Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Görlitz

Nach der Flut: Kritik an Uferbebauung in Böhmen und Niederschlesien

In Polen und Tschechien wird nach Ursachen für die großen Schäden gesucht, die das Hochwasser angerichtet hat.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Im polnischen Kurort Ladek-Zdroj (Bad Landeck) hat das Hochwasser ein Trümmerfeld hinterlassen. Wie hoch der Schaden ist, steht noch nicht fest. Das Aufräumen hat begonnen.
Im polnischen Kurort Ladek-Zdroj (Bad Landeck) hat das Hochwasser ein Trümmerfeld hinterlassen. Wie hoch der Schaden ist, steht noch nicht fest. Das Aufräumen hat begonnen. ©   dpa

Von Petra Laurinova, Klaus-Peter Längert und Irmela Hennig

Das Hochwasser in Böhmen und Niederschlesien ist überstanden. Doch mit den Folgen werden die Menschen in den Nachbarländern lange zu kämpfen haben. Parallel beginnt das Fragen: Was ist vorab beim Flutschutz, aber auch beim Umgang mit Flüssen und Wiesen falsch gelaufen? Was hat sich bewährt?

Friedländer Zipfel: Entlang der Wittig waren 18 Ortschaften betroffen

In der tschechischen Region Liberec (Reichenberg) werden die Schäden nach den Überschwemmungen ermittelt. Stark betroffen sei das Isergebirge gewesen. Am 13. und 14. September fielen nach Behördenangaben dort an einigen Stellen bis zu 330 Millimeter Niederschläge. Der wichtigste Fluss des Friedländer Zipfels, die Smeda (Wittig), sei in allen Orten, durch die er fließt, auf das Niveau der Hochwasserstufe drei gestiegen. Von der Flut seien 18 Städte und Gemeinden in der Umgebung von Frydlant (Friedland) mit 24.000 Einwohnern betroffen gewesen. Bis Mittwoch galt im Zipfel der Ausnahmezustand. Dies sollte Evakuierungen erleichtern. Sie betraf etwa drei Dutzend Menschen, die jedoch schnell in ihre Häuser zurückkehren konnten. Das Wasser sei in 40 Häuser eingedrungen und habe etwa die Hälfte davon überflutet.

Frydlant: Ufer unterspült und Garten weggeschwemmt

In Frydlant selbst stieg der Pegel der Smeda am 14. September auf 189 Zentimeter; durch das Flussbett flossen mehr als 93 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, 70-mal mehr als üblich. Der Wasserstrom habe in Frydlant die Ufer des Flusses unterhöhlt und spülte den Teil eines Privatgartens weg. Laut einem Statiker sei das Haus auf dem Grundstück nicht unmittelbar in Gefahr, sagte Frydlants Bürgermeister Dan Ramzer. Der Schaden wird von Experten auf zehn bis 15 Millionen Kronen geschätzt. „Andere Schäden in der Stadt werden wahrscheinlich nicht mehr als 1,5 Millionen Kronen betragen“, so Ramzer. „Die hohen Investitionen der letzten Jahre in Hochwasserschutzmaßnahmen und Entwässerung haben sich gelohnt“, betonte er.

Visnova: Polder und Damm haben große Schäden verhindert

Die Flut war ein erster großer Test für den im November 2021 fertiggestellten Trockenstausee oberhalb der böhmischen Ortschaft Víska (Alt Dörfel), die zur Gemeinde Visnova (Böhmisch Weigsdorf) gehört. Ein dort errichteter Damm habe viel Wasser aufgehalten und manche Schäden verhindert, hieß es. Der Trockenpolder sei für 69 Millionen Kronen gebaut worden. Sein Staudamm mit einer Länge von fast 216 Metern könne bis zu 60.000 Kubikmeter Wasser halten und so die Auswirkungen eines Jahrhunderthochwassers abschwächen. Der Damm ist bis zu acht Meter hoch und besteht aus einer Stahlbetonkonstruktion. Unterhalb befinden sich zwei Auslässe, durch die das Wasser kontrolliert abfließen könne. Im Falle einer Überschwemmung lasse der Damm nur geringe Mengen durch. Nach Angaben des Bürgermeisters von Visnova, Michal Scheidl, stand das Wasser am Damm am 14. und 15. September etwa vier Meter hoch. Visnova brauche künftig mehr Schutzmaßnahmen. Die Gemeinde sei trotz des Polders stark von den Überschwemmungen betroffen gewesen und war zwei Tage vom Rest der Region abgeschnitten. Im Isergebirge hat das Hochwasser viele Waldwege beschädigt. In Jablonec (Gablonz) waren wohl vor allem Friedhöfe betroffen, die fünf Tage lang nicht zugänglich gewesen seien. Die Schadenshöhe im Raum Liberec ist noch unklar.

