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Görlitz/Niesky: Das sind die Menschen 2022

Wieder gab es viele, die anpackten und halfen, die andere bewegten. Die SZ kürt die Menschen des Jahres, wohlwissend, dass das auch viele andere verdienen.

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Das sind acht unserer Menschen des Jahres 2022 (von links oben): Andreas Schneider, Theresa Rinecker,, Karen Göpfert, Stephan Meyer, Anja Weigel, Anne-Sophie Jentho, André Döhring und Philipp Eichler.
Das sind acht unserer Menschen des Jahres 2022 (von links oben): Andreas Schneider, Theresa Rinecker,, Karen Göpfert, Stephan Meyer, Anja Weigel, Anne-Sophie Jentho, André Döhring und Philipp Eichler. © André Schulze

Es war ein verrücktes, ein schwieriges und trauriges Jahr 2022 , das auch seine fröhlichen Seiten hatte. Corona verlor seinen Schrecken, die großen Feste fanden wieder statt, vor allem aber begann Russland einen fürchterlichen Krieg in der Ukraine. All das hatte auch Folgen für die Menschen im Landkreis Görlitz. Und wieder gab es unter ihnen viele, die anpackten und halfen, die andere bewegten. Die SZ kürt erneut die Menschen des Jahres, wohlwissend, dass es viele andere auch verdient gehabt hätten.

Flüchtlingshelfer im Kreis Görlitz

Am Görlitzer Bahnhof kamen viele Flüchtlinge, vor allem Frauen mit ihren Kindern, in den ersten Kriegstagen auf ihrer Flucht an.
Am Görlitzer Bahnhof kamen viele Flüchtlinge, vor allem Frauen mit ihren Kindern, in den ersten Kriegstagen auf ihrer Flucht an. © Danilo Dittrich
Das Team in der Koordinierungsstelle der Flüchtlingshilfe im grünen Büro auf der Jakobstraße in Görlitz (v. li.): Anne Döring, Anja-Christina Carstensen und Monique Hänel.
Das Team in der Koordinierungsstelle der Flüchtlingshilfe im grünen Büro auf der Jakobstraße in Görlitz (v. li.): Anne Döring, Anja-Christina Carstensen und Monique Hänel. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Enrico Deege, der sonst bei der Ca-tee-drale in Görlitz tätig ist, sammelte Spenden für die Ukraine und brachte sie mehrmals in die Ukraine oder an die polnisch-ukrainische Grenze.
Enrico Deege, der sonst bei der Ca-tee-drale in Görlitz tätig ist, sammelte Spenden für die Ukraine und brachte sie mehrmals in die Ukraine oder an die polnisch-ukrainische Grenze. © Privatfoto
Ukrainische Familien mit ihren autistischen Kindern fanden Aufnahme bei der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky. Hier können sie ihren Bedürfnissen entsprechend weiterhin betreut werden.
Ukrainische Familien mit ihren autistischen Kindern fanden Aufnahme bei der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky. Hier können sie ihren Bedürfnissen entsprechend weiterhin betreut werden. © André Schulze
Flüchtlinge wurden auch im Nieskyer Ortsteil See herzlich aufgenommen. Für die notwendige Verständigung sorgte die ehemalige Russischlehrerin Heike Adomat (Mitte, hinten). Sie wirkte auch in vielen anderen Fällen als Dolmetscherin.
Flüchtlinge wurden auch im Nieskyer Ortsteil See herzlich aufgenommen. Für die notwendige Verständigung sorgte die ehemalige Russischlehrerin Heike Adomat (Mitte, hinten). Sie wirkte auch in vielen anderen Fällen als Dolmetscherin. © Martin Schneider
Die Nieskyer Physiotherapeutin Dorit Sonntag (rechts) verwandelte ihre Praxis kurzerhand zur Sammelstelle. Die Einwohner von Niesky brachten Hilfsgüter hierher, die von Lucyna (links) und Marek Mitorski abgeholt wurden, um dann mit Transporten der Görlitzer Ca-Tee-Drale in die Ukraine geschafft zu werden.
Die Nieskyer Physiotherapeutin Dorit Sonntag (rechts) verwandelte ihre Praxis kurzerhand zur Sammelstelle. Die Einwohner von Niesky brachten Hilfsgüter hierher, die von Lucyna (links) und Marek Mitorski abgeholt wurden, um dann mit Transporten der Görlitzer Ca-Tee-Drale in die Ukraine geschafft zu werden. © André Schulze

