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RTL-Nachrichtenmann Kloeppel: "Schluss mit der deutschen Melancholie!"

Trotz drei Jahrzehnten voller Schreckensmeldungen: Peter Kloeppel, der Nachrichtenmann von RTL, hat den Glauben an die Menschheit nicht verloren.

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Seit 1992 ist Peter Kloeppel das Gesicht der RTL-Nachrichten. Ende des Monats hört er auf.
Seit 1992 ist Peter Kloeppel das Gesicht der RTL-Nachrichten. Ende des Monats hört er auf. © PA/dpa

Peter Kloeppel, 65, war von 1992 bis 2024 Chefmoderator der Nachrichtensendung „RTL Aktuell“. Der studierte Agraringenieur begann seine Karriere im Bonner Studio des Senders RTL Plus, danach ging er als Korrespondent in die USA. Kloeppel moderierte auch das TV-Triell vor der Bundestagswahl 2021 sowie die TV-Duelle der fünf vorherigen Bundestagswahlen. Am 23. August präsentiert er zum letzten Mal „RTL Aktuell“.

Herr Kloeppel, hat es Ihnen jemals die Sprache verschlagen?
Nicht on air. Ich hatte fast immer die Möglichkeit, mich vorzubereiten auf das, was zu sagen ist – außer vielleicht am 11. September 2001. Ein anderer schwieriger Moment war der absichtlich herbeigeführte Absturz des Eurowings-Flugzeugs in den Alpen 2015. Wir waren zunächst sprachlos, mussten dann aber irgendwie wieder zusammenkommen, weil die Zuschauer wissen wollten, was los ist. Auch wenn man erschrickt ob der Rücksichtslosigkeit und Brutalität von Menschen.

Sie gelten als Ausbund von Seriosität. Warum sind Sie nicht zu den öffentlich-rechtlichen Sendern gewechselt?
Ich tue mich grundsätzlich schwer mit der Einordnung, dass die Öffentlich-Rechtlichen die Guten, Seriösen und Neutralen sind und wir hier bei den Privaten machen nur Halligalli. Für meine journalistische Tätigkeit galt das nie – und auch nicht für die journalistischen Formate, in denen ich gearbeitet habe. Auch wenn ich nie in die Versuchung gekommen bin, von RTL zu den Öffentlich-Rechtlichen zu wechseln: Am Ende sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Wir alle sind Journalisten und wollen die Menschen bestmöglich informieren, damit sie sich eine eigene Meinung bilden können und möglichst keinen Desinformationen beziehungsweise Fake News aufsitzen.

Wie unterscheiden sich öffentlich-rechtliche von privaten Nachrichtensendungen?
Das kommt auf die Formate an. Die „Tagesschau“ ist eine eher politisch orientierte Nachrichtensendung. Für uns bei „RTL Aktuell“ besteht das Leben aus mehr als nur Politik. Da kann auch mal was zum Durchatmen dabei sein. Außerdem haben wir immer versucht, die Themen, die die Menschen beschäftigen, zu treffen und vor allem auch in einer Sprache zu präsentieren, die sie verstehen. Das macht einen großen Teil unseres Erfolgs bei den jungen Zuschauern aus.

Hat sich das Zuschauerinteresse verändert?
Genauso, wie sich unsere Gesellschaft in einem ständigen Veränderungsprozess befindet. Dennoch wollen die Zuschauer einer Nachrichtensendung immer noch das Wichtige vom Tage wissen. Sie erwarten eine Einordnung. Gleichwohl verliert das lineare Fernsehen an Reichweite. Aber müssen wir uns deshalb im TikTok-Style verändern? Die sehr guten Quoten unserer Sendung nach dem Trump-Attentat sind ein Beleg dafür, dass es überhaupt nichts bringt, Nachrichten anders als gewohnt zu präsentieren. Weil auch die jungen Zuschauer an solchen Tagen – aber auch sonst – die 20-minütige Zusammenfassung des Tages sehr wohl schätzen und mit großem Interesse einschalten und dranbleiben.

Sie sind sicherlich ein Newsjunkie, werden aber vermutlich bei anderen Formaten entspannen. Was für Serien gucken Sie so?
Wenn ich nach Hause komme und wir gegessen haben, schalten wir oft CNN ein: Was haben die jetzt drauf? Aber ich entspanne sehr gut beim Fußball und beim Tennis, gucke gerne „Wer wird Millionär?“. Ich gebe auch zu, dass ich „Bridgerton“ auf dem Schirm habe.

