Der Traum vom eigenen Hotel: Tino Liebchen träumt ihn schon eine Weile. "Eigentlich wollte ich ein kleines Haus im Zittauer Gebirge als Ferienhaus ausbauen und dann vermieten", berichtet der 52-Jährige. Das habe sich später zerschlagen. Doch die Idee ließ ihn nicht mehr los: Ferienwohnungen, Pension oder Hotel – völlig egal. Auf jeden Fall wollte er in diese Branche einsteigen und war seit einiger Zeit auf der Suche nach einem passenden Haus.

Jetzt ist er fündig geworden: Das Görlitzer Altstadt-Hotel "Goldener Engel" an der Hugo-Keller-Straße 1 stand im Juli zum Verkauf. Der bisherige Inhaber ist gestorben, seine Witwe will es nicht allein weiterführen. Tino Liebchen und zwei Geschäftspartner schlugen zu: Sie kauften das Haus zu dritt. Einer dieser Partner ist Andreas Ch. de Morales Roque, der in Görlitz in der Werbebranche tätig ist. Beim Goldenen Engel will er sich vor allem um das Marketing für das südamerikanische Steakhaus "El Rodizio" kümmern, das kürzlich im Parterre eröffnet worden ist. Der andere Geschäftspartner will sich erst einmal noch im Hintergrund halten. Tino Liebchen indes kümmert sich künftig um das Hotel: An diesem Freitag ist die Übergabe, ab 1. September ist er der Chef.

Der gebürtige Löbauer hat mit einer kurzen Unterbrechung in den 1990er-Jahren immer in seiner Heimatstadt gelebt – aber trotzdem eine spannende Biografie. Er ist gelernter Anwendungsprogrammierer – und nebenbei DJ, nennt sich ganz schlicht DJ T.L. Jahrelang war er beruflich im Eventmanagement tätig: "Ich habe Festivals für elektronische Musik organisiert, unter anderem das House of Summer in Hagenwerder." Bei Letzterem war er bis 2003 der Hauptverantwortliche, dann übergab er die Organisation an einen Verein.

Stattdessen startete er 2003/2004 etwas Neues: Eine kleine Webagentur namens "echt/t/raum" in Löbau. "Da beschäftige ich mich jetzt seit 20 Jahren mit Webdesign und Grafik, vor allem für überregionale Kunden." Von 2018 bis 2020 ließ er die Firma ruhen – und war als Grafiker im Kulturhistorischen Museum in Görlitz angestellt. Doch die städtischen Strukturen waren ihm zu eng: "Ich bin mehr Freigeist." Also machte er lieber mit seiner Agentur weiter.

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Jetzt aber will er davon wegkommen, ausschließlich am Computer zu sitzen. Deshalb die Idee mit dem Hotel. Da der Goldene Engel mit 18 Betten eher klein ist, will Tino Liebchen künftig beides machen: Das Hotel leiten und die Agentur weiterführen. Dafür zieht er jetzt sogar nach Görlitz um, hat sich eine kleine Wohnung in der Innenstadt gemietet. Die Webagentur hat keinen Kundenverkehr, sodass er sie sowohl in seiner Wohnung als auch im Hotelbüro unterbringen kann: "Das habe ich noch nicht entschieden." Vieles spricht aber für das Hotelbüro: "Da wäre ich immer vor Ort."

Im Hotel geht erst einmal alles weiter wie bisher, alle Buchungen bis zum Jahresende werden übernommen. Im Januar und Februar aber schließt das Hotel, eventuell auch noch im März. "Das sind ohnehin die touristenarmen Monate", sagt der neue Inhaber. Er will diese Zeit für einen Umbau nutzen. Was genau gemacht werden soll, steht momentan noch nicht fest. Fakt ist jedoch: Von den Möbeln bis zur Bettwäsche ist alles im Stil der 1990er-Jahre eingerichtet. Das ist längst nicht mehr zeitgemäß, insofern ist das Hotel mit seinen noch dazu recht kleinen Zimmern im preiswerten Segment angesiedelt. "Wir wollen aber auch künftig nicht hochpreisig werden", stellt Tino Liebchen klar. An der Größe der Zimmer beispielsweise werde sich nichts ändern lassen. Also kann der Goldene Engel maximal ein Mittelklassehotel werden. Doch das ist gar nicht abwertend gemeint: Es gibt viele Gäste, die lieber etwas weniger Geld ausgeben und sich ganz bewusst gegen Sterne-Hotels entscheiden.

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Trotzdem soll sich der Goldene Engel künftig mehr von anderen unterscheiden, damit die Auslastung steigt. "Es gibt Pläne, ein Themenhotel zum Thema Film daraus zu machen", sagt Tino Liebchen. Beispielsweise könnte jedes Zimmer einen anderen in Görlitz gedrehten Film repräsentieren. "Wir sind alle sehr filmbegeistert und wollen deshalb an das Thema anknüpfen", sagt er. Allerdings seien die Pläne noch nicht ausgereift. Unklar ist zum Beispiel, ob das Hotel umbenannt wird. "Einerseits ist der jetzige Name eingeführt, andererseits würden wir gern frischen Wind reinbringen", überlegt der Neu-Hotelier. Ob es vielleicht "Hotel Görliwood" heißen könnte, sei noch nicht entschieden.

Was aber schon klar ist: Zusätzlich zu den bisher sechs Doppel- und zwei Dreibettzimmern soll ein weiteres Zimmer entstehen. Die bisherige Eigentümerin wohnt selbst im Hotel, zieht aber aus – in die Nachbarschaft. Ihre Wohnung wird aufgeteilt: Es entstehen ein weiteres Zweibettzimmer sowie ein Büro für Tino Liebchen. Ebenfalls umgebaut wird im Parterre: Ein großer Raum, der bisher als Abstellraum diente, wird zum neuen Frühstücksraum. Momentan frühstücken die Gäste noch im neuen Steakhaus "El Rodizio", doch das ist keine Dauerlösung. Zudem will Tino Liebchen den Hof und das gesamte Außengelände aufwerten. Spätestens im April soll das Hotel dann wieder eröffnen.