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Kostenfrei, enger getaktet? So soll es mit dem Nahverkehr in SOE weitergehen

Sächsische.de hat die Kreistags-Parteien gefragt, wie der ÖPNV besser werden kann und wo sie die Finanzierungsquellen seien. Die Positionen sind unterschiedlich.

Von Maik Brückner
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Mit mehr als 20 Millionen Euro unterstützt der Landkreis den ÖPNV im Landkreis. Vor ein paar Jahren waren es noch um die zehn Millionen Euro.
Mit mehr als 20 Millionen Euro unterstützt der Landkreis den ÖPNV im Landkreis. Vor ein paar Jahren waren es noch um die zehn Millionen Euro. © Archivfoto: Daniel Schäfer

Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge stellt in diesem Jahr rund 20,6 Millionen Euro für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung. Damit werden die Leistungen und Verkehrsverträge aller im Landkreis tätigen Verkehrsunternehmen finanziert, heißt es aus dem Landratsamt in Pirna. Mit dem Geld werden rund 12,8 Millionen Fahrplankilometer finanziert. Die Elbfähren in der Sächsischen Schweiz werden mit einer Million Euro gefördert, die Kirnitzschtalbahn mit 100.000 Euro.

Reicht das? Was ist zu wenig? Wie könnte es weitergehen? Das wollte Sächsische.de von den im neuen Kreistag vertretenen Parteien und den Freien Wählern wissen. Fast alle haben geantwortet.

Stellt der Landkreis ausreichend Geld für den ÖPNV bereit?

Nach Ansicht der CDU gibt der Kreis dafür bereits viel Geld aus. Ähnlich sehen es Heiko Wersig (Freie Wähler) und Uwe Steglich (FDP). "Dieses Aufgabenfeld gehört mittlerweile zu den größten Zuschussposten im Haushalt des Landkreises", so Steglich. Für Peter Pfitzenreiter (Konservative Mitte) gibt es keinen Spielraum mehr, den Zuschuss zu erhöhen: "Viel mehr muss das Ziel der Erhalt des ÖPNV-Angebots sein."

Ralf Wätzig (SPD) findet, dass mehr Mittel für einen bedarfsgerechten Ausbau des Nachverkehrs schön wären. "Das ist jedoch angesichts der bereits jetzt schon hohen Millionensumme schwer durchsetzbar", so Wätzig. Aus Sicht von Maximilian Weber (Bündnis Sahra Wagenknecht/BSW) kann man sich mehr wünschen. Der Landkreis sei aber nicht in der Lage, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Aus Sicht der Linken stellt der Landkreis "nicht ausreichend" Geld zur Verfügung. "Gerade in ländlichen Regionen sehen wir große Defizite, was die Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Frequenz der Verbindungen angeht", sagt Lisa Thea Steiner, Kreisvorsitzende der Linken. Ähnlich sehen es die Grünen: "Der ÖPNV ist in Breite und Tiefe unterfinanziert", sagt Kreisgeschäftsführer Jan Hamisch.

Wie kann der ÖPNV attraktiver werden?

Im Rahmen des Sachsen-Kompasses, der großen Umfrage von Sächsischer Zeitung und Leipziger Volkszeitung im Vorfeld der Landtagswahl, an der sich mehr als 1.700 Menschen aus der Weißeritzregion und dem Elbsandsteingebirge beteiligt haben, wünschen sich 45,3 Prozent der Teilnehmer, dass mehr Geld in den ÖPNV gesteckt wird.

Das sehen auch einige Parteien so. Die SPD wünscht sich eine Verdichtung des Taktes auf den Hauptlinien, mehr Haltestellen, mehr Fahrradstellplätze und - wo sinnvoll - mehr P+R-Plätze mit Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge. Auch alternative Angebote wie Quartiers- und Bürgerbusse soll es geben. "Ein flächendeckendes, eng getaktetes Busnetz ist im ländlichen Raum kaum realisierbar". Das BSW bewertet den Nahverkehr im Landkreis als "grundsätzlich attraktiv". Noch attraktiver könnte er durch mehr Komfort werden, zum Beispiel durch kostenloses WLAN in allen Bussen. Für die Konservative Mitte gibt es Maßnahmen, die den ÖPNV attraktiver machen würden, diese scheitern aber an der Finanzierung, am Fachkräftemangel oder an der Beschaffung geeigneter Busse.