Wroclaw: Schutz vor Flut und drohenden Plünderungen

In Breslau wurden Sandsäcke als Barrieren gegen die Flut genutzt.
In Breslau wurden Sandsäcke als Barrieren gegen die Flut genutzt. © PAP

Tausende freiwillige Helfer und Soldaten, 150 Feuerwehrleute und 450 Mitglieder territorialer Streitkräfte haben in Wroclaw tagelang Sandsäcke gefüllt, Deiche befestigt, Gebäude und Einrichtungen wie den Zoo gesichert. Mehrere Museen waren vorsorglich geschlossen worden. Im Erzdiözesan-Museum wurden Archivbestände in höher gelegene Stockwerke gebracht – insgesamt 450.000 Bände, berichten Medien. Anders als beispielsweise Klodzko (Glatz) hatte die niederschlesische Hauptstadt mehr Zeit, um sich auf die Flutwelle vorzubereiten. Die lag zwischenzeitlich bei rund 6,40 Metern, damit unter dem Level von 1997. Trotzdem sind nach Behördenangaben einige Stadtgebiete überschwemmt worden, mehrere Personen wurden evakuiert. Eine Bilanz der Schäden liegt noch nicht vor. Weil die Regierung Plünderungen in evakuierten Gebäuden befürchtete, hatte sie 500 Militärpolizisten geschickt, die für Sicherheit sorgen sollten.

Lomnica: Schlossherrin fast allein im Kampf gegen das Wasser

In Lomnica standen Straßen und Wiesen unter Wasser.
In Lomnica standen Straßen und Wiesen unter Wasser. © Christopher Schmidt-Münzberg

Am 13. September, als das Hochwasser Schloss Ŀomnica (Lomnitz) im Hirschberger Tal erreichte, sollte eigentlich die größte Veranstaltung des Jahres dort stattfinden. Schlossherrin Elisabeth von Küster hatte 450 Gäste erwartet. „Aber wir mussten das absagen.“ Ihre Mitarbeiter schickte sie heim, denn auch deren Wohnhäuser seien durch das Wasser der Flüsse Bobr und Lomnica bedroht gewesen. Zwischenzeitlich kämpfte die Hotelchefin allein gegen die Flut, die in die Gebäude des Gutshofes zu fließen drohte. 16.000 Sandsäcke waren Elisabeth von Küster zum Schutz vorab zugesagt worden. Erhalten habe sie keinen einzigen. Nachfragen beim Bürgermeister und dem Leiter des Krisenstabes halfen nicht weiter. Eine Mitarbeiterin stellte schließlich leere Kohle-Säcke zur Verfügung, die mit Erde gefüllt wurden. Später halfen wenige Nachbarn und ein Rentnerpaar, das im Schlossmuseum arbeitet. Schließlich sei ein sechsköpfiges Team der Freiwilligen Feuerwehr aus Bukowiec (Buchwald) gekommen. Schäden gebe es, aber man sei mit einem „blauen Auge“ davongekommen. Der Fußboden im Inspektorenhaus, in dem man übernachten kann, sei beschädigt. Der Park und unterirdische Leitungen wohl ebenso. Elisabeth von Küster geht davon aus, dass ihre Versicherung greift. Inzwischen seien wieder Gäste da; am 12. und 13. Oktober finde, wie geplant, das Erntedankfest statt.

Hirschberger Region: Flussauen zugebaut, Wassergräben zugeschüttet

In der vom Hochwasser betroffenen Stadt Jelenia Gora (Hirschberg) wird seit Mitte letzter Woche aufgeräumt. Keller wurden leergepumpt, in den Häusern laufen Trockner. Nach Auskunft von Bürgermeister Jerzy Luzniak seien zwischenzeitlich 400 Personen evakuiert gewesen. Auch der Kurort Cieplice (Bad Warmbrunn) war von der Flut betroffen. Dort regt sich nun deutliche Kritik. Anlass ist ein Ferienressort, das kürzlich auf einer Überflutungsfläche samt Teich errichtet worden war. Der Bauherr habe dafür auch einen Wall abbaggern lassen, der umliegende Gebäude gegen Hochwasser schützen sollte. Elisabeth von Küster macht darauf aufmerksam, dass man in Jelenia Gora viel auf Wiesen gebaut habe, die früher dem Fluss Bober als Ausweich dienten. So etwas sei auch andernorts geschehen. Insgesamt seien in den vergangenen Jahren viele Flüsse, trotz der Warnung von Umweltschützern, begradigt, Wälder abgeholzt worden. In Lomnica sei ein Graben, der der Entwässerung diente, teils zugeschüttet worden. Schon beim Hochwasser 1997 habe das dazu geführt, dass die lokale Schule vom Wasser beschädigt wurde. Das sei nun wieder geschehen.