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Görliwood: Produzentin lenkt jetzt die Geschicke der Görlitzer Filmakademie

Grit Wißkirchen hat fast ihr ganzes Berufsleben in der Filmbranche verbracht - in Görlitz war sie aber noch nie tätig. Jetzt ist sie fast täglich hier. Wer ist die Frau an der Spitze der Filmakademie?

Von Susanne Sodan
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Grit Wißkirchen leitet die sächsische Filmakademie, die gerade am Konsulplatz in Görlitz einzieht. Zu den ersten Stücken, die eintrafen, zählten Filmplakate wichtiger Görliwood-Produktionen.
Grit Wißkirchen leitet die sächsische Filmakademie, die gerade am Konsulplatz in Görlitz einzieht. Zu den ersten Stücken, die eintrafen, zählten Filmplakate wichtiger Görliwood-Produktionen. © Martin Schneider

Kaum in Görlitz angekommen, stand Grit Wißkirchen schon vor der Kamera. Vor der Landtagswahl hatte das Heute Journal live aus Görlitz berichtet. Über die Wahlprognosen für Sachsen, die Gründe für die Unzufriedenheit vieler Menschen im Dreiländereck - inzwischen eine AfD-Hochburg Sachsens. Eine schöne Seite von Görlitz konnte Grit Wißkirchen in die Sendung bringen: Als Hochburg für Filmproduktionen ist die Stadt schon viel länger bekannt. Inzwischen gibt es sogar eine Filmakademie, in der Menschen für Berufe hinter der Kamera ausgebildet werden. Grit Wißkirchen ist die neue Geschäftsführerin.

Privat kennt die 59-Jährige Görlitz seit ihrer Kindheit, Schul- und Urlaubsreisen führten die gebürtige Freitalerin in die Oberlausitz. Beruflich hatte sie aber nie in Görlitz zu tun - dabei drehte sich fast ihr gesamtes Berufsleben um den Film. An der Filmhochschule Potsdam/Babelsberg studierte sie Animation und arbeitete bis zur politischen Wende im Defa-Trickfilmstudio in Dresden. Der letzte Animationsfilm, an dem sie dort mitwirkte, kam nie in die Kinos. Trotzdem, dem Trickfilm blieb sie immer verbunden. "Weil man zaubern kann", sagt sie, "alles ist möglich." Noch viel stärker als im Spielfilm kann man mit Gleichnissen, Metaphern, Bildern arbeiten. So seien Trickfilme bei Weitem nicht nur etwas für Kinder.

Nach Mauerfall: Zurück in den Trickfilm

Nach der politischen Wende arbeitete sie zehn Jahre lang im Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei der Telekom, später für Kabel Deutschland. Und dann ging sie zurück in ihr Metier. Sie stieg bei der Dresdner Produktionsfirma Balance Film als Geschäftsführerin ein, arbeitete 16 Jahre lang mit einem ehemaligen Studienkollegen zusammen. "Aber wie in jeder guten Ehe trennen sich die Wege irgendwann", scherzt sie. Grit Wißkirchens echter Ehemann übrigens hat beruflich nichts mit Film zu tun - und die Ehe hält schon viel länger.

Nach dem Ausstieg bei Balance Film startete sie in der Nähe von Leipzig ihre eigene Produktionsfirma, arbeitete viel mit dem MDR und dem Kika und anderen Produktionsfirmen zusammen. Zum Beispiel war sie früher auch eine der beiden Geschäftsführerinnen der Erfurter Produktionsfirma Mideu-Films, auf deren Konto etwa die Görlitzer Produktion "Der Zauberlehrling" von 2017 geht. "Daran war ich allerdings nicht beteiligt." Zur Görlitz-Premiere war sie trotzdem eingeladen. "Das war mein letzter Besuch hier." Bis im Frühjahr dieses Jahres eine Anfrage aus Görlitz kam.

