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Leben und Stil

Neue Pilzarten in Sachsen sorgen für gefährliche Verwechslungen

Nach dem Regen ist jetzt bestes Pilzwetter. Doch mit dem Klimawandel wachsen bei uns zunehmend Arten aus südlichen Gefilden. Pilzberater erklären, warum das ein Problem ist.

Von Kornelia Noack
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Der Braune Fliegenpilz breitet sich in Sachsen aus. Er ist wenig bekannt, weil er bislang selten war.
Der Braune Fliegenpilz breitet sich in Sachsen aus. Er ist wenig bekannt, weil er bislang selten war. © DGFM/Peter Karasch

Einen Fliegenpilz kennt jedes Kind. Doch nicht alle Exemplare, die inzwischen in Sachsen zu finden sind, haben einen roten Hut. Zunehmend breitet sich der Braune Fliegenpilz aus, hat Frank Demmler, Pilzberater aus Lauter-Bernsbach, beobachtet. Das Gefährliche: Der giftige Geselle ist leicht mit dem essbaren, ebenfalls weit verbreiteten Perlpilz zu verwechseln. „Umso wichtiger ist es, die Unterscheidungsmerkmale zu kennen“, so der Fachmann.

Der Braune Fliegenpilz hat gelbliches Fleisch, das sich beim Abschneiden nicht verfärbt, und er hat eine glatte Manschette. Unter der Huthaut zeigt sich, wie auch beim Roten Fliegenpilz, eine orangerote Schicht. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal, das auch schon sehr junge Pilze besitzen. Beim Perlpilz dagegen sitzt im oberen Stieldrittel eine weiße, deutlich geriefte Manschette. Zudem weist das Stielende eine zwiebelförmige Verdickung auf. „Beide Pilze sehen auch noch dem gefährlichen Pantherpilz zum Verwechseln ähnlich“, sagt Demmler. Dieser hat eine ungeriefte Manschette und eine wulstige Knolle, in die der Stiel eingepropft ist. Leichtsinnige Sammler halten diesen oft für einen Grauen Wulstling, der wiederum essbar ist.

Ein Grauer Wulstling. Oft wird er mit dem giftigen Pantherpilz verwechselt.
Ein Grauer Wulstling. Oft wird er mit dem giftigen Pantherpilz verwechselt. © Frank Demmler

Das Beispiel zeigt, dass die sichere Pilzbestimmung immer schwieriger wird. „Langfristig sorgen Veränderungen des Klimas dafür, dass sich die Pilzarten auch in Sachsen wandeln“, sagt Demmler. „Besonders Wärme liebende Pilzarten drängen aus südlichen Ländern wie Italien immer weiter nach Norden oder kommen überhaupt erstmals in der freien Natur vor.“

So waren essbare Champignonarten bislang immer gut bestimmbar gewesen. Seit wenigen Jahren sorgt nun aber das Auftreten des Falschen Wiesenchampignons und Falschen Waldegerlings aus südlichen Gefilden zunehmend für Verunsicherung. „Die Unterscheidungsmerkmale der neuen Champignonarten sind leider nicht immer deutlich erkennbar“, sagt Achim Heimer, der im Landkreis Zwickau im Gebiet um Glauchau zu Pilzen berät.

Stark giftig: Pantherpilze sind an ihrer wulstigen Knolle zu erkennen.
Stark giftig: Pantherpilze sind an ihrer wulstigen Knolle zu erkennen. © Frank Demmler

Zum anderen sei da der noch sehr seltene tödlich giftige Ölbaumtrichterling, der mit dem essbaren Pfifferling verwechselt werden könne. Auch neu in Sachsen seien inzwischen seltene Pilze wie der Anhängselröhrling oder ein wohlschmeckender Wulstling, der Kaiserling. Den verwechselten etliche Italiener schon früher, als sie zur Arbeit nach Deutschland kamen, regelmäßig mit dem giftigen Fliegenpilz. „Die zugewanderten essbaren Arten, so gut sie auch schmecken, sind jedoch meist aufgrund ihrer Seltenheit geschützt und dürfen deshalb nicht in den Kochtopf“, sagt Heimer.

Vor knapp zwei Jahren seien Ratsuchende mit einer Schüssel voller frisch gesammelter Pilzhüte bei ihm aufgetaucht. Obwohl sie ziemlich sicher waren, dass es sich um Parasole handelte, wollten sie ihre Funde vorsichtshalber doch von einem fachkundigen Pilzberater prüfen lassen. Es war ihr Glück! „Allein die Gelbfärbung der Hüte bei deren Berührung machte mich schon stutzig“, erinnert sich Achim Heimer. Er schaute in seinen Fachbüchern nach und wurde fündig.

„Es war der Büschelige Egerlingsschirmpilz, der vermutlich aus Nordamerika nach Sachsen gekommen ist“, sagt Heimer.Selbst ihm, der seit über 35 Jahren als Pilzberater tätig ist, war diese Art zum damaligen Zeitpunkt in Sachsen noch nicht untergekommen. Gewachsen waren die Pilze auf einem Holzspäne-Kompost mit Schafwolle in ihrem Garten im Stadtgebiet von Lichtenstein, so erzählten es die Sammler. Ihr Pilzessen musste ausfallen.

