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Ist die Hospitalstraße als Einkaufsmeile am Ende?

Einst gehörte die Straße in Görlitz mit Branchenmix an Geschäften zu den beliebtesten Einkaufsstraßen der Stadt. Nun schließt ein Laden nach dem anderen.

Von Gabriela Lachnit
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Karola Nagl führt ihren Spielwarenladen seit 1995 auf der Hospitalstraße. Wie lange noch, ist ungewiss.
Karola Nagl führt ihren Spielwarenladen seit 1995 auf der Hospitalstraße. Wie lange noch, ist ungewiss. © Martin Schneider

Karola Nagl kann sich gut erinnern, als die Hospitalstraße in Görlitz zu den besten und beliebtesten Einkaufsstraßen der Stadt gehörte. Doch das ist lange her, die Hospitalstraße stirbt.

2021 schlechtestes Weihnachtsgeschäft

Karola Nagl führt seit mehr als 30 Jahren einen gut sortierten Spielwarenladen. Seit 1995 betreibt die 66-Jährige ihn auf der Hospitalstraße. An die kleine Markthalle mit Bäcker, Fleischer, Obst- und Gemüsehandel, an den Tee-Laden, das Miederwarengeschäft, an den Textilhändler NKD, an Modefachgeschäfte, eine Filiale der Bäckerei Tschanter, einen Laden für Berufsbekleidung und den Juwelier Voigt allein auf der Seite zum Wilhelmsplatz hin kann sie sich erinnern. Keines dieser Geschäfte agiert noch hier, sie zogen in eine attraktivere Geschäftslage um oder schlossen.

"Wenn es so weiterläuft wie bisher, dann ist 2023 mein letztes Geschäftsjahr", sagt Karola Nagl. Noch nie hatte sie so ein schlechtes Weihnachtsgeschäft wie 2021. Lange kann sie so nicht durchhalten. "Allein mit Stammkundschaft kann ich nicht die Umsätze erzielen, die nötig sind, um die Kosten zu decken und noch etwas zu verdienen", sagt sie. Es fehle die Laufkundschaft.

Fehlender Umsatz führt zur Ladenschließung

Andere Geschäfte auf der Hospitalstraße zogen erst vor Kurzem die Reißleine. Das Miederwarenfachgeschäft "Die Linie" schloss Ende Juni - aus wirtschaftlichen Gründen. Auch der SAT-Service Adam auf der Hospitalstraße gegenüber dem Spielzeugladen ist derzeit geschlossen. Zwar verkündet ein Zettel am Schaufenster, dass im September noch einmal geöffnet werde, "aber nur, um den Warenbestand zu verkaufen", erklärt Inhaber Matthias Adam auf Nachfrage. Nach 32 Jahren gibt er auf. Zu den Gründen möchte er öffentlich nichts sagen, aber dass die Hospitalstraße schon lange keine 1a-Lage mehr sei, das bestätigt er.

EGZ sieht Vorteile in Neubauten und Parkmöglichkeiten

Bei der Europastadt Görlitz/Zgorzelec GmbH (EGZ) sieht man das etwas anders. Die Ausstattung der Hospitalstraße mit Einzelhandelsgeschäften, Dienstleistern und Gastronomie weise seit vielen Jahren Beständigkeit auf, sagt Kathrin Hennersdorf, Projektleiterin Wirtschaftsförderung bei der EGZ.

Die Hospitalstraße profitiere letztlich von den städtebaulichen Entwicklungen in der gesamten Innenstadt, auch wenn sie selbst keine direkten Veränderungen erfahren habe wie beispielsweise Postplatz, Jakobstraße, Wilhelmsplatz. Auch von Neubauten wie dem Landratsamt und dem Senckenberg-Areal werde sie profitieren, meint Frau Hennersdorf. Beiderseits der Straße könne geparkt werden.

Die Inhaber des Waffle Paradise auf der Hospitalstraße 39 in Görlitz sind Maximilian und Christina Koch.
Die Inhaber des Waffle Paradise auf der Hospitalstraße 39 in Görlitz sind Maximilian und Christina Koch. © Martin Schneider

Kein ansehnliches Äußeres

Gerade hier setzt Karola Nagl an. Die Parkgebühr wurde in der Hospitalstraße verdoppelt: Eine halbe Stunde kostet jetzt einen Euro, nicht mehr 50 Cent. "Oft stehen Kunden bei mir im Laden und drängen auf schnelle Beratung, weil die Parkuhr abläuft und sie ein Knöllchen befürchten", berichtet die Geschäftsfrau.

Die wenigen Geschäfte, die nach den Schließungen übrig bleiben, seien nicht dafür angetan, viele Kunden anzuziehen, sagt Frau Nagl. Vielmehr kommen jetzt nur noch jene Kunden, die zielgerichtet ein Geschäft ansteuern, weil sie es kennen. "Einfach mal zum Bummeln, dazu lädt die Hospitalstraße schon lange nicht mehr ein." Touristen beispielsweise, die sich auf den Wilhelmsplatz "verirren", kommen wohl kaum auf die Idee, die Hospitalstraße in Richtung Berliner Straße entlangzuschlendern. Allein die leeren und teilweise mit Holzplatten vernagelten Schaufenster in den Eckgeschäften Hospitalstraße/Jakobstraße sind kein Anreiz, die Hospitalstraße zu erkunden.

Selbst Neuansiedelungen wie das Waffle-Paradise haben es schwer, zu bestehen. Die Geschwister Christina und Maximilian Koch eröffneten Ende Mai ein Waffel-Paradies in der Hospitalstraße zwischen Kings-Pub und Miederwarengeschäft. Doch von der ihnen vom Vermieter angepriesenen 1a-Lage spüren sie nichts. "Wir müssen wirklich sehr viel Werbung machen", sagt Christina Koch. "Wir hätten doch eher in Richtung Altstadt einen Laden suchen sollen", sagen die Geschwister enttäuscht. Aufgeben wollen sie aber (noch) nicht.

Leer stehende Geschäfte auf der Hospitalstraße, Ecke Jakobstraße in Görlitz. Ein Anreiz für Touristen oder Gäste der Stadt, die Straße zu erkunden, ist das eher nicht.
Leer stehende Geschäfte auf der Hospitalstraße, Ecke Jakobstraße in Görlitz. Ein Anreiz für Touristen oder Gäste der Stadt, die Straße zu erkunden, ist das eher nicht. © Martin Schneider

Nur die Kunden selbst können die Straße "retten"

In nächster Zeit wird sich an der Situation auf der Hospitalstraße nichts ändern, denn im Görlitzer Rathaus sind keine Pläne bekannt, dass in absehbarer Zeit dort Häuser saniert werden, wie Stadtsprecherin Annegret Oberndorfer auf Nachfrage erklärt.

Karola Nagl hört von ihren Kunden immer wieder, dass "die Stadt etwas tun muss, damit sich die Situation auf der Hospitalstraße verbessert". Da widerspricht die Spielwarenhändlerin: "Die Gebäude befinden sich in Privateigentum, da kann die Stadt gar nichts machen, außer die Bedingungen drumherum zu verbessern". Letztlich könnten nur die Kunden selbst dafür sorgen, dass die Hospitalstraße nicht ausstirbt, indem sie lokal, also vor Ort und nicht im Internet, einkaufen", ist Frau Nagl überzeugt. "Reell betrachtet, ist der Einkauf im Internet Augenwischerei, denn der Service, den ein Geschäft vor Ort bietet, fehlt im Internet. Und nicht immer ist der Interneteinkauf tatsächlich günstiger."