Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Görlitz

Görlitzer Musikschule erhöht Gebühren um zehn Prozent

Die Stadt Görlitz hat der Musikschule am Fischmarkt höhere Zuschüsse zugesagt. Warum der Unterricht trotzdem teurer wird, erklärt Schulleiter Thomas Stapel.

Von Ines Eifler
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Thomas Stapel, Leiter der Musikschule "Johann Adam Hiller" in Görlitz.
Thomas Stapel, Leiter der Musikschule "Johann Adam Hiller" in Görlitz. © Nikolai Schmidt / Archiv

Gerade hat die Görlitzer Musikschule Johann Adam Hiller einen ersten Preis bekommen. Der Film, in dem das Jugendsinfonieorchester eine Komposition von Musikschulleiter Thomas Stapel in der Peterskirche spielt, in dem mehrere Ensembles zu sehen sind und einige Musikschüler zu Wort kamen, wurde nach einem landesweiten Voting als bester Musikschulfilm Sachsens gekrönt. Auf dem Tag der Sachsen wurde er in Aue im Beisein von Ministerpräsident Michael Kretschmer gezeigt. Hinter den Kulissen aber musste die Musikschule in den vergangenen Monaten darum kämpfen, ihre Vielfalt auch in Zukunft weiter anbieten zu können.

Herr Stapel, nun hat der Görlitzer Stadtrat einer Erhöhung des jährlichen Zuschusses für die Musikschule um 60.000 auf 400.000 Euro pro Jahr zugestimmt. Wozu dient diese Erhöhung und reicht sie für den Betrieb aus?

Zunächst einmal sind wir sehr dankbar über diese Entscheidung und froh, dass sich unser Einsatz gelohnt hat. Ulrich Erdmann, der Vorstandsvorsitzende des Musikschulvereins, und ich waren bereits im April an die Politik herangetreten, um darauf aufmerksam zu machen, dass es durch die Erhöhung der Preise für Gas und Strom, Mieten, Pachten, Gebühren, Künstlersozialkasse und vieles mehr im Musikschulhaushalt 2024 zu Mehrausgaben von 53.400 Euro kommen wird, die nicht durch die Musikschule verschuldet sind.

Diese Ausgaben können Sie mit dem höheren Zuschuss also abdecken?

Das schon, aber unser Problem sind nicht nur höhere Betriebskosten, sondern der Kampf ums Personal. Der Fachkräftemangel ist auch bei den Musikschulen längst angekommen. Aber die Musikschulen im Umkreis werden unterschiedlich finanziert und können die Arbeit ihrer Lehrkräfte damit auch unterschiedlich honorieren. Das führt dazu, dass wir uns in der Oberlausitz, in Sachsen und in Südbrandenburg gegenseitig Konkurrenz machen.

Wie groß sind die Unterschiede?

Musikpädagogen etwa in Bautzen, Dresden, Meißen oder Leipzig werden nach Tarif bezahlt, während unsere festangestellten Mitarbeiter momentan etwa 25 Prozent unter Tarif erhalten. Steigen die tariflichen Löhne, müssen auch wir die Löhne um mindestens 5 Prozent anheben. Nur mit dem Argument einer freundlichen Atmosphäre oder weil Görlitz so eine schöne Stadt ist, können wir neue Lehrkräfte nicht herholen und binden. Dafür braucht es eine gerechte Bezahlung.

Der überwiegende Teil ihrer Mitarbeiter sind Honorarkräfte – wie sieht es da aus?

Auch hier haben die Nachbarmusikschulen die Stundensätze angehoben. Während andere 25 Euro pro Unterrichtsstunde zahlen, sind es bei uns 22 Euro. Damit wir mit den Musikschulen im Umkreis mithalten und verhindern können, dass unsere Lehrkräfte abwandern, müssen wir auch unsere Honorarkräfte besser bezahlen. Durch ein Anheben aller Personalausgaben, für die Festen fünf Prozent mehr, für die Freien drei Euro pro Stunde mehr, entstehen uns Kosten von weiteren 80.000 Euro.

Sie werden also die Unterrichtsgebühren erhöhen müssen?