Der Betrieb der Fähren in der Sächsischen Schweiz wird in diesem Jahr vom Landkreis mit einer Million Euro gefördert.
Der Betrieb der Fähren in der Sächsischen Schweiz wird in diesem Jahr vom Landkreis mit einer Million Euro gefördert. © Marko Förster

CDU-Fraktionsvorsitzender Ralf Rother verwies auf eine vom Landratsamt in Auftrag gegebene Untersuchung, zu der ein Zwischenbericht vorliege: Darin wird das ÖPNV-Angebot "überwiegend als gut bis überdurchschnittlich bewertet". Gleichzeitig seien aber auch Schwachstellen identifiziert worden. Diese würden nun geprüft, um sie zu beseitigen, so Rother. Auch Heiko Wersig (Freie Wähler) bezieht sich auf die Studie.

Die FDP sieht den ÖPNV gut aufgestellt. Da seine Bedeutung für den ländlichen Raum zunehmen werde, müsse investiert werden. Dies betreffe die Nachtverbindungen nach Dresden. Aber auch die Bedürfnisse von Auszubildenden müssten stärker berücksichtigt werden. Für die Linke müssten die Verbindungen deutlich ausgebaut, regelmäßiger getaktet und die Fahrpläne besser an die Bedürfnisse der Menschen - etwa der Schichtarbeiter - angepasst werden. Zudem seien Investitionen notwendig. Die Grünen fordern eine Mobilitätsgarantie, die die Menschen einfordern können. "Eine dichte und koordinierte Taktung im Sachsentakt, gesicherter ÖPNV zwischen 5 und 24 Uhr, Ruf-Taxi, Ruf-Bus und Car-Sharing sind nur einige Bausteine."

Wie könnte mehr ÖPNV finanziert werden?

Die Parteien sehen vor allem den Freistaat in der Pflicht. Die vom Verkehrsministerium zur Verfügung gestellten Mittel reichen nicht aus, so die SPD. Um mehr Geld ins System zu bringen, könnten Kosten eingespart werden. Unter anderem könnte die Zahl der Verkehrsverbünde reduziert werden. Auch CDU, Konservative Mitte und BSW sehen den Freistaat gefordert. Alternativ könnten Mehreinnahmen "zum Beispiel durch eine stärkere Werbefinanzierung" generiert werden, so das BSW.

Die Linke fordert nicht nur mehr Geld von Bund und Freistaat, sondern auch eine "stärkere Umverteilung von Wohlstand" durch eine solidarische Nahverkehrsabgabe, die von großen Unternehmen und wohlhabenden Privatpersonen getragen werden soll. Auch die Grünen fordern mehr Geld vom Freistaat und mehr Kompetenzen für die Kommunen, damit diese Angebote wie Mobilitätspässe machen können. Vorbild sei die "Gästekarte mobil" in der Nationalparkregion Sächsische Schweiz. Heiko Wersig (Freie Wähler) plädierte dafür, den ÖPNV stärker von den Bürgern bezahlen zu lassen, die ihn nutzen.

Was halten die Parteien vom kostenfreien ÖPNV?

Die CDU ist skeptisch: Wer soll die Einnahmeausfälle bezahlen? Der Kreishaushalt sei ohnehin defizitär und die Kommunen könnten das nicht über eine höhere Kreisumlage finanzieren. Ähnlich sehen es die Freien Wähler: Das wäre "wünschenswert, aber es müsste auch jemand bezahlen". Die Konservative Mitte hält davon nichts: Der ÖPNV verursache Kosten. "Bereits jetzt beteiligt sich der Steuerzahler immens an den Kosten und der Nutzer zahlt nur einen vergleichsweise geringen Betrag." Deshalb sollten die Nutzer an den Kosten beteiligt werden. Ähnlich sieht es die FDP: Kostenlosen ÖPNV "gab es nicht einmal in der ehemaligen DDR". Im Gegenzug müsse man den Bürgern im ländlichen Raum den Treibstoff subventionieren, so Steglich (FDP).

