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Freitaler Boxtrainer: "Der beste Kampf ist kein Kampf"

Ruslan Fritzler kümmert sich seit 20 Jahren um benachteiligte Jugendliche. Der Boxsport hat schon vielen von ihnen geholfen, die schiefe Bahn zu verlassen.

Von Beate Erler
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Besser die Aggressionen an einem Boxsack rauslassen als sie gegen andere Menschen zu richten. Das lernen Kinder und Jugendliche bei Ruslan Fritzler in Freital.
Besser die Aggressionen an einem Boxsack rauslassen als sie gegen andere Menschen zu richten. Das lernen Kinder und Jugendliche bei Ruslan Fritzler in Freital. © Karl-Ludwig Oberthür

Als Kind im Osten Russlands hatte Ruslan Fritzler selbst schon früh erste Erfahrungen mit Gewalt und Kriminalität. Sich wehren und verteidigen, musste er damals lernen. Also ging er zum Boxtraining, dann zu Boxkämpfen und machte den Boxsport schließlich zu seinem Beruf.

Seit vielen Jahren lebt er nun in Freital und hilft heute benachteiligten Jugendlichen. Das macht er mehrmals die Woche in der Sauberghalle in Potschappel, das neben Deuben und Zauckerode zu den sozial und ökonomisch benachteiligten Stadtteilen Freitals zählt. Im SC Freital ist er der Abteilungsleiter beim Boxen, wo er Dienstag, Donnerstag und Sonntag vor allem 10- bis 16-Jährige trainiert.

Die Jugendlichen kommen zum Beispiel aus der Ukraine, Ungarn, Albanien, Russland, China und Afghanistan. Viele von ihnen sind benachteiligt und haben weniger materielle und soziale Teilhabemöglichkeiten, einen erschwerten Zugang zu Bildungsangeboten und leben in schlechteren Wohnungen. Im Interview erklärt Ruslan Fritzler, wie der Boxsport den Jugendlichen helfen kann, gar nicht erst auf die schiefe Bahn zu geraten.

Für wen ist der Boxsport besonders geeignet, Herr Fritzler?

Eigentlich für jeden, denn das Boxen steckt in jedem von uns. Es ist ein Schutzreflex, der automatisch kommt, wenn wir angegriffen werden. 90 Prozent der Leute, die zu mir kommen, betreiben Boxen als Fitnesssport. Und gleichzeitig wird man selbstbewusster, arbeitet an seiner Haltung und lernt durch den Kontakt mit anderen Boxern im Team zu funktionieren.

Warum eignet sich Boxen besonders für benachteiligte Kinder und Jugendliche?

Ich habe ja viel Kontakt mit Jugendlichen und Erwachsenen aus anderen Kulturen. Und da zählt oft die körperliche Überlegenheit. Beim Boxtraining lernen sie die Probleme durch körperliche Anspannung abzubauen. Sie lernen aber auch Körperbeherrschung und den Körper unter Kontrolle zu halten. Sie werden selbstbewusster und haben keine Angst mehr. Ich sage ihnen immer: Der beste Kampf ist kein Kampf.

Wie begeistern oder erreichen Sie die Kinder und Jugendlichen?

Mittlerweile einfach durch Mundpropaganda. Ich lebe ja schon lange in Freital und kenne viele Jugendliche und viele kennen mich. Wenn ich zum Beispiel in der Stadt unterwegs bin und größere Gruppen Jugendliche sehe, gehe ich auch hin und spreche sie an, dass sie zu mir zum Training kommen können. Ich gebe ihnen ein paar Flyer mit den Trainingszeiten und einige kommen dann auch.

Aber ist Boxen nicht auch aggressiv und fördert vielleicht den Hang zur Gewalt?

Nein, Boxen ist nicht aggressiv. Der Hintergrund ist nicht Aggression, sondern immer eine Notwendigkeit zur Verteidigung.

Wie geht es den Jugendlichen, wenn sie zu Ihnen kommen?

Die meisten haben viel Frust. 70 Prozent kommen aus Familien, in denen sich die Eltern getrennt haben. Auch Gewalt in der Familie spielt eine Rolle. Sie haben keinen richtigen Anker.

Wie kann der Boxsport diese Jugendlichen positiv verändern?

Da gibt es einige Beispiele. Ich kenne einige Jungs, die im Gefängnis waren und heute eine Familie und einen guten Beruf haben. Drei von ihnen sind sogar Polizisten geworden. Beim Boxsport lernt man sich kennen und entdeckt seine eigene Stärke, die in jedem steckt.

Einige ihrer Schützlinge malen auch. Bald wird es vielleicht eine Ausstellung der Bilder geben?

Ja genau. Ich war erst vor ein paar Tagen im Rathaus zum Gespräch. Die Ausstellung wird sehr wahrscheinlich im Busbahnhof Deuben gezeigt werden. Aber wenn es losgeht, kann ich noch nicht genau sagen.

Und wie sieht es mit der Suche nach einem neuen passenden Raum für das Boxtraining aus?

Wir suchen immer noch einen Raum in Freital für das Boxen und Armwrestling. Er sollte Platz für das Training von etwa zehn Personen haben und einen Kraftraum mit Platz für fünf Personen.