Wer Gedichte von Marianne Bruns liest, kann förmlich hören, wie die Blätter in den Baumwipfeln rascheln und ein Bach plätschert. Bruns liebte die Natur. Und so hätte ihr der lauschige Ort, an dem nun ein Frauenort an die Schriftstellerin erinnert, bestimmt gefallen: Unter den Bäumen am Dorfplatz Niederhäslich soll sie schließlich oft genug auf ihren Spaziergängen vorbeigekommen sein.
Am Sonnabend waren hier zahlreiche Gäste zusammengekommen, um an Bruns und ihr Werk zu erinnern und Freitals vielleicht bekannteste Schriftstellerin zu ehren. Eingeladen hatten die Gleichstellungsbeauftragte Jona Hildebrandt und der Arbeitskreis "Frauen für Freital" in Kooperation mit dem Landesfrauenrat und der Akteursrunde Niederhäslich.
Etikett als "Frauenautorin" nie mehr losgeworden
Die gebürtige Leipzigerin Bruns kam in den Kriegswirren 1945 nach Freital. Gemeinsam mit dem Ehepaar Wolfgang und Eva Schumann wohnte sie bei Karl Hanusch in Niederhäslich. Sie alle teilten die Leidenschaft fürs künstlerische - Hanusch hatte einst ein Kinderbuch von Bruns illustriert, Schumann deren frühe Gedichte verlegt, seine Frau war Übersetzerin.
Die Schumanns zogen bald in ein Haus an der Poisentalstraße, Marianne Bruns folgte ihnen. In Freital entstand ein Großteil ihres Werkes: Romane, Novellen, Gedichte, Hörspiele und sogar Theaterstücke.
Bruns, die als Humanistin in der Zeit des Nationalsozialismus unter Auftragsmangel gelitten hatte, blühte in der jungen DDR künstlerisch auf. Sie wurde mit zahlreichen Ehren bedacht. Doch ihre Überzeugung vom Kommunismus soll schon bald verglüht sein, in der Spätphase ihres Schaffens wandte sie sich verstärkt historischen und christlichen Themen zu.
Nichtsdestotrotz gilt sie als "Frauenautorin", das Etikett wurde sie zeitlebens nicht los und ist einer der Gründe dafür, dass der Landesfrauenrat ihr diesen Frauenort widmet. Mehr als 30 solcher Gedenktafeln sind seit 2016 im Freistaat enthüllt worden. Sie erinnern an Frauen aus fast zehn Jahrhunderten, die sich in einer von Männern dominierten Welt durchsetzten - darunter Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen, Unternehmerinnen.
Gedichte am Wegesrand einer Wandertour
Bruns wirkte auf ihre Zeitgenossen auf den ersten Blick nicht wie eine Kämpferin. "Sie war eine zarte, ruhige Frau. Wenn sie spazieren ging, grüßte sie freundlich, aber wirkte mitunter sehr konzentriert, so als würde sie angestrengt über etwas nachdenken", erinnert sich Dorit Oehme. Oehme zog in den Achtzigerjahren direkt gegenüber von Marianne Bruns in ein Wohnhaus im Poisental.
Manchmal, so berichtet Oehme, habe sie der alten Frau Bruns, die damals schon Anfang neunzig war, Blumen gebracht. "Sie schrieb immer noch, wenn auch nicht mehr so viel." Bruns sei eine Erscheinung gewesen: aufrechter Gang, klassisch elegant, aber nicht luxuriös gekleidet. Bruns starb Anfang 1994, sie hinterließ ein Werk, dass in vierzig Büchern gedruckt wurde.
Einen kleinen Teil davon können die Freitaler nun quasi im Vorbeigehen lesen. Ebenfalls am Sonnabend wurde eine neue Wandertour rund um Niederhäslich der Öffentlichkeit übergeben. Er führt direkt am neuen Frauenort vorbei.
Entlang der acht Kilometer langen Strecke stehen Tafeln, auf denen Gedichte von Marianne Bruns abgedruckt sind. Markiert ist der Rundweg mit einer Haselmaus - die man vielleicht im Unterholz rascheln hört, wenn man Bruns' Gedichte liest.