Für die SPD ist das unrealistisch: Die Partei setzt sich für einen qualitativ hochwertigen, einfachen, kostengünstigen, umweltfreundlichen und sicheren ÖPNV ein. "Das ist sinnvoller als Kostenfreiheit und ein schlechter ÖPNV". Für die Grünen ist die Forderung nach kostenlosem Bus- und Bahnverkehr angesichts der Ausbau-, Organisations- und Finanzierungsprobleme "eine populistische Nebelkerze". Erst wenn die Probleme spürbar gelöst seien, könne man darüber nachdenken.

Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge stellt für den Betrieb der Kirnitzschtalbahn in Bad Schandau jährlich 100.000 Euro bereit.
Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge stellt für den Betrieb der Kirnitzschtalbahn in Bad Schandau jährlich 100.000 Euro bereit. © Archivfoto: Marko Förster

Für das BSW ist dies eine Idee, die man "nicht aus den Augen verlieren" sollte. Allerdings sei dies derzeit nicht finanzierbar. Einem Sozialticket steht man aufgeschlossen gegenüber. Die Linke hält das für "eine sehr gute und längst überfällige Idee. Ein kostenloser ÖPNV würde nicht nur die soziale Ungleichheit verringern, sondern auch den Autoverkehr reduzieren und damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten".

Ist das Deutschlandticket Fluch oder Segen?

Für die FDP ist das Ticket für den ländlichen Raum "eindeutig ein Fluch". Den Verkehrsverbünden sei "die Tarifautonomie weitgehend entzogen worden, und das ist unter anderem ein Grund, der zu den steigenden Zuschüssen führt", so Steglich. Die Bürger auf dem Land würden mit ihren Steuern das Ticket finanzieren und hätten relativ wenig davon. Diese "Gießkannenförderung" gehöre auf den Prüfstand, so Steglich.

Für Nutzer in Ballungsräumen und Wochenendausflügler sei es ein Segen, so Rother (CDU). Für Pendler seien die Kosten gesunken. Allerdings hätten sich die Erwartungen an das Ticket nicht erfüllt, man habe mit mehr Kunden gerechnet. Für die Verkehrsbetriebe sei das Ticket ein Fluch. "Die Abrechnung ist zu kompliziert und aufwändig", so Rother. Aus Sicht des BSW ist das Ticket ein Gewinn, auch wenn es mit knapp 50 Euro recht teuer ist. "Für die Landkreise ist es eine zusätzliche Herausforderung, weil sie kaum Möglichkeiten haben, selbst neue Einnahmen zu generieren", so Weber (BSW).

Pfitzenreiter (Konservative Mitte) lobt die überregionale Gültigkeit. Für den Nutzer sei das attraktiv. Für den Landkreis sei das Ticket aber problematisch. Aus verschiedenen Gründen sei der Zuschussbedarf für den ÖPNV "dramatisch gestiegen".

Als Grüner stehe er "ohne Wenn und Aber zum Deutschlandticket", sagt Hamisch. "Es ist ein Segen!" Bei der SPD sieht man das Deutschlandticket als Einstieg in einen einfachen und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr. Deshalb sei es ein Segen. Für die Freien Wähler ist die Idee grundsätzlich gut. Allerdings passe die Finanzierung und der Rahmen "nicht pauschal für alle Verbünde für ganz Deutschland".

Für die Linke ist das Ticket "viel zu teuer". Das zeige sich an der Auslastung und Nutzung. "Menschen mit geringem Einkommen oder in ländlichen Regionen profitieren nur bedingt, weil die Verbindungen oft schlecht sind", so Steiner (Linke).

Hinweis: Die Freien Sachsen und die AfD-Fraktion haben die Anfragen von Sächsische.de zum Thema ÖPNV nicht beantwortet.