Es bleibt uns nichts anderes übrig, auch wenn wir es unseren rund 1.000 Schülerinnen und Schülern beziehungsweise deren Eltern in Zeiten der Inflation gern ersparen würden. Doch auch mit unseren Unterrichtsentgelten liegen wir weit unter denen der umliegenden Musikschulen, teilweise fast 20 Prozent. Mit der Erhöhung des städtischen Zuschusses ist zugleich der Auftrag an uns verbunden, die Gebühren im Jahr 2024 um zehn Prozent zu erhöhen.

  • Hier können Sie sich für unseren kostenlosen Görlitz-Niesky-Newsletter anmelden.

Wie gingen die Eltern bisher mit Preiserhöhungen um?

Normalerweise gut, wir heben die Entgelte jedes Jahr um ein Prozent an. Die meisten haben Verständnis für unsere Lage und akzeptieren das. Aber einfacher für uns wäre es, wenn die Finanzierung von Musikschulen keine kommunale Aufgabe, sondern zentral geregelt wäre. Denn es ist klar: Geht es der Kommune schlecht, wird bei der Musikschule gespart.

Wie könnte eine zentrale Regelung aussehen?

Ich werde oft belächelt, wenn ich als Beispiel unser Nachbarland Polen nenne, wo die Musikschulen von Warschau aus gesteuert werden. Vielen klingt das wie ein Relikt aus dem Sozialismus. Aber warum nicht zumindest Landesaufgabe? Das möchte ich gern einmal bei der Sächsischen Landesregierung ansprechen.

In Sachsen haben wir das Kulturraumgesetz, das vor 30 Jahren zum Erhalt der Theater erfunden wurde. Ähnlich könnte Sachsen ein Musikschulgesetz entwickeln, mit dem in allen sächsischen Kommunen gleiche Bedingungen für die Musikschulen geschaffen würden – unabhängig von den Kommunalfinanzen. Denn an weitere notwendige Ausgaben ist im Moment gar nicht zu denken.

Welche meinen Sie?

Die Sanierung des Gebäudes am Fischmarkt ist aus Gründen der Kostenexplosion bei Baukosten stecken geblieben. So wurden die Fenster saniert, aber die Risse und Schäden am Putz konnten nicht ausgebessert werden. Große Sorgen bereitet uns auch das an vielen Stellen baufällige frühere Bombardier-Gebäude Ecke Brunnen-/Conrad-Schiedt-Straße mit den denkmalgeschützten Holzvertäfelungen, das vor allem unser Jugendblasorchester nutzt.

Können das Jugendblasorchester, das Jugendsinfonieorchester, die Bigband und weitere Ensembles der Musikschule nicht auch Spenden einspielen?

Das machen wir! Und das funktioniert auch, besonders wenn wir einen konkreten Zweck benennen wie etwa die Busfahrt des Nachwuchsblasorchesters zum Sächsischen Kinderorchestertag, die nur durch Spenden beim Jahreskonzert möglich wurde. Auch bei den Rock- und Pop-Podien auf dem Untermarkt kommen immer viele Spenden zusammen und bei unseren eintrittsfreien Konzerten erleben wir, dass die Besucher mehr spenden, als sie für Eintrittskarten gezahlt hätten. Aber langfristig planen lässt sich natürlich nur mit einer gesicherten Finanzierung.

An Motivation mangelt es Ihnen aber nicht, wenn man sieht, wie viele Konzerte die Ensembles der Musikschule allein seit Beginn des Schuljahres gegeben haben.

Unsere Freude über die Entscheidung des Stadtrates überwiegt ja auch unsere Sorgen. Und die jungen Musiker sind ohnehin mit aller Leidenschaft dabei. Die Eröffnung des Görlitzer Altstadtfestes ist ohne das Jugendblasorchester kaum noch denkbar. Das deutsch-polnische Mixtura-Orchester gab im Schlosspark Żary ein Konzert. Beim Tag der Sachsen war das JBO wieder dabei. Das deutsch-polnische Jugendsinfonieorchester war in der Bonifatiuskirche in Zgorzelec und in der Brüdergemeine Herrnhut zu erleben. Und unser offener Chor für Kinder im Vor- und Grundschulalter startet jetzt auch wieder. Kinder, die dort mitsingen möchten, können immer dienstags 16.45 Uhr in die Musikschule am Fischmarkt kommen – gern als Auftakt für weitere Gesangs- oder Instrumentalausbildungen und lebenslange Freude an der Musik.

Link zum Musikschulfilm