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Görlitzer Altstadt: Ein vollgelaufener Saal und viel Glück im Unglück

Das Neißehochwasser hat in der Vierradenmühle in Görlitz für Schäden gesorgt. Anderswo fehlten nur Zentimeter zur Katastrophe.

Von Ingo Kramer
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Das Hochwasser der Neiße steht vor einem Wohnhaus am Hirschwinkel in Görlitz. Früher war es ein Studentenwohnheim.
Das Hochwasser der Neiße steht vor einem Wohnhaus am Hirschwinkel in Görlitz. Früher war es ein Studentenwohnheim. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Am Montagmorgen um 5.30 Uhr wurden die Görlitzer Pfarrer Matthias Paul und Ulrich Wollstadt von einem Nachbarn rausgeklingelt – mit dem Vorschlag, ihre Autos mal besser wegzufahren. Beide wohnen in dem früheren Studentenwohnheim am Görlitzer Hirschwinkel. Es steht direkt am Ufer der Neiße – und die Autos standen zu dem Zeitpunkt bereits im Wasser, berichtet Paul. Wollstadt ergänzt, dass das Wasser vor dem Hauseingang 27 Zentimeter hoch stand. In der Tür waren Schotten aufgebaut, sodass kein Wasser ins Haus floss.

Allerdings: Es gibt noch einen zweiten Eingang: Die Terrassentür der Familie, die im Erdgeschoss wohnt. Dort hat Hausbesitzer Kommwohnen keine Schotten eingebaut, berichten beide Pfarrer. "Dort fehlten sechs Zentimeter, dann wäre das Wasser in der Wohnung gewesen", so Wollstadt. Kommwohnen wolle dort jetzt auch Schotten installieren, sagt Paul. Bisher sei das offenbar schlichtweg vergessen worden.

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Andere Bewohner in der Nähe sind da längst weiter: Der 85-jährige Ludwig Stalf aus der Hotherstraße 11 bekam um Mitternacht einen Anruf von der Feuerwehr, baute zusammen mit seiner Frau bis 2 Uhr nachts an allen Türen seine bereitliegenden Schotten auf – und konnte sich wieder ins Bett legen. "Nur im Keller steht Grundwasser", sagt Stalf. Das sei absolut sauber – und fließe von allein wieder ab. Nutzbar sei der Keller aus diesem Grund nie.

Wenige Häuser weiter ist auch Christian Reichardt aus der Hotherstraße 19 entspannt. "Mein Keller ist vollgelaufen, aber der läuft auch wieder ab", sagt er. Dann müsse er ausgespritzt werden und könne trocknen. Letzteres werde zwar vermutlich ein Jahr dauern, aber das sei eben so. Etwas Wertvolles hat Reichardt ohnehin nicht im Keller stehen. Und das, was da stand, hat er rechtzeitig nach oben geräumt: "Das Hochwasser war ja lange genug angekündigt." Reichardt lobt den OB, der sich vor Ort nach Schäden erkundigt hat – und kritisiert die Hochwasserprognosen des zuständigen Landesamtes: "Der Wasserstand wurde zwar annähernd korrekt angekündigt, aber bei der Zeit hat sich das Landesamt um sechs bis sieben Stunden vertan." Er frage sich, wie so etwas passieren könne.

Weitaus weniger glimpflich ist die Sache ein Haus weiter ausgegangen: Der Saal der Vierradenmühle steht brusthoch unter Wasser, berichtet Mitarbeiter Grzegorz Cerobski: "Dabei haben wir am Sonntagabend noch Sandsäcke gefüllt und vor die Türen gelegt." Wie das Wasser trotzdem reingekommen ist, könne er noch nicht sagen. Derzeit könne er den Saal auch gar nicht betreten, sondern eigentlich nur abwarten. Auf jeden Fall werde dort unten auch die komplette Elektrik hinüber sein. Was Cerobski besonders ärgert: Im Oktober und November sollten im Saal zwei Hochzeiten stattfinden. Jetzt ist der Saal durchweicht, muss erneut saniert werden: "Ich weiß nicht, ob wir das vor den Hochzeiten schaffen." Besser dran ist die große Turbine der Stadtwerke in der Vierradenmühle, die beim Hochwasser 2010 ebenfalls im Wasser stand. "Die hat diesmal nichts abbekommen", sagt Cerobski. Auch der Rest der Gaststätte ist nicht betroffen.

In der Obermühle hingegen gibt es keine Schäden, sagt Inhaber Jörg Daubner: "Wir hatten die Pegelstände im Blick und haben vorab alles getan, was zu tun ist." Wenn man ein Wassergrundstück habe, setze man sich damit auseinander. Klar, die Neißeinsel sei überflutet: "Aber das ist bei Hochwasser normal." Das Team der Obermühle habe alles, was dort aufgebaut war, rechtzeitig vor der Flut in Sicherheit gebracht. OB Ursu war zweimal vor Ort und auch sonst hat Jörg Daubner extrem viele Hilfsangebote bekommen. Er konnte alle ablehnen: "Bei uns ist alles in Ordnung."