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Leben und Stil

Kennen Sie Ihren Lp(a)-Wert? Ist er zu hoch, wird es gefährlich

Wenn gesunde Menschen an einem Herzinfarkt sterben, kann ein Blutwert die Ursache sein. Die Uniklinik Dresden forscht dazu. Oberärztin Ulrike Schatz über eine unterschätzte Gefahr.

Von Sylvia Miskowiec
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Wenn junge, von außen gesund wirkende Menschen Herzprobleme bekommen, könnte ein hoher Lp(a)-Wert schuld sein.
Wenn junge, von außen gesund wirkende Menschen Herzprobleme bekommen, könnte ein hoher Lp(a)-Wert schuld sein. © 123rf

Cholesterin ist ein Nichtschwimmer. Die fettähnliche Substanz braucht eine Art Verpackung, mit der sie durchs Blut schwimmen kann. Und davon gibt es gute und böse – die einen sorgen für freie Gefäße, die anderen verstopfen sie. „Zu Letzteren zählt zum Beispiel das recht bekannte LDL“, sagt Oberärztin Ulrike Schatz, Leiterin der Stoffwechselambulanz am Uniklinikum Dresden. „Ebenso kritisch ist aber Lp(a).“ Ausgesprochen wird das „Lipoprotein klein a“ oder „L-P-klein-a“. Der Wert gehört allerdings nicht zu den Standardbestimmungen bei einem Blutbild. Dabei begünstigt er wie LDL-Cholesterin Gefäßverkalkungen. Das Blut kann nicht mehr richtig zirkulieren, es drohen Herzinfarkt, Schlaganfall, Gefäßverschlüsse in den Beinen, die bis zur Amputation führen können. Zeit, sich Lp(a) genauer anzusehen.

Frau Dr. Schatz, Studien gehen davon aus, dass rund 20 Prozent der Menschen einen zu hohen Lp(a)-Wert haben. Wie kommt das?

Wie viel Lp(a) man im Blut hat, ist im Wesentlichen vererbt. Im Durchschnitt erbt jeder zweite Nachkomme von betroffenen Elternteilen den hohen Wert. Ein Blick auf Werte in der Familie ist also hilfreich. Leiden Eltern oder Großeltern unter Herzerkrankungen und Gefäßproblemen, die in frühen Jahren aufgetreten sind, sollten die Kinder auch untersucht werden. Wenn etwa beide Elternteile zu viel Lp(a) im Blut haben, kann sich das Risiko für die Kinder stark erhöhen, ebenfalls einen hohen Wert zu haben und entsprechende Herz-Kreislauferkrankungen zu bekommen.

Dr. Ulrike Schatz ist Präsidentin der D-A-CH Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen und forscht zu Lp(a).
Dr. Ulrike Schatz ist Präsidentin der D-A-CH Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen und forscht zu Lp(a). © PicturePeople

Das heißt, man kann gar nichts dafür, wenn der Lp(a)-Wert hoch ist?

Richtig. Dieser eine Wert bleibt recht unberührt vom Lebensstil. Aber man kann selbst mit einem hohen Wert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark senken, indem man gesund lebt. Nicht jeder mit einer Lp(a)-Erhöhung bekommt Verkalkungen, einen Infarkt oder Schlaganfall.

Merkt man den hohen Wert?

Nein. Er tut nicht weh, genau wie hohe Cholesterin- und Blutzuckerwerte. Das ist oft die Gefahr von Stoffwechselerkrankungen, die ohne Screenings nicht entdeckt und damit nicht behandelt werden. Dabei kann man so viel tun! Doch es sterben junge Menschen an einem Herzinfarkt, die von außen betrachtet gesund waren – aber einen hohen Lp(a)-Wert hatten.

Dann helfen nur noch Medikamente, die den Lp(a)-Spiegel drücken, oder?

Aktuell gibt es in Deutschland kein Medikament, das zur Lp(a)-Senkung zugelassen wäre. Es laufen momentan jedoch viele Studien, die Lp(a)-senkende Medikamente analysieren.

Was machen Sie denn dann mit Patienten, die einen zu hohen Wert haben?

Ich schaue, wo wir an anderer Stelle Risiken senken können. Der Patient selbst kann sich herzgesund ernähren, etwa mit einer mediterranen Diät. Zudem kann er regelmäßiges Ausdauertraining in seinen Tag integrieren und das Wichtigste: keinesfalls rauchen, das gleicht einem Selbstmord! Wir Ärzte achten zudem darauf, dass das LDL-Cholesterin möglichst niedrig ist, um das Risiko für die Gefäße so klein wie möglich zu halten.

Und wenn das auch noch hoch ist?

Dann kommen wir um Cholesterinsenker nicht drumrum, besonders wenn schon Gefäßverkalkungen bestehen oder eine sehr ungünstige Familiengeschichte mit frühzeitig aufgetretenen Herzinfarkten oder Schlaganfällen vorliegt. Wer einen hohen Lp(a)-Wert hat, sollte zweimal im Jahr seinen Cholesterinspiegel checken lassen. Dasselbe gilt für Bluthochdruck- und Diabetes-Patienten, die müssen medikamentös gut eingestellt werden. Das hohe Lp(a) bleibt als Restrisiko, aber ist deutlich weniger gefährlich, wenn alles andere passt.

