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Wiederbelebung nach Herzstillstand: Freitaler Arzt erklärt, wie das jeder hinbekommt

Hand aufs Herz: Wer traut sich eine Herzdruckmassage zu? Dr. Christian Rudolph erklärt, wie man in so einer Situation reagiert - und macht ein Angebot.

Von Annett Heyse
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Dr. Christian Rudolph, Arzt für Anästhesie am Helios Klinikum Freital an einem Defibrillator. Solche Geräte könne jeder Laie bedienen, sagt er.
Dr. Christian Rudolph, Arzt für Anästhesie am Helios Klinikum Freital an einem Defibrillator. Solche Geräte könne jeder Laie bedienen, sagt er. © Egbert Kamprath

Für medizinische Laien dürfte es eine Horrorvorstellung sein: Jemand kippt um, schnappt noch kurz nach Luft und regt sich nicht mehr. Ein Herzstillstand vermutlich - und nun? Im Gedächtnis kramt man nach den Erinnerungen an den letzten Erste-Hilfe-Kurs. Irgendwas mit Herzdruckmassage - aber wie war das noch mal genau? Für Dr. med. Christian Rudolph, Facharzt für Anästhesie und Notfallmedizin am Klinikum Freital, ist dies Routine. Auch Laien bekommen das hin, sagt er.

Herr Rudolph, viele Menschen haben ihren Erste-Hilfe-Kurs mit dem Erwerb des Führerscheins absolviert. Bei manchen ist dies Jahrzehnte her. Was glauben Sie, wie leicht diesen Menschen die Herzdruckmassage fällt?

Mir ist das Problem durchaus bewusst. Da sitzt man in so einem Kurs und wird ein oder eineinhalb Tagen mit Informationen überschüttet: stabile Seitenlage, Schocklage, Motorradhelm abnehmen, Druckverbände anlegen. Und dann kommt noch die Herzdruckmassage und die Mund-zu-Mund-Beatmung dazu. Das ist viel. Aber eben auch ungeheuer wichtig. Leider wird vieles davon schnell wieder vergessen. Bei einer Datenerhebung im Jahr 2012 kam heraus, dass in Deutschland in Situationen, wo eine Herzdruckmassage wichtig gewesen wäre, diese lediglich in nur 16 Prozent der Fälle von Umstehenden durchgeführt wurde. In derselben Zeit haben in Skandinavien bereits 44 Prozent der Ersthelfer Wiederbelebungsmaßnahmen unternommen.

Sind die Skandinavier mutiger, selbstbewusster oder besser geschult?

Sie sind besser geschult. In Skandinavien, beispielsweise in Dänemark, hat man weit vor uns große Medienkampagnen gestartet, Massenschulungen veranstaltet und Reanimationsschulungen auch in der Schule eingeführt. Mit Erfolg. Heute liegt in Dänemark die Rate an Laienwiederbelebung bei knapp 80 Prozent. Ich denke, das spricht für sich.

Es liegt also an der Übung?

Genau, und das haben wir auch in Deutschland erkannt. Deshalb gibt es seit 2013 Kampagnen, wie die "Woche der Wiederbelebung", die dazu dient, das Thema in der Bevölkerung wach zu rufen. Ferner gibt es in dieser Woche Informations- und Schulungsveranstaltungen. Wir als Klinik haben auch in der Vergangenheit schon daran teilgenommen, zum Beispiel mit Reanimationsschulungen im Freitaler Rathaus. Diesmal möchten wir alle Menschen ansprechen. Es geht einfach darum, den potenziellen Helfern die Angst zu nehmen, etwas falsch zu machen. Denn man kann eigentlich gar nichts falsch machen - außer, nicht zu helfen.

Für einen Arzt sagt sich das leicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich aus dem Stegreif eine Herzdruckmassage schaffen würde.

Würden Sie. Das ist ganz einfach. Es gilt der Grundsatz: Prüfen-Rufen-Drücken. Also wenn jemand kollabiert, zuerst die Person ansprechen und die Atmung überprüfen. Reagiert die Person? Ist die Atmung normal? Falls der Patient nicht antwortet, nicht atmet oder nicht mehr normal atmet, wir nennen so etwas Schnappatmung, muss man um Hilfe rufen. Also sofort den Notruf über die 112 absetzen. Und dann muss umgehend die Herzdruckmassage eingeleitet werden. Das machen wir heute ganz einfach und pragmatisch und längst nicht mehr so kompliziert, wie das noch vor vielen Jahren beim Erste-Hilfe-Kurs gelehrt wurde.

Was hat sich denn geändert?

