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"Die meisten Herzerkrankungen sind eine Folge des Lebensstils"

Markus Schütz ist Chefkardiologe an der Klinik Dippoldiswalde und erläutert im Interview, warum Herzkrankheiten die häufigste Todesursache ist.

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Markus Schütz ist Gefäßmediziner und leitet an der Klinik Dippoldiswalde die Kardiologie.
Markus Schütz ist Gefäßmediziner und leitet an der Klinik Dippoldiswalde die Kardiologie. © Egbert Kamprath

Die Statistik ist eindeutig: Jeder dritte Mensch, der in Deutschland stirbt, litt an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Es ist noch vor Krebserkrankungen die häufigste Todesursache. Dabei seien viele Herzleiden durchaus vermeidbar, sagt Markus Schütz, Chefarzt der Kardiologie an der Helios-Klinik Dippoldiswalde. Über Ursachen, die Folgen und Vorbeugung von Herzkrankheiten spricht er im Interview.

Herr Dr. Schütz, wann merkt man denn, dass mit dem Herzen etwas nicht stimmt?

Luftnot, Brustschmerzen und plötzliche Bewusstlosigkeit sind typische Symptome von Herzerkrankungen. Wir Mediziner unterscheiden zwischen akuten und chronischen Erkrankungen. Im akuten Fall verspüren die Patienten Brustschmerzen, Beklemmungen, oft auch plötzliche Todesangst. Das geschieht beispielsweise, wenn ein Herzinfarkt infolge eines Gefäßverschlusses droht. Dann geht es um Minuten. Also bitte nicht zögern, sondern sofort den Rettungsdienst unter 112 anrufen. Viele Betroffene warten damit viel zu lange, im Schnitt 160 Minuten. Wenn man fünf Minuten lang solche Beschwerden hat, dann ist dies ein sicheres Zeichen, dass man dringend Hilfe braucht.

Und wie ist das bei den von Ihnen erwähnten chronischen Herzerkrankungen?

Diese deuten sich mit Atemnot unter Belastung an. Wer merkt, dass er immer schwerer die Treppe hochkommt, ohne völlig außer Puste zu sein, hat ein Problem. Und damit muss man zum Hausarzt gehen und sich untersuchen lassen. Inzwischen gibt es sogar Schnelltests, anhand derer der Hausarzt gut einschätzen kann, ob das Herz betroffen ist. Dann erfolgt eine Überweisung zum Kardiologen oder bei akuten Erkrankungen ins Krankenhaus.

Was verstehen Mediziner unter chronischen Herzerkrankungen, die ja nicht sofort lebensbedrohend sind?

Vielleicht wird es schon deutlich, wenn ich von Herzleistungsschwäche spreche. Rund 465.000 Menschen jährlich werden in Krankenhäuser mit dieser Diagnose behandelt. Das Herz ist ein Sack, der sich mit Blut füllt. Ist er voll, zieht sich der Sack zusammen und presst das Blut in die Blutbahn. Wird der Muskel schwächer, funktioniert dieser Ablauf nicht mehr reibungslos. Entweder wird das Zusammenziehen, also die Pumpfunktion schlechter. Oder das Entspannen, wenn sich der Herzbeutel wieder füllen soll.

Welche Therapien gibt es dagegen?

Für beide Fälle gibt es inzwischen gute Medikamente, um mit einer Herzschwäche zu leben. Da ist in den vergangenen Jahren sehr viel entwickelt worden, die Therapiemöglichkeiten haben sich stark verbessert. Speziell die Entspannungsphase, wenn sich das Herz mit Blut füllt, war bis vor Kurzem noch gar nicht behandelbar. Es gab keinerlei Medikamente. Das hat sich jetzt geändert, das ist revolutionär.

Und wann kommen beispielsweise Herzschrittmacher zum Einsatz?

Zu Herzschrittmachern oder auch Defibrillatoren greifen wir zum Beispiel bei Herzrhythmusstörungen. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, unter anderem Katheterbehandlungen.

