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Kreis Görlitz: 3.000 Euro für die Fahrschule - was tun gegen die hohen Kosten?

Um die 3.000 Euro legt man auch im Kreis Görlitz für die Fahrschule hin. Eine Schülerin sagt, viele in ihrem Freundeskreis können sich das nicht leisten.

Von Susanne Sodan
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Matthias Sturm betreibt seine Fahrschule in Großschönau - und nennt Gründe für die Kosten.
Matthias Sturm betreibt seine Fahrschule in Großschönau - und nennt Gründe für die Kosten. © Matthias Weber/photoweber.de

In dieser Woche hat Antonia Kratzer ihre Fahrprüfung. Die 17-Jährige lebt in Großschönau und besucht in Seifhennersdorf das Gymnasium. Die Busverbindung ist „teilweise ziemlich eingeschränkt“, formuliert es die Jugendliche.

Wie schön wäre es, mit dem Auto zur Schule und vor allem wieder nach Hause fahren zu können. Nach dem Abi möchte Antonia Kratzer gerne studieren, „dann hätte ich auf jeden Fall gerne ein Auto, um mobil zu sein.“ Und auch, um nach Hause zu den Eltern fahren zu können – ohne massiven Planungs- und Zeitaufwand. Aber da sind die enormen Kosten für die Fahrschule.

Mit Ferienjobs nicht mehr zu bezahlen

Die liegen bundesweit durchschnittlich bei 3.000 Euro, aber auch 4.000 Euro sind keine Seltenheit. Eine Mini-Umfrage bei Fahrschulen im Kreis Görlitz ergibt Kosten von 2.500 bis über 4.000 Euro. Sehr abhängig ist das von den Fahrstunden, dem teuersten Part. Antonia Kratzer hat zwei Jahre lang in den Ferien in der Gastronomie für ihren Führerschein gearbeitet – aber das reicht nicht, obwohl sie voraussichtlich eher am unteren Ende der Kostenskala bleiben wird. Deswegen unterstützen sie auch ihre Eltern. Allein ist sie damit nicht.

Inzwischen sind die Kosten zum Politikum geworden. Die CDU stellte im Frühjahr im Bundestag einen Antrag für einen „bezahlbaren Führerschein“ mit Maßnahmen wie mehr Fahrprüfern gegen Terminengpässe und damit zeitliche Verzögerungen, eine Sicherung des Fahrschulangebotes im ländlichen Raum oder auch die Unterstützung von modernen Lerntechnologien wie Fahrsimulatoren.

Die Linkspartei forderte jetzt einen staatlichen Zuschuss. Kassem Taher Saleh, Dresdner Bundestagsabgeordneter der Grünen sagt: So wie es Runde Tische für die Wirtschaft im Kanzleramt gibt, müsse es auch einen Runden Tisch mit Fahrschulverbänden und Fahrlehrern dazu geben, „wie der Führerschein endlich wieder günstiger wird“.

Taher Saleh hat auch in Görlitz ein Büro, war zuletzt viel im Landtagswahlkampf unterwegs. Er werde oft auf das Thema Führerscheinkosten angesprochen, erzählt er, „sei es von Schulklassen oder Eltern“. In Großstädten sei das kaum ein Thema – aber im ländlichen Raum. „Auch ich habe meinen Führerschein im ländlicheren Raum in Sachsen gemacht, dort ist man auf den Führerschein und ein Auto angewiesen.“ Die heutigen Kosten bezeichnet er als „erschreckend“. Viele Menschen könnten sich solche Summen gar nicht leisten.

Durchaus ein Aufregerthema - das die AfD bereits vor anderthalb Jahren für sich erkannte. So hatte der sächsische Landesverband der Rechtsaußen-Partei bereits damals einen Landeszuschuss für den Führerschein von Auszubildenden gefordert. Zuletzt war im Wahlkampf von Sebastian Wippel, der als AfD-Landtagsdirektkandidat im Görlitzer Wahlkreis angetreten war, ein solcher Zuschuss Thema. Jedoch nur für Azubis.

Tatsächlich mögen Studierende in Hochschulstädten weniger stark auf das Auto angewiesen sein als Personen im ländlichen Raum und können mit Semestertickets vergleichsweise günstig den ÖPNV nutzen. Die andere Seite: Studierende müssen sich ihre Lebenskosten mithilfe der Eltern, Bafög, also letztlich einem Kredit, oder Nebenjobs finanzieren. Bis Ende des Jahres nun will FDP-Verkehrsminister Volker Wissing Vorschläge machen zur Bezahlbarkeit des Führerscheins.

Fahrlehrer: Jugendliche brauchen heute mehr Übung

Antonia Kratzer absolviert ihre Fahrschule bei Matthias Sturm in Großschönau. Seine Preise sind leicht unter Durchschnitt, aber ebenfalls gestiegen. „Von der generellen Preispolitik sind wir selbstständigen Fahrlehrer immer voll betroffen“, sagt er. Höhere Benzinpreise etwa schlagen sich durch.

Und ein Auto fährt bei Matthias Sturm um die 60.000 Kilometer im Jahr, je nachdem sei alle zwei bis vier Jahre eine Neuanschaffung nötig. „Dazu kommen die Versicherungen. Die meisten Fahrlehrer sind selbstständig“, das heißt, neben Fahrzeugversicherung sind auch Renten- und Krankenversicherung vollständig selbst zu tragen – und gestiegen. Und letztlich: Die Schüler, sagt Sturm, seien nicht mehr so aufnahmefähig wie früher. Über die Gründe will er nicht spekulieren. Aber sein Eindruck ist, dass die Vorkenntnisse heute geringer sind, „und die Schüler schauen oft nur sehr punktuell und zu wenig voraus“. Die Folge: mehr der teuren Praxis-Stunden.

Das sieht Frank Model, Görlitzer Fahrlehrer, als Hauptgrund für die Kosten, die prozentual viel stärker als die Inflationsrate gestiegen sind. Vor den Corona-Jahren hätten seine Schüler im Schnitt 35 Fahrstunden bis zur Prüfung benötigt, heute eher 45 bis 50. Das könne teils daran liegen, dass das Verkehrsaufkommen höher, die Ausbildung damit anspruchsvoller ist.

Aber vor allem, kritisiert Model, sei die Beobachtungsgabe der Jugendlichen schlechter geworden, „das Blickfeld ist sehr eingeschränkt“. Er sieht dafür einen Grund, das Smartphone. Zum Beispiel: Wenn Kinder früher mit den Eltern im Auto saßen, gab es nicht viel mehr zu tun, als aus dem Fenster zu blicken oder den Eltern beim Fahren zuzuschauen. Das sei heute anders.

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Doch auch wenn Jugendliche heute mehr Übung brauchen, die Kosten dafür kann manche Familie nicht mehr stemmen. Antonia Kratzer erzählt, in ihrem Freundeskreis sei das Interesse am Führerschein hoch, „aber viele sagen, dass sie sich das nicht leisten können“.

Fahrlehrer Matthias Sturm hätte nichts dagegen, wenn staatliche Zuschüsse möglich wären für die Fahrschüler. „Ich sehe aufgrund unserer Kosten einfach keinen Faktor, an dem wir selbst schrauben könnten.“ Einen Rat hat er: „Ich denke, es wäre hilfreich, würden die Schüler sich mehr mit dem Stoff beschäftigen.“ Einige Grundlagen könne man sich im Vorfeld gut auf Youtube aneignen, erzählt er. Für Antonia und ihre Prüfung hat er gute Hoffnung, „bei uns ist immer das Ziel, es im ersten Versuch zu schaffen.“