Nicht zum Verzehr geeignet: Links zwei Gelbe Knollenblätterpilze, rechts zwei Pantherpilze.
Nicht zum Verzehr geeignet: Links zwei Gelbe Knollenblätterpilze, rechts zwei Pantherpilze. © Frank Demmler

Vorsicht sei auch bei dem neuen, wenn auch noch seltenen Parfümierten Trichterling geboten. Der könne leicht mit dem Fuchsigen Trichterling verwechselt werden, sagt Heimer. Die Inhaltsstoffe können lang andauernde, sehr starke Schmerzen und Rötungen in den Extremitäten hervorrufen. Dagegen sei man mit dem „nur“ magen-darm-giftigen Gerandetknolligen Gartenschirmpilz beziehungsweise Rosablättrigen Egerlingsschirmpilz gut bedient. „Deren unangenehme Wirkung hat man meist nach einem bis zwei Tagen überstanden.“

Braune Fliegenpilze.
Braune Fliegenpilze. © Frank Demmler

Seiner Ansicht nach bringe die Klimaerwärmung für Pilzliebhaber in Sachsen ohnehin eher Nachteile. „Die Rauhfußröhrlinge, also Birkenpilze und Rotkappen, lieben es kühl und ziehen sich in höhere Lagen zurück“, sagt der Pilzberater. Bei Buchen und Eichen könnte man noch auf Röhrlinge und Täublinge hoffen. In den sandigen Gegenden würden die Pfifferlinge mangels Wasser in den Kiefernwäldern ausbleiben.

Pilze leben mit und von Bäumen und Pflanzen. Der Wandel bei den Pilzarten im Wald hängt also zum Beispiel von der Veränderung der Lichtverhältnisse oder Biotopveränderungen ab. Eine Rolle spielt aber auch, dass wegen des Klimawandels neue Baumarten angepflanzt werden und seit Jahren vielerorts der Grundwasserspiegel absinkt.

Sieht aus wie ein Schwamm und ist ab August zu finden: Pilzkenner lieben die Krause Glucke, die auch als Fette Henne bezeichnet wird.
Sieht aus wie ein Schwamm und ist ab August zu finden: Pilzkenner lieben die Krause Glucke, die auch als Fette Henne bezeichnet wird. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Die Krause Glucke zum Beispiel wächst ab August nur an Kiefern. Er ist mild-süßlich und erinnert an Morcheln. Das Judasohr, ein Pilz in Form einer Ohrmuschel, auch als China-Morchel bekannt, wächst an Totholz und ist sogar ganzjährig zu finden. Bei vielen Pilzarten lässt sich heutzutage aber schwer ausmachen, wann sie Saison haben.

„Alles, was in Sachen Pilzen galt, ist inzwischen aufgrund der völlig veränderten Klimabedingungen in der Natur Makulatur“, sagt Pilzberater Dieter Gewalt. Für Pilze heißt das: Wenn es zu trocken ist, wachsen sie nicht. Anders ist es, wenn es warm und wechselhaft wie jetzt ist.

Mehrere Pilze der Art Judasohr wachsen an einem Baum.
Mehrere Pilze der Art Judasohr wachsen an einem Baum. © Peter Karasch/DGfM

Welche Pilze wann sprießen, bestimmt außerdem stark die Verteilung des Niederschlags. Achim Heimer hat in seiner Region beobachtet, dass Regen nicht selten als richtiger Guss herunterkommt. „Eine Woche danach können Pilzsammler unter anderem Champignons und Schirmpilze auf Wiesen und in Gärten erwarten“, sagt der Fachmann. Weitere fünf bis sieben Tage später, sollte die Witterung im Sommer und Herbst passen, würden die Lebenspartner der Bäume wie Röhrlinge, Wulstlinge, Täublinge oder Milchling wachsen.

Und Achim Heimer hat noch einen Tipp: „In den letzten Jahren konnten Kenner in frostfreien Perioden von Dezember bis Februar an abgestorbenen oder verletzten Laubbäumen reichlich leckere Austernpilze ernten.“ (mit dpa)

Echte und unechte Vergiftungen

Schnell daneben greift, wer nur auf oberflächliche Merkmale wie Farbe und Größe setzt. Der Pfifferling etwa hat mehrere giftige Doppelgänger: den Spitzgebuckelten Raukopf und den Orangefuchsigen Raukopf. Besonders kleine Exemplare dieser Giftpilze sehen Pfifferlingen ähnlich.

Eine Vergiftung mit ihnen macht sich durch Durst und starke Nierenschmerzen bemerkbar. Laut der Deutschen Gesellschaft für Mykologie kann es zwei bis 21 Tage dauern, bis sich Symptome zeigen.

Eine unechte Pilzvergiftung droht nach dem Verzehr zu alter Fruchtkörper. Auch sie kann im Krankenhaus enden. Pilze enthalten Eiweiß und verhalten sich daher in Sachen Haltbarkeit eher wie Fleisch und Fisch und nicht wie Gemüse.

Bei einem Verdacht einer Pilzvergiftung sollte man unbedingt die Giftnotruf-Zentrale in Erfurt unter 0361/730730 anrufen oder den Rettungsdienst rufen.

Giftinformationszentrum: www.ggiz-erfurt.de