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Diese fünf Apotheken-Leistungen erhalten Sie auf Kassenkosten

Immer mehr Sachsen nutzen sogenannte pharmazeutische Dienstleistungen. Apothekerin Henny Klimpel aus Dresden erklärt, welche Unterstützung Patienten zusteht.

Von Kornelia Noack
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Große Auswahl: Apothekerin Henny Klimpel zeigt verschiedene Modelle von Inhaliergeräten für Asthmatiker. Zur richtigen Anwendung können sich Patienten in der Apotheke beraten lassen.
Große Auswahl: Apothekerin Henny Klimpel zeigt verschiedene Modelle von Inhaliergeräten für Asthmatiker. Zur richtigen Anwendung können sich Patienten in der Apotheke beraten lassen. © kairospress

Apothekerin Henny Klimpel steht in einem Beratungsraum der Pfauen Apotheke in Dresden-Pieschen. Über einem kleinen Schrank hängen an der Wand 18 Bilder von Inhaliergeräten – samt Erläuterungen zu ihrem Gebrauch. Asthmatiker oder Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) nutzen die kleinen Helfer, die für erweiterte Atemwege sorgen und eine Atemnot verhindern sollen. Die Auswahl ist groß, die Techniken sind unterschiedlich.

„Welches Modell für welchen Patienten am besten geeignet ist, entscheidet immer der Arzt“, sagt Henny Klimpel. Kommt ein Kunde mit einer Verordnung in die Apotheke, können sie und ihre Kollegen ihm jedoch zeigen, wie das jeweilige Inhaliergerät angewendet wird – damit der Wirkstoff auch wirklich dort ankommt, wo er hinsoll. Seit Sommer 2022 dürfen Apotheken das „Üben der Inhalationstechnik“ als eine von insgesamt fünf pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) anbieten. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen.

„Einige Kunden haben darüber gelesen und sprechen uns gezielt an. Andere haben noch nie davon gehört“, sagt Henny Klimpel. Für sie haben die pDL den großen Vorteil, ganz individuell auf Patienten eingehen zu können. Die wiederum nutzen die Angebote tatsächlich immer häufiger, wie eine Nachfrage bei den zwei mitgliederstärksten Kassen in Sachsen zeigt. Bei der AOK Plus wurden demnach im vergangenen Jahr rund 10.000 pDL abgerechnet. Inzwischen hat sich die Zahl auf etwa 1.000 pro Monat eingependelt. Bei der IKK classic nutzten vergangenes Jahr insgesamt 2.059 Versicherte die Angebote. Auswertungen zeigen, dass es dieses Jahr mehr sein werden. Am häufigsten fragen Ältere ab 60 und mehr Frauen als Männer eine pDL nach.

Wichtig zu wissen: Apotheken können pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, müssen das aber nicht. Online unter www.apoguide.de finden Patienten entsprechende Apotheken in ihrer Nähe. „In Sachsen ist die Bereitschaft allgemein sehr hoch“, sagt Göran Donner, Präsident der Landesapothekerkammer. Das dürfte auch daran liegen, dass die AOK Plus bereits im Jahr 2014 ein Projekt – zusammen mit Ärzten und Apothekern – ins Leben gerufen und damit den Grundstein für die bundesweite Einführung gelegt hat. Im Mittelpunkt stand damals schon die Unterstützung vor allem älterer Kunden, die mehrere Arzneien parallel einnehmen. Und das sind die fünf Leistungen:

1. Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation:

Diese richtet sich an Patienten, die mindestens fünf Arzneien einnehmen. Es geht um Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Verträglichkeiten, die Lagerung, den richtigen Einnahmezeitpunkt. „Zum ersten Termin sollten Patienten ihren Medikationsplan vom Arzt mitbringen. Wir gehen alles zusammen durch. Dann nehme ich mir ein paar Tage Zeit zur Analyse, danach gibt es ein zweites Gespräch“, sagt Klimpel. Die Therapiehoheit bleibe dabei immer beim Arzt. „Wir können oft die Anwendung der Medikamente optimieren. Unser Ziel ist es außerdem, den Patienten mehr Sicherheit zu geben und sie dazu zu bringen, aktiver mitzuwirken“, so Klimpel.

