Schon lange hat ihn in Possendorf niemand mehr zu Gesicht bekommen. Seit der Geschichte mit den Graffitiattacken und dem anschließenden Aufenthalt in einer "Spezialklinik" ist es ruhig um ihn geworden. Doch er ist nicht vergessen - die Bronzeplastik mit dem Stafettenläufer.
Im Schulpark in Possendorf befand sich seit 1972 dessen Kiez. Dort war er all die Jahre anzutreffen und fand zahlreiche Bewunderer. Bis Unbekannte ihm im vergangenen Sommer sein Zuhause nahmen. Sicherlich unbewusst, aber es ist passiert.
Mit nächtlichen Sprühaktionen sorgten sie dafür, dass sowohl die Gemeinde als auch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) kurzerhand die Reißleine zogen. Zunächst wurde der Stafettenläufer in schützende Folie gehüllt, um ihn kurz darauf vom Sockel zu schrauben.
Kosmetischer Eingriff kostete vierstellige Summe
Der etwa 80 Kilogramm schwere, muskelbepackte Athlet des bekannten Bildhauers Richard König steht unter einem gewissen Schutz. "Wir haben Sorge dafür zu tragen, dass die Skulptur nicht erneut attackiert wird", teilen die SKD mit Blick auf die Leihgabe mit, die den Possendorfern während der DDR-Zeit anvertraut wurde. Da war der Stafettenläufer bereits 63 Jahre alt.
Die Bronzeskulptur stammt aus einer Epoche, als Kaiser Wilhelm II. Theobald von Bethmann Hollweg zum Reichskanzler ernannte und in Deutschland mit sieben Verbänden der erste Kronprinzenpokal im Fußball ausgespielt wurde. 1909 ist sie entstanden. Kurz bevor das Kunstwerk Possendorf verlassen musste, hatten atmungsaktive Baufolie und Klebeband dieses umschlossen - als Schutz vor weiteren Angriffen.
Wie im Fall des Stafettenläufers kann dann oft nur ein "operativer Eingriff" helfen. Der kostet aber mitunter viel Geld. Fast 5.600 Euro bezahlte die Versicherung der Gemeinde dafür, dass die Skulptur ihr früheres Antlitz wiedererlangt. Um das zu erreichen, griff ein Team um die Wilsdruffer "Chefoperateure" Uwe Ostmann und Frank Hempel zu Skalpell und diversen Mittelchen. Unter anderem kam auf 80 Grad Celsius erwärmter Heißwachs zum Einsatz. Seitdem ist Richard Königs Schützling wieder der Alte - ohne jeden modischen Schnickschnack.
SKD verhandeln mit Gemeinde über Rückkehr
Indes wird in den Reihen der Gemeindeverwaltung offen über eine Rückkehr des nackten Mannes nachgedacht. Im Zuge der Sanierung des Rathauskellers und der Neugestaltung der Außenanlage rund um das Gebäude sieht sie durchaus eine Möglichkeit, dass der Stafettenläufer auf dem eingezäunten Gemeindesitz einen neuen Platz findet.
"Das könnte in der letzten Bauphase passieren", kündigt Bürgermeister Heiko Wersig (parteilos) an. "Wir werden dazu Gespräche mit den Staatlichen Kunstsammlungen führen. Ich hoffe, dass sie mitspielen."
Die Dresdner zeigen sich keinesfalls abgeneigt, wie Sprecherin Anja Priewe auf Anfrage wissen ließ. Die SKD würden zukünftige Nutzungskonzepte der Gemeinde unterstützen, versicherte sie. Dabei stünden die Kunstsammlungen der Kommune gern auch beratend zur Seite. Wichtig sei, dass das Kunstwerk von neuen Farbattacken verschont bleibt.
Im altehrwürdigen Look erfreut der nackte Sportler derzeit die Besucher des Albertinums in Dresden. Dort hat die Bronzeplastik im Gläsernen Depot zwischenzeitlich eine Bleibe gefunden.
Geht es nach dem Willen der Bannewitzer Gemeindeverwaltung, soll das jedoch nicht von Dauer sein. "Wir haben den SKD ein Angebot unterbreitet", meint der Bürgermeister. "Darüber müssen wir jetzt gemeinsam sprechen und eine Lösung finden."