Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Freital

Neun Jahre: Warum dauert es so lange, einen Netto-Markt zu planen?

Auf einem unscheinbaren Grundstück bei Kreischa soll ein Einkaufsmarkt entstehen. Seit 2015 wird geplant. Eine Posse aus der deutschen Provinz.

Von Annett Heyse
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Netto will im Kreischaer Ortsteil Gombsen einen Markt eröffnen. Dafür braucht es viel Geduld - aufgrund besonderer Umstände.
Netto will im Kreischaer Ortsteil Gombsen einen Markt eröffnen. Dafür braucht es viel Geduld - aufgrund besonderer Umstände. © Kristin Richter

Am Anfang sah für Thomas Grimmer alles nach Routine aus. Der Projektentwickler aus Dresden, dessen Firma sich auf den Bau von Einkaufsmärkten, vor allem für Netto, spezialisiert hat, sicherte sich ein Grundstück im Kreischaer Ortsteil Gombsen.

Die rund 7.000 Quadratmeter liegen direkt an der Lockwitzer Straße und damit an der Ein- und Ausfahrtschneise von und nach Dresden. Hier pendeln tägliche viele Autofahrer entlang, direkt gegenüber befindet sich zudem mit der Baumschule Kreiser ein beliebter Markt, der alles rund um den Garten anbietet.

Für Thomas Grimmer muss es 2015 die Ideale Lage gewesen sein. Hier sollte ein neuer Netto-Markt entstehen. Mittlerweile erscheint die Wahl für den Standort wie ein Fluch. Neun Jahre später wird nämlich immer noch geplant - für einen Markt von 800 Quadratmetern Verkaufsfläche, plus Lager, Anlieferzone und Parkplatz. Grimmer selbst sagt dazu: "Das ist ein Beispiel dafür, was in Deutschland gerade alles nicht stimmt."

Viele Forderungen vom Naturschutz

Das Grundproblem: Das Grundstück gehörte früher besagter Baumschule und wurde viele Jahre genutzt, um dort Bäume sowie Gehölze zu ziehen. Dann gab der Betrieb das Gelände auf und veräußerte es. In der Zwischenzeit wuchsen auf dem Grundstück wild die Bäumchen und Büsche. "Und damit ist das Grundstück per Gesetz eingestuft als besonders schützenswerte Grünfläche", erklärt Investor Grimmer.

Auf diesem Grundstück soll der Netto entstehen. Das Land gehörte früher zu einer Baumschule - und gilt jetzt als besonders schützenswert.
Auf diesem Grundstück soll der Netto entstehen. Das Land gehörte früher zu einer Baumschule - und gilt jetzt als besonders schützenswert. © Egbert Kamprath

Genau diese Einstufung rief diverse Behörden auf den Plan, als Grimmer 2015 den Entwurf für einen Bebauungsplan vorlegte. Seitdem kursiert das Papier in diversen Ämtern, wurde mehrmals ausgelegt, verändert, angepasst, wieder verändert.

Einige dieser Änderungen betrafen die Zufahrt zum zukünftigen Netto-Markt. So muss auf der Lockwitzer Straße aus Richtung Dresden kommend eine Linksabbiegespur angelegt werden, damit die Kunden sicher auf den Parkplatz gelangen können und auf der Straße bei starkem Verkehr nichts ins Stocken gerät.

Doch vor allem gab es naturschutzrechtliche Einwände. Im aktuellen Entwurf heißt es unter anderem: "Insgesamt werden ca. 4.698 Quadratmeter Boden neu versiegelt. Dieser Verlust der Biotope und die Versiegelung von Boden stellt einen Eingriff in die Schutzgüter Tiere und Pflanzen und Boden dar." Und weiter: "Das Plangebiet stellt Lebensraum für Kleinsäuger, Fledermäuse, Reptilien, Insekten und Vögel dar. Im Rahmen der Begehungen im Mai/Juni 2020 wurden in den Gehölzen mehrere Vögel nachgewiesen. Die offenen Bereiche sind Nahrungshabitat für Vögel der Siedlungen." Vertreter der Zauneidechse allerdings, die laut europäischer Richtlinien als streng geschützte Art gilt, wurden dort bei einer artenschutzrechtlichen Prüfung im Frühjahr/Sommer 2020 nicht festgestellt.

Zuletzt wurden im Entwurf nach Einwänden der Unteren Naturschutzbehörde noch Änderungen zu den Grünflächen vorgenommen. Sie werden nun größer: Grimmer muss unter anderem eine Streuobstwiese angelegen, Bäume und Feldgehölze pflanzen sowie eine sogenannte Frischwiese angelegen.

Viele Einkaufsmärkte rund um Kreischa

Und so zieht sich das Verfahren inklusive aller Begehungen, Gutachten, Umplanungen seit neun Jahren hin. Dass ein B-Plan-Verfahren für einen Einkaufsmarkt so lange dauert, habe er noch nie erlebt, kommentiert Thomas Grimmer. Auch Kreischas Bürgermeister Frank Schöning (Freie Bürgervertretung) nennt den Vorgang "ungewöhnlich".

Vielleicht liegt die lange Verzögerung auch ein bisschen daran, dass ein Netto in Kreischa als nicht so dringlich erachtet wird. Das sei ein reiner Autofahrerstandort, sagt der Bürgermeister. "Zu Fuß werden dort nur ganz Wenige einkaufen gehen." Dafür sei der Diska in der Ortsmitte einfach bequemer zu erreichen, auch wenn er nicht so ein großes Sortiment wie der zukünftige Netto habe.

Autofahrer wiederum haben rund um Kreischa ein großes Angebot. Nur sieben Kilometer entfernt in Possendorf gibt es einen Penny-Markt und einen Netto. Ein Dorf weiter - in Hänichen - steht ein nagelneuer Konsum. Noch ein Ort weiter, in Bannewitz, gibt es einen Netto und einen riesigen Edeka. Und wer in Richtung Dresden fährt, hat im Kaufpark Nickern viele Einkaufsmöglichkeiten, unter anderem im Kaufland.

Viel Geduld bei Netto

Thomas Grimmer will sich von seinem Vorhaben dennoch nicht abbringen lassen. "Wir geben nicht auf", sagt er. Im nunmehr vorliegenden B-Plan-Entwurf habe er alles eingearbeitet, was an Forderungen seitens der Behörden und an Einwänden gekommen sei. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht genehmigt wird."

Der Entwurf liegt noch bis zum 20. September öffentlich aus. Kommen jetzt keine Bedenken mehr hinzu, könnte der B-Plan mit der Satzung im November oder Dezember beschlossen werden. "Und dann könnten wir im Frühjahr 2025 mit dem Bau beginnen", stellt Grimmer in Aussicht. Er rechnet mit etwa einem Jahr Bauzeit, Eröffnung könnte also im April oder Mai 2026 sein.

Bei Netto jedenfalls ist man nach wie vor geduldig. Aus der Zentrale im bayrischen Maxhütte-Haidhof heißt es, man sei am geplanten Standort weiterhin interessiert.