Was ist die Ursache für Herzerkrankungen?

Es gibt da einen interessanten Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei Männern sind die häufigsten Ursachen für Herzschwäche Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck und Diabetes. Bei Frauen sind es Bluthochdruck, Diabetes und Adipositas. Damit ist klar: Die meisten Herzerkrankungen sind eine Folge des Lebensstils.

Ich vermute, jetzt sprechen sie gleich übers Essen, Sportreiben und das Rauchen.

Genau das ist es. Herzerkrankungen entstehen meist dann, wenn sich Menschen zu viel, zu fettig und zu zuckerhaltig ernähren. Hier ist die Mittelmeer-Diät ein gutes Stichwort. Ich kann nur appellieren, weniger Fleisch und mehr Fisch zu essen, viel Obst und Gemüse, leichte Kost. Herzerkrankungen entstehen, weil die Menschen sich zu wenig bewegen. Der Steinzeitmensch ist 23 Kilometer am Tag gelaufen, um sich Nahrung zu beschaffen. Wissen Sie, wieviel Kilometer der Durchschnittsdeutsche am Tag läuft?

Nein. Einen Kilometer vielleicht?

Es sind nur 400 Meter. Und um sich Nahrung zu beschaffen, setzt man sich vor der Haustür ins Auto und fährt zum Supermarkt, wo es alles gibt. Damit kommt unser Körper überhaupt nicht zurecht. Deshalb sollte man fünfmal in der Woche Sport treiben, gerne abwechslungsreich: Zügiges Laufen, Radfahren, Schwimmen, Tanzen, Wandern, Nordic Walking - was auch immer. Und zu diesen Ursachen kommen dann auch noch das Rauchen und der Alkohol. Eigentlich ist das alles bekannt, aber ich wiederhole es gerne noch ein Mal: Eine Zigarette verkürzt die Lebenserwartung ungefähr um 30 Minuten. Und Alkohol ist ein Zellgift. In Maßen genossen, kann der Körper den Alkohol abbauen. Bekommt er zu viel davon ab, wird es gesundheitsschädlich. Das klingt jetzt so, als wolle ich alles verbieten, was lecker ist und Spaß macht.

Ehrlich gesagt, ja. Was ist die Alternative?

Die Zusammenfassung ist: gut leben. Bewusst hochwertig essen zum Beispiel. Regelmäßig bewegen. Dinge tun, die entspannen, Stress abbauen, das Wohlbefinden fördern. Mal das Handy weglegen, die Nachrichten ausschalten. Soziale Beziehungen pflegen - das ist ganz wichtig. Man kann sich sogar einen Hund anschaffen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, das Hunde entspannen und das Risiko für einen Herzinfarkt senken.

Und wenn es dann trotzdem passiert?

65 Prozent aller plötzlichen Herzstillstände ereignen sich zu Hause. Aber wo auch immer, es gilt: prüfen, rufen, drücken. Also als Erstes Atmung und Bewusstsein prüfen, dann den Notarzt verständigen, dann mit der Herzdruckmassage beginnen. Es geht nicht um Beatmung. Der Betroffene hat ja gerade noch geatmet, er hat also genügend Sauerstoff im Blut. Was fehlt, ist der Blutfluss durch den Körper. Dieser muss mittels Herzdruckmassage in Gang gesetzt werden. Man kann nicht falsch retten, man kann nur den Fehler machen, gar nichts zu tun.

Das Interview führte Annett Heyse.

Veranstaltungshinweise:

  • Zum Thema "Herzkrank? Schütz Dich vor dem Herzstillstand" hält Markus Schütz am 8. November einen Vortrag in der Klinik Dippoldiswalde. Beginn ist 17 Uhr im Foyer
  • Im Klinikum Freital findet der Vortrag am 15. November 17.00 Uhr im Foyer statt.
  • Im Helios Klinikum Pirna findet ebenfalls ein solcher Vortrag statt, am 2. November 17.30 Uhr.