwald verloren“, sagt Christopher Schmidt-Münzberg.

Schon die letzten deutschen Besitzer seien „dauerpleite“ gewesen. „Der bauliche Zustand vieler Gebäude war katastrophal schlecht“, so der Experte. Die Seitenflügel des Belvedere-Tempels stürzten ein. Ein Renaissance-Brunnen sei aus Geldnot verkauft worden. Man weiß, wo er ist. Ewa Schmidt-Münzberg versucht, ihn zurückzubekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage nur noch als Agrarbetrieb genutzt, im Stil der ostdeutschen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Zur Zeit der politischen Wende war vom einstigen Glanz fast nichts mehr übrig.

Mit dem E-Bike von Schloss zu Park

Um Bukowiec zu retten, habe es einen Menschen mit einer Passion gebraucht. „Jemanden, der ein Gefühl für die Schönheit hat“, meint Schmidt-Münzberg. Viele Schlösser im Hirschberger Tal gelangten ab den späten 1990er-Jahren in Privatbesitz. „Aber niemand wollte Bukowiec“, erzählt Architekt Schmidt-Münzberg. Dann aber kam der erfolgreiche Bauunternehmer und Kunstmäzen Piotr Napirala. Er pachtete den Park zunächst, gründete eine Stiftung, kaufte die Anlage schließlich.

Er habe für das Tal der Schlösser und Gärten die Idee eines Gesamtkunstwerkes gehabt – im klassizistischen Sinne. Mit Sichtachsen, ähnlichem Gestaltungsstil. „Alles sollte ineinander übergehen“, so Schmidt-Münzberg. Immerhin zwischen Lomnica (Lomnitz) gebe es nun wieder einen der alten Verbindungswege. Man komme mit dem Fahrrad von Anlage zu Anlage. Auch per E-Bike. Schloss Lomnitz verleihe einige direkt, in Bukowiec gebe es einen privaten Anbieter. „Aber wir wollen das bald selbst machen“, so Grażyna Kolarzyk.

Selbst machen – das begleitet das Großprojekt Bukowiec. Weil es nur zwei vollbeschäftigte und einen Teilzeitgärtner gibt, packen die Chefinnen im Grünen mit an. Neun Mitarbeiter umfasst das Team. Zuständig unter anderem für 125 Hektar Stiftungsbesitz. Die Organisation pachtet zudem Wiesen, damit die nicht zugebaut werden. Die Mitarbeiter pflegen Teiche und Bäume, denen Klimawandel und Wassermangel zusetzen. Sie lassen alte Gebäude restaurieren und neue schaffen.

Parkelemente wie Aussichtsturm, das erwähnte Belvedere mit Blick zur Schneekoppe, eine künstliche Ruine oder die Grablege von Parkgründer von Reden haben sie herrichten lassen. Zwei Ausstellungen sind entstanden, eine zum Wald, eine zur Geschichte des Hirschberger Schlössertals. Sie vermieten Ferienwohnungen, Hotelzimmer sowie Räume und Plätze zum Beispiel für Hochzeiten, betreiben zwei Café-Restaurants, organisieren Bildungsangebote, Veranstaltungen. Allen voran das „Festival dell‘Arte“ mit Konzerten, Ausstellungen, Lesungen. Bis 18. August läuft die aktuelle Ausgabe. Rund 10.000 Besucher werden erwartet. Zugleich machen sie Marketing für das ganze Schlössertal.

Das Belvedere, die schöne Aussicht, war völlig marode. Der Säulentempel samt Fries wurde rekonstruiert. Von hier aus können Besucher die Schneekoppe sehen, den höchsten Gipfel des Riesengebirges.
Das Belvedere, die schöne Aussicht, war völlig marode. Der Säulentempel samt Fries wurde rekonstruiert. Von hier aus können Besucher die Schneekoppe sehen, den höchsten Gipfel des Riesengebirges. © Irmela Hennig

Inzwischen kommen 50.000 bis 100.000 Besucher pro Jahr nach Bukowiec. Die Arbeit stemmt die Stiftung mit einem festen Jahresbudget von – tatsächlich null Zloty. Jedes Jahr werde ums Geld gekämpft. Grażyna Kolarzyk schreibt Fördermittelanträge, wirbt Mittel bei Sponsoren ein. Für die Inszenierung der Oper „Faust“ von Anton Radziwill im vergangenen Jahr mit 160 Künstlern und 4.000 Zuschauern habe sie fast 100 Firmen angesprochen.

Der VSK nutze sein Netzwerk, um über Stiftungen, Spender und Sponsoren bei der Finanzierung zu helfen. Auf diesem Weg konnte jüngst eine Marmorbank aus Resten rekonstruiert werden, die in Bukowiec ausgegraben worden waren – einst ein Geschenk von Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. Die Restaurierung hätte wohl bis zu 120.000 Euro gekostet, schätzt Christopher Schmidt-Münzberg. Doch ein VSK-Mitglied, Inhaber eines Natursteinherstellers in Bad Langensalza, habe die Anfertigung der Fehlstellen kostenlos übernommen. Die Greife, mythologische Vögel, an den Bankenden hat Schmidt-Münzberg entworfen, in Ermangelung von Vorlagen.

Noch 30 Millionen Zloty nötig

Rund 40 Millionen Zloty, umgerechnet etwa 9,3 Millionen Euro, seien schon in Bukowiec investiert worden. Ungefähr 15 Millionen Zloty habe Piotr Napirala privat reingesteckt. Habe zunächst Bäume beschneiden, Teiche bereinigen, 30.000 Pflanzen in die Erde bringen lassen. Die marode Bausubstanz sicherte er wo nötig schon als Pächter, ehe die Stiftung sie kaufen konnte. 2019 aber starb Piotr Napirala. Die Stiftung pflegt das Erbe, entwickelt es weiter. Einen garantierten, jährlichen, staatlichen Zuschuss bekommt sie nicht.

Sie leben quasi von der Hand in den Mund. Es gebe Fördermittel vom Staat und in kleinem Maß von der EU. Die erwähnten Spender und Sponsoren helfen. Gastronomie und Vermietung sorgen für Eigeneinnahmen. Park und Ausstellungen bringen streng genommen nichts ein, der Eintritt ist frei. Lediglich Parkgebühren werden erhoben. Selbst Bildungsangebote und viele Veranstaltungen können Gäste kostenlos besuchen. „Nur bei großen Konzerten verlangen wir etwas“, sagt Grażyna Kolarzyk. Also geht die Rettung von Bukowiec schrittweise voran.

Die Ruine eines Dreiseitenhofes soll noch restauriert werden.
Die Ruine eines Dreiseitenhofes soll noch restauriert werden. © Irmela Hennig

Zuletzt wurden neue Wegweiser aufgestellt, mit Tierfiguren. Ein Spielplatz und ein WC nahe dem Fischerhaus-Café sind in Arbeit, weitere Ferienwohnungen geplant. Um einen verfallenen Dreiseithof – markantes Element im Komplex – zu sanieren, wäre wieder sehr viel Geld nötig. Ebenso für den Kauf der ehemaligen Brauerei aus Privathand. Für das, was noch werden soll, brauche man rund 30 Millionen Zloty.Das eigentliche Schloss Buchwald gibt es übrigens auch noch. Es beherbergt den Verband der Riesengebirgsgemeinden und ist in dessen Besitz. Es wird gerade umfassend saniert, mit staatlichen Mitteln.