Als Russland am 24. Februar die benachbarte Ukraine angriff, da war nicht allen gleich klar, welch eine Zeitenwende dieser Krieg für Europa darstellen würde. Doch schnell erreichte der Krieg auch den Landkreis Görlitz. Hier strandeten Anfang März die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine auf der Suche nach einer vorübergehenden sicheren Bleibe. Szenen spielten sich auf dem Görlitzer Bahnhof ab, die die Görlitzer – viele von ihnen selbst mit einem Fluchtschicksal in der Familie – bewegten. Es waren Mitarbeiter und Freunde der grünen Landtagsabgeordneten Franziska Schubert, die die Initiative ergriffen, und das Büro der Partei auf der Jakobstraße zur zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge in der Stadt machten, bis der überforderte Kreis in die Gänge kam. Anne Döring, Anja-Christina Carstensen und Monique Hänel stehen für sie alle. Und es waren Männer wie Enrico Deege die unermüdlich Spenden sammelten und in die Ukraine brachten. Aber auch in Niesky und Umgebung halfen viele den Flüchtlingen aus der Ukraine, indem sie ihnen eine Unterkunft gaben, Spenden sammelten. Eine Nieskyer Besonderheit: Ukrainische Familien mit ihren autistischen Kindern fanden Aufnahme bei der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky.

Feuerwehrfrau mit Leib und Seele: Anja Weigel

Anja Weigel ist die neue Leiterin der Berufsfeuerwehr Görlitz.
Anja Weigel ist die neue Leiterin der Berufsfeuerwehr Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Anja Weigel (43) ist die erste Feuerwehr-Chefin in Görlitz. Ihr Start war geprägt von einer Extremsituation – die Waldbrände in Sachsen und Brandenburg. Auch ihre Leute halfen.

Anja Weigel steht für zig Feuerwehrkameraden. Die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz und in Brandenburg – es war ein extremes Jahr. Auch Görlitzer Kameraden halfen vor Ort, teils in ihrer Freizeit. Für Anja Weigel hieß es vor allem: kühlen Kopf bewahren bei der Koordinierung. Dabei ist sie erst seit Kurzem Feuerwehr-Chefin – und hatte in große Fußstapfen zu treten, die des langjährigen Feuerwehr-Chefs Uwe Restetzki. Doch das gelang. Sicher hilft ihr auch ihre Erfahrung, einfach immer die Ruhe zu bewahren: Denn Feuerwehrfrau mit Leib und Seele ist sie schon lange. (SZ)

Der Kunst-Entdecker: Andreas Döhring

Andreas Döhring identifizierte das Wandbild an der ehemaligen Schule in Hagenwerder als ein Frühwerk des Malers Gerhard Richter.
Andreas Döhring identifizierte das Wandbild an der ehemaligen Schule in Hagenwerder als ein Frühwerk des Malers Gerhard Richter. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

André Döhring (57), ein Dresdner Bauingenieur, identifizierte das Sgraffito an der ehemaligen Oleg-Koschewoi-Oberschule von Görlitz-Hagenwerder als ein Frühwerk des Malers Gerhard Richter.