Auch die Uniklinik Dresden beteiligt sich an Studien zur Entwicklung eines Medikaments gegen hohe Lp(a)-Werte.

Ja, wir nehmen an allen großen Studien dazu teil. Die Ein- und Ausschlusskriterien sind sehr streng, damit die Studien auswertbar werden. Zwei sind voll und laufen bereits. Nur in einer werden noch Teilnehmer aufgenommen. Allerdings sind nur Menschen mit einem wirklich hohen Risiko zugelassen, etwa Herzinfarktpatienten, Stent-Träger, Schlaganfallpatienten, die einen sehr hohen Lp(a)-Wert über 180 nmol/l haben und bei denen Gefäßverkalkungen trotz Cholesterinsenkern fortschreiten.

Warum muss man denn schon eine Katastrophe erlebt haben, um in eine Studie aufgenommen zu werden? Warum nicht vorbeugen?

Wenn man in Studien lauter junge, gesunde Menschen hätte, die gar kein großes Risiko haben, dann würden wir in drei, vier Jahren, die die Studie läuft, kaum Ereignisse wie Herzinfarkte und Schlaganfälle sehen. Es gäbe keinen Unterschied zwischen der Therapiegruppe und der Placebogruppe, die ein Scheinmedikament erhält. Es wäre nicht klar, ob das Medikament wirklich etwas kann, also Herzinfarkte und Schlaganfälle weniger werden und Patienten länger leben. Sollte es zur Zulassung kommen, sollte es zunächst auch nur für solche Hochrisikopatienten zur Verfügung stehen, denn nur diese sind ja untersucht.

Was, wenn all das nichts bringt?

In Einzelfällen kommt eine Apherese infrage, eine Art Blutwäsche. Vereinfacht entfernt man Schädliches aus dem Blut, in unserem Fall zwischen 70 und 75 Prozent des schlechten LDL-Cholesterins und des Lp(a). Das Blut wird über einen Zugang zu einer Vene aus dem Körper raus in eine Maschine geleitet, dort gewaschen und dann wieder über einen zweiten Zugang am anderen Arm in den Körper zurückgeleitet.

Für wen kommt eine Blutwäsche überhaupt infrage?

Eine Apherese ist für alle gedacht, die unter schweren lebensbedrohlichen Fettstoffwechselstörungen und fortschreitenden Gefäßverkalkungen leiden, gegen die man mit Änderungen des Lebensstils und mit Medikamenten nicht mehr weiterkommt. Auch Menschen mit Intoleranzen gegenüber Cholesterinsenkern können unter bestimmten Voraussetzungen eine Apherese bekommen. Da wir inzwischen sehr viele Medikamente zur Verfügung haben, ist dies zum Glück nicht mehr oft der Fall.

Wie oft muss man therapieren?

Da der Körper rasch Lp(a) wieder „herstellt“, ist die Blutwäsche in aller Regel einmal wöchentlich erforderlich, um den Wert im Blut immer wieder zu senken.

Zahlt die gesetzliche Krankenkasse eine solche Behandlung?

Zuerst muss ein Antrag über den Arzt gestellt werden, der die Blutwäsche durchführt. Die Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung prüft ihn. Allerdings umfasst die Kassenzusage nur ein Jahr. Man muss jedes Jahr einen Antrag stellen. Die Kassen wollen sehen, ob die Apherese etwas bringt.

Muss man lebenslang zur Blutwäsche?

Dieses Verfahren ist keine Heilmethode, nur eine Bremse. Die Apherese verlangsamt, wenn sie wirkt, Lp(a)-bedingte Folgen und kann Herzinfarkte, Schlaganfälle und Stents reduzieren und Leben verlängern. Die Hoffnung liegt auf neuen Statinen, die das LDL-Cholesterin erheblich senken und damit auch das Risiko für Herzinfarkte und dergleichen. Da hat sich eine Menge getan. Einige, die vor ein paar Jahren noch eine Blutwäsche brauchten, nehmen heute hochwirksame Medikamente und benötigen keine Apherese mehr.

Ab diesen Lp(a)-Werten wird es kritisch

  • Lp(a) wird in verschiedenen Maßeinheiten angegeben, was eine Vergleichbarkeit von Laborergebnisse erschwert.
  • Man kann den Gehalt an Lp(a) im Blut pro Volumen wiegen, etwa in Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Oder man zählt: Wie viele Partikel sind in einem Volumen, etwa einem Liter. Bei diesem Verfahren wird die Einheit Nanomol pro Liter (nmol/l) angegeben.
  • Leider lässt sich die eine Größe nicht ohne Weiteres in die andere umrechnen.Die grobe Faustregel lautet: Der Wert nmol/l multipliziert mit 0,4 ergibt den Wert für mg/dl.
  • Da der Wert hauptsächlich genetischbedingt ist, reicht einmal messen. Als Normwert gelten 45nmol/l beziehungsweise 30 mg/dl.
  • Ab 75 nml/l beziehungsweise 50 mg/dl steigt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. (rnw)