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"Warum spricht die Görlitzer Gleichstellungsbeauftragte nicht mit uns?"

Der Gleichstellungsbericht der Görlitzer Beauftragten kritisiert die bürgerlich-konservativen Parteien. CDU-Chefin Christiane Schulz findet die Kritik nicht ganz falsch, kritisiert aber auch die Beauftragte und sagt, wie sie sich die Förderung von Frauen vorstellt.

Von Sebastian Beutler
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Christiane Schulz ist seit kurzem CDU-Vorsitzende in der Stadt Görlitz.
Christiane Schulz ist seit kurzem CDU-Vorsitzende in der Stadt Görlitz. © Martin Schneider

Sie ist erst seit einem Monat die neue CDU-Vorsitzende in der Stadt Görlitz: Christiane Schulz. Die 46-Jährige engagiert sich aber schon länger öffentlich: Im Bürgerrat in ihrem Görlitzer Stadtteil Rauschwalde, als Vorsitzende der Frauen-Union im Kreis Görlitz und in kirchlichen Gremien. Nur wenige Tage vor ihrer Wahl legte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Görlitz ihren ersten Bericht vor und kritisierte vor allem bürgerlich-konservative Parteien dafür, dass sie Frauen zu wenig fördern. Die SZ traf sich mit Christiane Schulz, wie sie das in der CDU sieht.

Frau Schulz, sind Sie in der falschen Partei?

Nein, ich bin ganz richtig in der CDU.

Ich frage deshalb, weil man zuletzt bei der Vorstellung des Gleichstellungsberichtes im Stadtrat den Eindruck haben konnte, Frauen haben in der CDU nichts zu sagen.

So ist es ja nicht. Wir haben schon immer die Frauen-Union als Interessengruppe der Frauen. Frauen sind in unserer Partei anerkannt und geschätzt, und mit Sylke Jennewein war auch meine Vorgängerin eine Frau.

Im Stadtrat sind aber nur zwei Frauen in der CDU-Fraktion, auf der Wahlliste bei der letzten Stadtratswahl waren tatsächlich wenige Frauen, noch weniger wurden schließlich gewählt. Die Gleichstellungsbeauftragte schlussfolgert daraus, dass bürgerlich-konservative Parteien vor allem mehr für Gleichstellung tun müssen. Ist das so?

Da stimme ich ihr durchaus zu, sie kommt ja nicht ganz zu Unrecht zu dieser Feststellung. Aber es geschieht da auch schon viel. Auf jeden Fall gibt es die Möglichkeit für Frauen, Verantwortung in der CDU zu übernehmen, sich einzubringen, mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten. Davon hält die Frauen niemand in der CDU ab. Sonst wäre ich da ja auch fehl. Mir ist es noch nie passiert, dass mir niemand zugehört hat. Die Zahl Zwei ist etwas unrühmlich, auch in unserem jetzigen Vorstand sind wir nur zwei Frauen, wie haben da gemeinsam weiter viel Arbeit vor uns.

"Eine Frauen-Quote löst das Problem nicht allein"

Sind Sie für die Quote, um den Frauenanteil zu erhöhen?

Sie ist sicher ein Mittel, um zu erreichen, dass alte Gepflogenheiten aufbrechen, dass Männer nicht nur unter sich die Dinge ausmachen. Aber allein reicht sie nicht. Es geht auch um Angebote zur Weiterbildung, es geht um Sitzungszeiten beispielsweise. Die Corona-Pandemie hat uns da schon einen richtigen Schub gegeben, weil dadurch Video-Sitzungen üblich geworden sind. Unser Landkreis ist groß, und es ist für berufstätige Frauen aus Jonsdorf oder Schleife schon schwierig, zu Veranstaltungen immer in den anderen Teil des Kreises zu fahren. Aber eigentlich geht es bei Gleichberechtigung eher um Parität.

Das scheint mir immer so ein bisschen, Sozialingenieurwesen in der Gesellschaft zu sein, so die Sehnsucht nach dem idealen Abbild der Gesellschaft. Wo werden denn die 5.000 polnischen EU-Bürger in der Görlitzer Politik abgebildet? Dann sitzt man doch nur noch da und überlegt, wer an welcher Stelle über- oder unterrepräsentiert ist.

Deswegen sage ich ja auch, dass die Quote allein nicht reicht. Es geht auch um Themen. Diese kann man bei uns aus den Interessen der unterschiedlichsten Gruppen unserer Gesellschaft aufgreifen. Und das finde ich auch so schön in der CDU. Hier kann ich mit liberalen und auch mit konservativen Mitgliedern sprechen, und auf einmal finden wir zu Lösungen und zu einem Konsens, der uns allen hilft. Trotzdem reden wir auch über faire Löhne für Frauen, über Kinderbetreuung und vieles mehr.

Finden Sie den Bericht der Gleichstellungsbeauftragten gut?

Ich finde gut, dass er die Lage beschreibt und Fakten aufführt. Zum Beispiel ist mir bislang gar nicht so aufgefallen, dass die Redezeit zwischen Frauen und Männer im Stadtrat so ungleich verteilt ist. Aber an einigen Stellen kann ich nicht nachvollziehen, warum die Gleichstellungsbeauftragte zu ihren Schlussfolgerungen kommt. Zum Beispiel, wenn sie die bürgerlich-konservativen Parteien mahnt. Hat Sie mich einmal angesprochen oder eingeladen? Ich bin ja schon eine Weile Vorsitzende der Frauen Union im Kreis. Nein, das hat sie nicht. Das finde ich schade.

Kaum eine Diskussion ist so sehr von Stereotypen geprägt, von Prägungen, von Ideologie auch mitunter wie die über Gleichstellung und Gleichberechtigung. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Die Gleichstellung für den einen hat immer auch mit einem Verlust für den anderen zu tun. Jedenfalls empfinden das viele offenkundig so und nicht immer als Bereicherung, wenn Frauen ihre Sichtweisen auch in politischen Fragen einbringen können. Deswegen wird diese Debatte dann auch schnell emotional, wie man im Stadtrat ja auch beobachten konnte.

Warum ist es so schwer, Frauen für den Stadtrat zu gewinnen?

Spüren die Männer da Machtverlust?

Macht ist mir da zu schnell ein zu hartes Wort. Ich denke eher, es ist ein Verlust von Einfluss: in Gremien, im Stadtrat, in der Öffentlichkeit. Veränderungen wirken anfangs ja immer etwas exotisch. Als die ersten Männer Krankenpfleger wurden, da sprach die halbe Welt darüber. Heute ist es Normalität. In meinem Unternehmen gibt es auch Frauen als Zerspanerin. Das ist doch schön.

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Warum ist dann der Anteil von Frauen in Führungsaufgaben so unterbelichtet?

Unterbelichtet würde ich das nicht nennen. In Görlitz sind die Geschäftsführer vom Klinikum, von der Europastadt Görlitz/Zgorzelec, vom Kulturservice Frauen. In den Parteien und vielen Vereinsvorständen beteiligen sich recht viele Frauen. Das alles spricht gegen die harten Prozentzahlen aus dem Bericht der Gleichstellungsbeauftragten. Das nehme ich anders wahr. Unsere Aktion Powerfrauen im Landkreis setzt übrigens jährlich da an und rückt die Frauen ins Licht.