Döhring ist dem Frühwerk Gerhard Richters (90) auf der Spur, der als weltweit wichtigster und teuerster Künstler der Gegenwart gilt. Um die Wandbilder zu finden, die er vor seiner Flucht aus der DDR im Februar 1961 anfertigte, forschte Döhring in Biografien, Zeitungen, Archiven und stieß dabei auf das Sgraffito in Hagenwerder. Es zeigt eine stilisierte Karte von Görlitz und Zgorzelec mit einer Sonnenuhr, die falsch geht. Es stellte sich zwar heraus, dass heute eine Rekonstruktion des Bildes zu sehen ist, aber die Idee bleibt original Gerhard Richter. (ie)

Mehr über das Sgraffito und dessen Geschichte lesen Sie hier

Die Chefin von 700 Rindern: Anne-Sophie Jentho

Anne-Sophie Jentho (24) ist heimatverbunden und will hier etwas bewegen. Die junge Frau aus Kosel mag Tiere. Und Kühe ganz besonders. Nun sagt sie, wo es langgeht im Stall.
Anne-Sophie Jentho (24) ist heimatverbunden und will hier etwas bewegen. Die junge Frau aus Kosel mag Tiere. Und Kühe ganz besonders. Nun sagt sie, wo es langgeht im Stall. © André Schulze

Zu Hause hatte Anne-Sophie Jentho schon immer Kleinvieh: Hühner, ein paar Kaninchen. Seit September, kurz nach dem Abschluss ihres Studiums, kümmert sie sich nun um die Großen: 745 Rinder, vom Kälbchen bis zur tragenden Kuh, stehen in den Ställen der Jänkendorfer Agrar GmbH in Ödernitz. Den Kern des Bestandes bilden 270 Milchkühe, die regelmäßig gemolken werden müssen. Da bleibt manche Überstunde nicht aus. „Macht nichts“, sagt die Koselerin. Sie hat ihren Traumjob gefunden. „Da kommt es auf ein bisschen mehr Zeit überhaupt nicht an.“ (SZ/fum)

Die Kirchentags-Initiatorin: Theresa Rinecker

Die Görlitzer Generalsuperintendentin Theresa Rinecker beim Eröffnungsgottesdienst des Lausitz-Kirchentages am 25. Juni 2022 auf dem Görlitzer Obermarkt.
Die Görlitzer Generalsuperintendentin Theresa Rinecker beim Eröffnungsgottesdienst des Lausitz-Kirchentages am 25. Juni 2022 auf dem Görlitzer Obermarkt. © Nikolai Schmidt

Theresa Rinecker (58), Generalsuperintendentin des Sprengels Görlitz in der EKBO, war eine der beiden Ideengeberinnen für den Lausitz-Kirchentag in Görlitz, den Ende Juni 15.000 Besucher feierten.

Zum ersten Mal veranstalteten die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Kirchenbezirk Löbau-Zittau einen gemeinsamen Kirchentag für die Lausitz. Theresa Rinecker und Antje Pech, die Superintendentin der Nachbarregion, hatten die Idee dazu und feierten – dank der Hilfe von 2500 Mitwirkenden – einen großen Erfolg mit diesem entspannten Fest voller Musik, Frieden und Lebensfreude. Von nachlassender Begeisterung für den christlichen Glauben war zumindest am letzten Juniwochenende nichts zu spüren. (ie)

Mehr über den Kirchentag lesen Sie hier

Der Mount-Everest-Bezwinger: Matthias Breitkopf

Extremradfahrer Matthias Breitkopf (links) zusammen mit seinen Eltern, die in Görlitz leben, am Fuß der Landeskrone bei einer kurzen Pause während seiner sommerlichen Tortur.
Extremradfahrer Matthias Breitkopf (links) zusammen mit seinen Eltern, die in Görlitz leben, am Fuß der Landeskrone bei einer kurzen Pause während seiner sommerlichen Tortur. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Matthias Breitkopf (45) ist gebürtiger Görlitzer, der jetzt in Dresden lebt. Aus persönlichen Erfahrungen engagiert er sich für die Hospizarbeit und sorgte in diesem Juni für einen Rekord.

