Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Update Leben und Stil
Merken

Jedes dritte Mädchen in Sachsen nicht vor Gebärmutterhalskrebs geschützt

Der Barmer-Arzneimittelreport zeigt einen drastischen Rückgang bei der Impfung gegen das HP-Virus. Bei Jungen sieht es noch schlimmer aus.

Von Sylvia Miskowiec
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Eine HPV-Impfung ist für Mädchen von neun bis 14 Jahren empfohlen.
Eine HPV-Impfung ist für Mädchen von neun bis 14 Jahren empfohlen. © Benjamin Nolte/dpa

Die Infektion geschieht meist unbemerkt, die Folgen können dagegen umso gravierender sein: Humane Papillomviren (HPV) werden vor allem durch sexuellen Kontakt übertragen und gelten als die Hauptauslöser von Gebärmutterhalskrebs. Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission Stiko eine Impfung für junge Mädchen zwischen neun und 14 Jahren, seit 2018 auch für Jungen. Die Sächsische Impfkommission rät sogar bis zum 26. Lebensjahr zur Impfung, die von Krankenkassen in Sachsen bezahlt wird.

Sie schützt laut Robert Koch-Institut (RKI) zu fast 100 Prozent vor bestimmten, gefährlichen HPV-Typen. „Leider sehen wir einen massiven Einbruch der Impfquote, insbesondere zum Ende der Corona-Pandemie hin“, sagte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer bei der Vorstellung des neuen Arzneimittelreports der Kasse am Dienstag. Demnach ist von 2021 auf 2022 die Impfrate um fast 24 Prozent zurückgegangen – von 98 auf 75 Impfungen je 1.000 Mädchen. Im Vergleich zu 2015 beträgt der Rückgang sogar 37 Prozent. Unterm Strich heißt das: Bundesweit sind aktuell rund 40 Prozent der Mädchen mit 14 Jahren nicht oder nur unzureichend gegen das HPV geimpft.

In Sachsen sieht es mit 35 Prozent etwas besser aus als im Bundesdurchschnitt. Allerdings nur, was die Impfquote bei Mädchen betrifft. Bei Jungen liegt der Freistaat unter dem ohnehin niedrigen Bundesdurchschnitt. Rund 75 Prozent aller Jungen im Alter von 13 Jahren sind nicht oder nur ungenügend geimpft, in Sachsen sind es fast 80 Prozent. „Dabei schützt die Impfung Jungen ebenfalls, denn HPV sind auch für andere Krebsarten verantwortlich“, so Straub. Frauen können durch die Viren neben Gebärmutterhalskrebs an Vaginal- und Vulvakarzinomen, Männer an Peniskarzinom und beide Geschlechter an Anal- sowie Mund-Rachentumoren erkranken. Laut RKI wird weltweit etwa die Hälfte aller infektionsbedingten Krebserkrankungen durch HPV verursacht.

500 tote Krebspatientinnen jährlich in Sachsen

In Sachsen nennt das Klinische Krebsregister 1.600 Neuerkrankungen an Gebärmutterhalskrebs und etwa 500 Todesfälle pro Jahr. „Gebärmutterhalskrebs ist zwar im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen selten, doch sehr heimtückisch, weil er lange Zeit keine spezifischen Symptome zeigt“, sagt Cornelia Hösemann, Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in Sachsen. Blutungsstörungen und Unterleibsschmerzen würden anfangs oft anderen Ursachen zugeschrieben.

Für einen ausreichenden Schutz gegen eine HPV-Infektion sind zwei Impfungen im Abstand von mindestens fünf Monaten notwendig. Bei einem kleineren Abstand sind gemäß RKI-Empfehlung drei Impfungen erforderlich. „Eine verpasste Immunisierung sollte bis zum 17. Lebensjahr nachgeholt werden“, rät der Barmer-Vorstand.

Nebenwirkungen sind sehr selten

Häufig befürchtete Nebenwirkungen der Impfung seien in der Realität sehr selten, versicherte Straub. „Es kann zu Schmerzen, Rötungen oder einer Schwellung an der Einstichstelle sowie Kopfschmerzen kommen. Möglich seien Muskelschmerzen, Fieber, Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel und Müdigkeit. „Diese Beschwerden verschwinden jedoch schnell wieder , während die Impfung dagegen schützt sehr lange.“ Wie lange genau, könne derzeit noch nicht gesagt werden, so das RKI. In den bisher durchgeführten Studien zeigen sich bis zwölf Jahre nach der Impfung keine Hinweise auf eine Abnahme des HPV-Impfschutzes.

Impfeffekt ist bei jungen Frauen sichtbar

Dass die Immunisierung wirke, zeigten Daten der PMV Forschungsgruppe der Universität zu Köln, sagt Studienautor Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. „Wir haben uns die Daten von 20- bis 29-jährigen Frauen angeschaut. Wir sehen in dieser Altersgruppe, die als Jugendliche geimpft werden konnten, die niedrigste Rate an Neuerkrankungen für Gebärmutterhalskrebs seit dem Jahr 2011.“ Vor 13 Jahren kamen auf eine Million Frauen 23 Neuerkrankungen. Im Jahr 2022 ist die Rate auf sieben je eine Million gesunken.

„Dieser Effekt ist bei den Frauen zwischen 30 und 39 Jahren, die noch nicht von der Impfung im Kindesalter profitieren konnten, nicht zu beobachten“, so Grandt. Im Jahr 2011 habe die Anzahl der Neuerkrankten in dieser Altersgruppe bei 95 und im Jahr 2022 bei 120 je eine Million Frauen gelegen. (mit dpa)

Was sind HPV?

  • Humane Papillomviren (HPV) gehören weltweit zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen.
  • Fast jeder sexuell aktive Mensch infiziert sich nach Angaben des RKI mindestens einmal im Leben damit. Insgesamt gibt es 200 verschiedene Virentypen, 18 davon gelten als Hochrisikoviren.
  • Je nach HPV-Typ können später unterschiedliche Symptome auftreten. Sogenannte Niedrigrisiko-HPV-Typen können zu Hautwarzen an Gesicht, Füßen oder Händen sowie zu Genitalwarzen führen, die zwar eher harmlos, aber zum Teil schmerzhaft sind.
  • Hochrisikotypen, die Krebs auslösen können, verursachen dagegen anfangs keine Symptome. Für Frauen ab 35 Jahren ist ein HPV-Test daher seit einigen Jahren Teil des Früherkennungsprogramms für Gebärmutterhalskrebs.