Am Mittwoch unterzeichneten Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bahnchef Richard Lutz eine Vereinbarung über den Ausbau mehrerer Bahnstrecken. Darunter auch die Strecke (Berlin)-Cottbus-Görlitz, die zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden soll, sodass die Züge auf dieser Strecke Tempo 160 fahren können. Jetzt ist klar, dass die Gelder für die Planung der Strecke zur Verfügung stehen. Die Strecke wird im Rahmen des Strukturwandels wegen des geplanten Kohleausstiegs ausgebaut.
Dass das ein bedeutsamer Schritt für eine künftig bessere Schienen-Infrastruktur in der Lausitz ist, war am Mittwoch schon an dem "großen Bahnhof" in Görlitz zu spüren. Seitdem äußern sich auch viele Beteiligte oder Betroffene wie Politiker, die IHK für die Wirtschaft oder auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Wir geben die wichtigsten Äußerungen hier wieder.
IHK: Jetzt muss die Strecke Dresden-Görlitz folgen
Thomas Ott, Vize-Hauptgeschäftsführer IHK Dresden:
Der eindringliche Appell der Industrie- und Handelskammern Dresden und Cottbus beim verkehrspolitischen Dialog am 6. Juni 2024 in Cottbus hat großartig gewirkt. Zeit zum Ausruhen bleibt allerdings nicht, sollen die Projekte tatsächlich bis 2038 umgesetzt werden. Dies gilt umso mehr für die Elektrifizierung der Strecke Dresden – Görlitz, für die es bislang leider keine Finanzierungsvereinbarung gibt. Als die wesentliche Ost-West-Achse in der Oberlausitz soll sie endlich ihrer Bedeutung im Fernverkehr und im Nahverkehr gerecht werden können. Das wird nur gelingen, wenn alle Beteiligten– egal, ob Wirtschaft, Deutsche Bahn oder Politik – ihre Kräfte bündeln und gemeinsam am Ball bleiben.
Fahrgastverband: Die Schieneninfrastruktur vor 80 Jahren war in der Lausitz besser als heute
Ingo Koschenz, Moritz Filter, Fahrgastverband Pro Bahn Mitteldeutschland:
Ein Wermutstropfen bleibt allerdings, dass die Planungen in Görlitz enden und die Entwicklung der Achse nach Zittau und Liberec nicht mitgedacht wird. Der Bund hat den Ausbau der Strecken nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Dresden nach Görlitz gegenüber der polnischen Regierung im Jahr 2003 in einem Staatsvertrag fest zugesagt. Während in Polen schon kurz danach die Bagger rollten – die Strecke Breslau – Zgorzelec wurde bis 2019 ausgebaut und elektrifiziert – passierte in Deutschland 20 Jahre nichts. Ob die für die Oberlausitz ebenso bedeutsame Strecke Dresden – Görlitz überhaupt noch revitalisiert wird, steht in den Sternen. Es darf nicht noch einmal 20 Jahre dauern, bis Deutschland diesen Staatsvertrag erfüllt hat. Wir haben es in 80 Jahren nicht geschafft, in der Oberlausitz jene infrastrukturellen Standards wiederherzustellen, die es hier bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat. Wer – wie der Bund – eine Verkehrswende propagiert, muss mit entsprechenden Investitionen dafür sorgen, dass unsere Bahnstrecken keine Museumsstrecken mit der Technik aus Kaisers Zeiten bleiben.
FDP-Abgeordneter: Sachsen blockiert den Ausbau Görlitz-Dresden
Torsten Herbst, FDP-Bundestagsabgeordneter:
Das grüne Licht für den Planungsstart zum Ausbau der Bahnstrecke von Görlitz über Cottbus nach Berlin ist eine gute Nachricht für Ostsachsen. Es reicht aber nicht aus, dass sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer vorrangig nur für die Bahnstrecke Görlitz – Cottbus interessiert. Deutlich wichtiger wäre, dass Strukturstärkungsmittel für den Ausbau der Autobahn A4 zwischen Dresden und der Lausitz sowie für die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden – Görlitz bereitgestellt werden. Trotz der Offenheit beider Landräte in Ostsachsen halten sich Ministerpräsident und Staatsregierung mit einer dringend notwendigen Kofinanzierungszusage zurück. Ohne ergänzende Kohlegelder darf der Bund beide Verkehrswege aufgrund eines zu niedrigen Nutzen-Kosten-Verhältnisses nicht ausbauen. Wir brauchen aber nicht nur eine bessere Anbindung von Görlitz und Weißwasser nach Berlin, sondern auch eine schnelle Bahnverbindung zwischen Wroclaw, der Lausitz und dem Großraum Dresden.
Oberlausitzer: Es ist peinlich für die Deutsche Bahn und Sachsen
Thomas Baum, Ex-SPD-Landtagsabgeordneter aus Bad Muskau:
Sorry, aber was für ein Erfolg des MP soll das sein? Es wurden nun bereits fünf Jahre vergeudet, dazu kommt noch, dass es der MP selbst war, der die Idee mit einer ICE-Trasse einbrachte und damit eher für Unklarheit gesorgt hat. Die jetzt beschlossene Lösung ist richtig, aber leider zu spät. Und was Dresden – Görlitz anbelangt, so sind diese ca. 100 km der einzige Abschnitt in der globalen Relation zwischen China und Paris/London, der nicht elektrifiziert ist. Dass genau dieser nicht elektrifizierte Abschnitt nur in Sachsen liegt, ist für die Deutsche Bahn und den Freistaat Sachsen peinlich.
Linke: Kein neues Wolkenkuckucksheim nötig, sondern schneller Ausbau Görlitz-Dresden
Caren Lay, Linke-Bundestagsabgeordnete aus Bautzen:
Statt das nächste Wolkenkuckucksheim aufzubauen, fordere ich den Bundesverkehrsminister anlässlich seines Görlitz-Besuches auf, zunächst endlich die Verpflichtung zu erfüllen, die sich für die Bundesrepublik Deutschland aus dem Staatsvertrag mit unserem Nachbarland Polen ergibt und die wirklich einen zeitnahen und nachhaltigen Effekt für Görlitz und die gesamte Oberlausitz hätte: die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden – Bautzen – Görlitz, ausschließlich aus Mitteln des Bundesverkehrsministeriums.