Zuletzt goss es noch in Strömen an jenem 24. Juni. Da saß Matthias Breitkopf schon stundenlang im Fahrradsattel, um wieder und wieder auf die Landeskrone raufzufahren. Nachts um 4 Uhr startete die sommerliche Tortur mit seinem Begleiter Stephan Adolphi. Erst 50 Minuten nach Mitternacht war es geschafft: Breitkopf war 63 Mal die Landeskrone raufgefahren und hatte damit 8.848 Höhenmeter zurückgelegt – genau so hoch ist der Mount Everest. Mit seiner Tour sammelte er 13.000 Euro Spenden für den Hospizdienst. Kaputt, aber glücklich fuhr Breitkopf nach Hause. (SZ/sb)

Der Corona-Tester: Younes Polenz

Younes Polenz (40) ist ein junger Unternehmer aus dem Nieskyer Ortsteil Stannewisch. Seine Kfz-Werkstatt im Ort ist nur ein Standbein, mit dem er seine Selbstständigkeit begann.
Younes Polenz (40) ist ein junger Unternehmer aus dem Nieskyer Ortsteil Stannewisch. Seine Kfz-Werkstatt im Ort ist nur ein Standbein, mit dem er seine Selbstständigkeit begann. © André Schulze

Der Jungunternehmer zählt zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Mit seinen Testcentern in Niesky, Rothenburg und Weißwasser bietet er bis in die Gegenwart Testmöglichkeiten für die Bürger an. Es ist seine soziale Ader, die ihn dazu veranlasst hat, betont er. Die Erlöse aus diesem Geschäft steckt er in ein anderes. Nach dem Mieten des Eiscafés in der Poststraße dieses Jahr, sind Polenz und sein Team dabei, dem Café ein neues Inneres zu geben und es zu einem Treffpunkt für die Nieskyer und ihre Gäste zu machen. Der Zuspruch stärkt ihn, in dieses Objekt zu investieren. (SZ/sg)

Die Durchhalte-Frau: Karola Nagl

Karola Nagl, Inhaberin von Spielwaren Nagl, in ihrem Laden auf der Görlitzer Hospitalstraße.
Karola Nagl, Inhaberin von Spielwaren Nagl, in ihrem Laden auf der Görlitzer Hospitalstraße. © Martin Schneider

Karola Nagl (66) führt seit mehr als 30 Jahren einen gut sortierten Spielwarenladen in der Görlitzer Innenstadt. Seit 1995 befindet sich das Geschäft auf der Hospitalstraße.

Obwohl ringsum immer mehr Geschäfte schließen und Touristen selten den Weg zum Shoppen in die Hospitalstraße finden, hält die Geschäftsfrau durch. Das nächste Ostern will sie auf jeden Fall noch für ihre Kunden da sein. Karola Nagl wirbt dafür, dass die Görlitzer viel mehr vor Ort einkaufen und nicht im Internet. So könnten Kunden selbst dazu beitragen, dass der innerstädtische Handel nicht ausstirbt. Karola Nagl bietet mit ihrem Geschäft viel Service. Zum Beispiel mit umfangreicher Beratung und Erfüllung so mancher Extrawünsche. Das wissen Kunden zu schätzen. (SZ/gla)

Mehr über die Hospitalstraße und Karola Nagl lesen Sie hier

Der Wahl-Sieger: Stephan Meyer

Stephan Meyer in seinem neuen Büro im Landratsamt Görlitz.
Stephan Meyer in seinem neuen Büro im Landratsamt Görlitz. © Martin Schneider

Stephan Meyer (41) ist seit 5. September der Landrat des Landkreises Görlitz. Selbstverständlich ist das nicht angesichts der Stärke der AfD. Doch der CDU-Politiker gewann die Wahl.

Monatelang hatten Stephan Meyer und die CDU ihren Wahlkampf vorbereitet, Meyer bereiste den Landkreis unermüdlich, war omnipräsent und doch blieb diese Unsicherheit, ob es am Ende reichen würde. Es reichte, zwar erst im zweiten Wahlgang am 3. Juli, aber immerhin mit 56,4 Prozent. Vor allem im Süden um Zittau punktete Meyer haushoch gegen die Konkurrenz. Kein Wunder, dort kennen sie ihn am besten, vertrat er doch seit 2009 den Wahlkreis im Landtag in Dresden. Nun gibt er im Görlitzer Landratsamt die Richtung vor, wo seine Karriere 2008 startete. (SZ/sb)