Wir haben früher gelernt, man müsse den Rippenbogen bis zum Brustbein tasten, dann zwei Finger daneben setzen und dann so den Druckpunkt aufsuchen. Vergessen Sie das, das kann sich keiner merken. Wichtig ist, dass das Herz von außen komprimiert und somit ein Blutfluss erzeugt wird. Wie macht man es also richtig? Zunächst den Oberkörper frei machen, also zum Beispiel Jacken oder Hemden öffnen. Dann sucht man die Mitte des Brustkorbes und legt dort den Ballen einer Hand auf. Nun wird der Ballen der zweiten Hand darüber gelegt und die Finger ineinander verschränkt. Mit gestreckten Armen wird jetzt der Brustkorb mindestens fünf Zentimeter tief nach unten gedrückt und danach entlastet. Diese Kompressionen werden in einer Frequenz von 100-120mal pro Minute durchgeführt. Das ganze macht man so lange, bis professionelle Hilfe eintrifft oder der Patient wieder von selbst atmet. Dabei kann es passieren, dass es knackt und Rippen brechen. Keine Angst, das wächst wieder zusammen. Ganz wichtig: Man wird als Helfer dafür nicht haftbar gemacht.

Und die Sache mit der Mund-zu-Mund-Beatmung?

Wer das hinbekommt, macht es perfekt. Dann gilt: 30-mal Thoraxkompressionen, also Herzdruckmassagen, dann zweimal beatmen. Wer sich das nicht traut oder sich ekelt, kann es auch lassen. Im Blut ist zunächst noch genügend Sauerstoff, das Blut muss nur in Bewegung versetzt werden.

Es geht also um eine Überbrückung bis ein Sanitäter oder Arzt da ist?

Genau, es geht um die ersten Minuten, die Leben retten können. Bei einem Herzstillstand wird kein sauerstoffreiches Blut mehr durch den Körper gepumpt. Damit sind die Organe unterversorgt. Am Schlimmsten ist dieser Zustand aber für das Gehirn. Nach drei Minuten Sauerstoffmangel erleidet es ernsthafte Schäden. Deshalb ist die Blutzirkulation so entscheidend. Wir können im Krankenhaus nach erfolgreicher Wiederbelebung ganz viel machen, aber nach Hirnschäden aufgrund von Sauerstoffmangel sind auch wir machtlos. In Sachsen muss laut Rettungsdienstgesetz ein Rettungswagen spätestens nach zwölf Minuten beim Patienten sein. Genau diese Zeit müssen Ersthelfer überbrücken. Wenn zwölf Minuten lang keiner was macht, sind die Überlebenschancen leider sehr schlecht.

Es gibt auch Defibrillatoren, die hängen sogar in öffentlichen Gebäuden, in Schwimmbädern oder auf Flughäfen. Was ist mit denen?

Ja, die gibt es, und die sind ganz wichtig. Wir nennen diese Geräte automatische externe Defibrillatoren - AED. Das steht auch auf den Hinweisschildern. Wenn man so ein Gerät zur Hand hat, ist das perfekt. Die Bedienung ist wirklich einfach, das kann jedes Kind. Das Gerät führt den Ersthelfer Schritt für Schritt durch die Wiederbelebung.

Diese Defibrillatoren sind deshalb so wichtig, weil bestimmte Ursachen von Herzkreislaufstillständen durch einen Stromstoß beendet werden können. Diese Maschinen analysieren automatisch den Herzrhythmus und geben, wenn nötig, diesen Stromstoß frei. Der Ersthelfer muss nur einen Knopf drücken. Außerdem geben diese Geräte sogar mit einem Signalton vor, in welcher Geschwindigkeit man die Herzdruckmassage machen muss.

Sollte man aus eigenem Interesse seinen Erste-Hilfe-Kurs einfach mal auffrischen?

Das kann nie schaden, wir empfehlen es. Viele Hilfsorganisationen und auch private Anbieter führen solche Kurse durch. Das kostet natürlich etwas. Aber gerade Menschen, die im privaten Umfeld jemanden haben, der Herzprobleme hat, sollten überlegen, ihre Kenntnisse aufzufrischen. Im Notfall wissen sie dann, was zu tun ist.

Sie erwähnten vorhin eine Studie mit Zahlen von 2013, wonach nur 16 Prozent wirklich mit Wiederbelebungsmaßnahmen begannen. Hat sich das inzwischen verbessert?

Ja, tatsächlich. Inzwischen wird in 57,7 Prozent aller Fälle mit einer Herzdruckmassage geholfen. Das erhöht die Chancen der Patienten, solch einen Herzstillstand zu überleben und das ohne große Hirnschäden.

In der Helios-Klinik Freital wird am 18. September von 17 bis 18.30 Uhr ein Vortrag zur Wiederbelebung gehalten. Die Teilnahme ist kostenlos. Treff im Foyer. Danach stehen auch zwei Puppen zum Üben zur Verfügung, zudem wird die Funktionsweise von Defibrillatoren vorgeführt.