Die Filmakademie Görlitz geht auf die Initiative eines anderen Produzenten zurück, Stefan Arndt. Er hatte in Görlitz etwa "Jeder stirbt für sich allein" und die Serie "Haus der Träume" produziert und machte auf den großen Fachkräftemangel, der auch in der Filmbranche herrscht, aufmerksam. Im März 2022 startete die Filmakademie Görlitz, bei der unter anderem Weiterbildungen zu Kamera- oder Produktionsassistenten angeboten wurden. Die Kurse richteten sich vor allem an Studierende und Quereinsteiger. Jetzt ging die Filmakademie den nächsten Schritt. Bislang als Projekt an der Hochschule Zittau/Görlitz angegliedert, wurde sie nun zu einer eigenen GmbH mit drei Gesellschaftern: die Allianz Deutscher Produzenten, die Europastadt Görlitz/Zgorzelec und die Hochschule.

"Jetzt müssen wir es mit Leben füllen"

"Jetzt müssen wir es mit Leben füllen", sagt Grit Wißkirchen. Aus einer großen einstigen Sechsraum-Wohnung am Konsulplatz wurde die Filmakademie. Erste Möbel sind da, in einem Raum hat sich Wißkirchen ein provisorisches Büro eingerichtet, manche Räume sind aber noch leer. Noch ist sie quasi Einzelkämpferin am Konsulplatz. Aber nicht für lange, dafür ist zu viel zu tun. Die Finanzierung für kommendes Jahr muss gesichert werden, entsprechend braucht es konkrete Kurspläne. Bislang gab es vor allem Kompaktkurse, "das werden wir neu strukturieren. Künftig sollen Kurse sich auch über längere Zeiträume erstrecken", eher in Richtung Abendschule gehen, sodass trotzdem berufstätige Interessenten teilnehmen können.

Ideen gibt es zahlreiche. Gut vorstellen könnte sich Grit Wißkirchen einen Kurs zu internationalen Co-Produktionen mit den Machern des Neißefilm-Festivals, an dem stets auch polnische und tschechische Filmschaffende teilnehmen. Auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt gebe es Initiativen zur Film-Weiterbildung, mit denen sie gerne kooperieren würde. Netzwerken ist für sie nicht nur ein notwendiges Übel der Branche, im Gegenteil, "das hat mir immer Spaß gemacht." So war sie selbst auch Mitglied der Produktionsallianz und 15 Jahre lang Mitglied im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Medienförderung, die zu den Unterstützern der Sächsischen Filmakademie zählt.

Film für Görlitz nicht nur "Image-Polierer"

Mit ihrer Arbeit in den vergangenen 30 Jahren ist Grit Wißkirchen das Pendeln gewöhnt. Ihr Zuhause bei Leipzig wird sie nicht aufgeben, aber unter der Woche wohnt sie jetzt in Görlitz. Doch Hollywood, größere Produktionen haben hier schon eine Weile nicht mehr angeklopft. Braucht es die Filmakademie noch? "Auf jeden Fall", sagt Grit Wißkirchen. "Der Fachkräftemangel ist nicht von der Hand zu weisen und er betrifft die Filmwirtschaft bundesweit. Ich hoffe, dass unser Wunsch und Ziel aufgeht, mit der Sächsischen Filmakademie etwas Positives zu schaffen, das auch über Görlitz hinausstrahlt."

Womit man auch wieder bei der politischen Lage ist. Film, sagt die Produzentin, könne nicht nur dem Image einer Stadt helfen, "sondern Film kann etwas Verbindendes haben". Und letztlich könne Film auch wirklich etwas für die Wirtschaft tun. Langfristiges Ziel ist es, mit der Hochschule Zittau/Görlitz einen Film-Studiengang aufzubauen, aus dem dann auch Neugründungen entstehen sollen. "Wenn uns das gelingt - das kann nur positiv sein für Görlitz."