2. Üben der Inhalationstechnik:

Wer zum ersten Mal von seinem Arzt ein Inhaliergerät verschrieben bekommen hat, kann sich dazu beraten lassen. „Oft werden die Medikamente nicht korrekt angewendet. Wir erklären Schritt für Schritt den Umgang damit und üben zusammen“, sagt Apothekerin Henny Klimpel. Jede Woche würden in der Pfauen Apotheke Lungenpatienten Rat suchen. Anspruch haben Versicherte einmal pro Jahr oder auch früher, wenn sie das Gerätemodell wechseln.

3. Standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck:

Wer ein Medikament gegen zu hohen Blutdruck nimmt, kann seine Werte einmal pro Jahr in der Apotheke prüfen lassen. „Gemessen wird dreimal. Den ersten Wert verwerfen wir, aus dem zweiten und dritten bilden wir den Mittelwert“, so Klimpel. „Viele messen zu Hause nicht. Wir können die Werte kontrollieren und erkennen, ob ein Patient gut eingestellt ist.“ Einen Arztbesuch ersetze das aber nicht.

4. Betreuung bei Einnahme von Krebsmedikamenten:

Wer ein Krebsmedikament zum Einnehmen verordnet bekommen hat, kann innerhalb der ersten sechs Monate eine ausführliche individuelle Beratung in Anspruch nehmen. „Auch hier geht es vor allem um das Zusammenspiel mit anderen Arzneien“, sagt Klimpel. Sicherheitsrisiken bei der Kombination ließen sich so frühzeitig erkennen. Patienten erhalten im Anschluss an die zwei Gespräche einen aktuellen, vollständigen Medikationsplan.

5. Beratung nach Organtransplantation:

Innerhalb von sechs Monaten nach dem Beginn einer Therapie mit Immunsuppressiva können Patienten diese Leistung in Anspruch nehmen. „Immunsuppressiva sorgen dafür, dass der Körper ein fremdes Organ nicht abstößt. Daher ist hier besonders wichtig, eine Wechselwirkung mit anderen Arzneien auszuschließen“, so Klimpel.

Würde es nach Göran Donner gehen, dürften Apotheken künftig weitere pDL anbieten. „Ich finde das sinnvoll und kann mir vorstellen, dass es noch mehr Angebote geben wird, die den Patienten zugutekommen“, sagt Sachsens Apotheker-Chef. Auch die Kassen schätzen die pDL als Gesundheitsservice. „Sie können für die Versorgung einen wichtigen Beitrag leisten“, sagt Sachsens Barmer-Chefin Monika Welfens.

Die IKK classic sieht das ganz ähnlich. „Durch Falsch- und Fehlmedikation, Anwendungs- oder Einnahmefehler können gesundheitliche Konsequenzen entstehen“, sagt Sprecherin Juliane Mentz. „Apotheker kennen sich im Medikationsmanagement bestens aus und können hier auch Ärzte entlasten.“ Die AOK Plus fordert eine strukturiertere Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern. „Die Regelung, dass der Hausarzt über die Ergebnisse der Medikationsanalyse lediglich informiert werden soll, muss in eine Verpflichtung umgewandelt werden“, sagt ein Sprecher.

Viele Mediziner kritisieren die pharmazeutischen Dienstleistungen, fühlen sich schon mal „auf den Schlips getreten“. Apotheker Göran Donner: „Wenn uns tatsächlich Dinge in der Medikation auffallen, die kritisch sind, sprechen wir mit den Ärzten. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, das Medikament zu wechseln. Das ist auch überhaupt nicht unsere Aufgabe.“