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Statt fünf Schichten bei Thyssenkrupp jetzt Chefin der Görlitzer Bahnhofsmission

Sabina Breden leitet diesen wichtigen Ort für Menschen in Not am Südausgang des Görlitzer Bahnhofs. Dafür brach ihre Familie ihre Zelte in Nordrhein-Westfalen ab.

Von Ines Eifler
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Sabina Breden leitet die Görlitzer Bahnhofsmission.
Sabina Breden leitet die Görlitzer Bahnhofsmission. © André Schulze

Immer wieder erleben Sabina Bredens Mitarbeiter auf den Bahnsteigen, dass Menschen sie fragend anschauen. Bahnhofsmission? Was ist denn das – und Sie wollen mir jetzt helfen?

"Ich muss gestehen, dass ich selbst neugierig war, was die Bahnhofsmission eigentlich macht, als ich die Stellenausschreibung gelesen habe", sagt die 49-Jährige, die seit genau einem Jahr die kleine Station am Görlitzer Bahnhof leitet, in der Bedürftige jederzeit etwas zu essen bekommen, sich aufwärmen oder einfach nur da sein können, um weniger allein zu sein. Vor wenigen Tagen wurde Sabina Breden in der Auferstehungskirche in Weinhübel für ihre Aufgabe eingesegnet.

Jahre am Empfang von Thyssenkrupp

In ihrem ersten Jahr hat sie nicht nur einfach einen Job gemacht. "Die Arbeit in der Bahnhofsmission ist für mich kein Beruf – es ist Berufung!", sagt sie. Schon immer habe sie gern mit Menschen zu tun gehabt und gern geholfen. In Plettenberg im Sauerland, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbracht hat und viele Jahre am Empfang von Thyssenkrupp arbeitete, war sie Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und ehrenamtlich in der Notfallhilfe tätig.

Sabina Breden (2. v. l.) mit einem Teil ihres Teams vor der Görlitzer Bahnhofsmission.
Sabina Breden (2. v. l.) mit einem Teil ihres Teams vor der Görlitzer Bahnhofsmission. © André Schulze

Vor einiger Zeit steckte ihre Familie in einer Krise, und sie selbst war erschöpft von der jahrelangen Arbeit im Fünfschichtsystem: "Vier Tage spät, vier Tage früh, vier Tage nachts, vier Tage frei – da kann man sich nie erholen, sondern ist irgendwann fertig", sagt Sabina Breden. Inspiriert durch die Auswanderergeschichte einer Bekannten schlug sie ihrem Mann vor, dem Beispiel zu folgen und woanders einen Neuanfang zu wagen.

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Der Ort, wohin sie "auswanderten", war Görlitz. Hier hatten bereits ihre Eltern einige Jahre gelebt. "Und mein Bruder wohnt in Zgorzelec." Denn ursprünglich kommt Sabina Breden aus Kattowitz (Katowice) in Oberschlesien und spricht Polnisch. Ihre Großeltern waren nach 1945 dort geblieben, gehörten zur deutschen Minderheit, hatten deutsche Pässe, aber durften Polen nicht verlassen. Als sich 1988 eine Chance bot, floh die Familie – Großeltern, Eltern und drei Kinder – über Jugoslawien in den Westen Deutschlands. Sabina Breden war damals 13 Jahre alt.

Görlitz und die Bahnhofsmission sind jetzt "Zuhause"

"Ich dachte immer, Plettenberg wäre mein Zuhause", sagt sie. "Aber richtig angekommen fühle ich mich erst in Görlitz, in der Bahnhofsmission." Das verdanke sie vor allem den Mitarbeitern der Stadtmission mit deren Leiter Karsten Mierig, der diese Aufgabe auch erst vor einem guten Jahr übernahm, nachdem er viele Jahre als Erzieher und in der Suchtkrankenhilfe gearbeitet hatte.

"Und ich habe ein ganz tolles Team in der Bahnhofsmission!" Neben zwei Ein-Euro-Jobbern seien das zwölf Ehrenamtliche, darunter zeitweise Menschen, die Geldstrafen durch Sozialstunden ableisten. "Wir sind ja nicht nur für unsere Besucher da, sondern auch für unsere Mitarbeiter, die manchmal genauso Zuspruch und Unterstützung brauchen", sagt Sabina Breden.

In Zukunft gibt es Frühstück an einer langen Tafel

Als sie zum ersten Mal in die Bahnhofsmission kam, fiel ihr außerdem gleich auf, dass noch eine weitere Gruppe öfter dahin zu Besuch kommen könnte: "Es gibt viele alte Menschen in Görlitz, die sehr einsam sind, weil sie einfach keinen mehr haben." Deshalb möchte Sabina Breden die Bahnhofsmission mehr ins Bewusstsein der Görlitzer bringen. Sowohl der Menschen, die hier Hilfe bekommen können, als auch derjenigen, die helfen könnten.

"Wir sind unseren Unterstützern bereits jetzt sehr dankbar", sagt sie. Etwa dem Melzer-Bäcker aus Königshain und seiner Urlaubsvertretung Schwerdtner, die jede Woche Brot und Kuchen spenden. "Nun suche ich noch jemanden, der uns frisches Obst und Gemüse spendet, damit wir neben Tee und Schnittchen auch Salate anbieten können."

Sabina Breden möchte außerdem zu mehr Gemeinsamkeit ermuntern – zum Beispiel würde sie gern öfter ein Frühstück in der Bahnhofsmission anbieten, bei dem alle zusammen an einer langen Tafel sitzen. "Ich glaube, so etwas würde viele unserer Gäste glücklich machen."