Herr Kloeppel hat eine Schwäche für Kitsch, interessant.
Die Serie ist durchaus skurril, aber gut gemacht und einfach toll gespielt. Anderes Beispiel: „The Great British Bake Off“, wo zwölf Menschen über Wochen hinweg gegeneinander backen. Ganz wunderbar.

Wenn Sie Ende August bei „RTL Aktuell“ aufhören, wollen Sie Ihren Lebensmittelpunkt nach Amerika verlegen. Was macht die Vereinigten Staaten so attraktiv?
Für mich hat das sehr viel mit familiären Bindungen zu tun. Meine Frau ist Amerikanerin. Unsere Tochter und die Familie meiner Frau leben dort. Ich sehe in Amerika immer noch das Land, in dem sehr viel möglich ist, in dem auch ich mich entfalten kann. Gleichzeitig stoße ich ständig auf Polarisierung und Widersprüche, auch in unserem Bekanntenkreis. Die einen sind eher demokratisch orientiert, die anderen eher republikanisch. Ich würde mir manchmal wünschen, dass die Diskussionen offener geführt werden, auch wenn wir durchaus mit unseren republikanischen Freunden über Waffenkontrollen oder die Politik von Trump reden können.

Nicht nur durch Ihre Familie, sondern auch als Journalist sind Sie mit den USA verbunden, waren erster RTL-Korrespondent in dem Land. Amtsinhaber Joe Biden hat sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft zurückgezogen. Kann Kamala Harris Donald Trump schlagen?
Die nächsten Wochen sind entscheidend. Für einen Sieg müsste sie dann aber auch einen Mobilisierungseffekt bei den demokratischen Wählern auslösen, die sonst wegen ihrer Zweifel an Joe Biden am Wahltag zu Hause geblieben wären. Die Erleichterung bei den Demokraten über den Rückzug von Biden ist enorm. Ich höre oft: „Jetzt hat man wieder einen Grund, für die Demokraten zu stimmen.“

Was zeichnet Trump aus?
Er erfüllt das, wovon viele Amerikaner vor allem des konservativen Lagers träumen, was ihnen ihrer Meinung nach aber von „radikal-linken“ politischen Kräften und einer zunehmend komplexer werdenden, globalisierten Welt vorenthalten wird. Sie wollen in einem Land leben, in dem der Präsident die Inflation besiegt, den Spritpreis drückt, internationale Vereinbarungen aufkündigt, Diktatoren sagt, wo’s langgeht – oder anders ausgedrückt: ein Land, in dem nur alte, amerikanische Qualitäten etwas zählen. Fragen Sie mich bitte nicht, welche und aus welchem Jahrhundert…

Frustriert von fehlender Aufbruchstimmung

Hat sich Ihr Weltbild über die langen Jahre als Nachrichtenmacher getrübt?
In bestimmten Fällen schon. Wenn ich mir anschaue, was beispielsweise das Thema rechte Politik in Deutschland angeht: Da bin ich erschrocken, wie weit rechte politische Akteure inzwischen in ihren Aussagen gehen. Und es frustriert mich auch zu sehen, wie das ganze Land immer öfter stockt, und wie wenig Aufbruchstimmung herrscht. Dabei haben wir alle Möglichkeiten in Deutschland, um diesem Stillstand etwas entgegenzusetzen. Schluss mit der deutschen Melancholie!

Haben Sie in Ihrem Berufsleben mal gesagt: Jetzt müsste ich abbiegen, da habe ich was verpasst?
Bei „RTL aktuell“ war ich immer gut aufgehoben. Ich konnte mich in Ruhe weiterentwickeln und auch das machen, was mir im Journalismus am meisten Freude bereitet, nämlich tagesaktuell berichten. Da gab es natürlich Dutzende, wenn nicht noch mehr Momente, bei denen ich hinterher gedacht habe: Das habe ich jetzt aber nicht so gut gemacht, wie es mein Anspruch ist. Ganz besonders bei Interviews, wo ich das Gefühl hatte, da war ich nicht hart genug, da habe ich nicht nachgefragt. Oder in dieser oder jener Moderation fiel mir nicht der richtige Satz ein.

Was schreiben Sie Ihren vier Nachfolgern ins Stammbuch?
Seid authentisch, versucht nicht, irgendetwas zu spielen, was ihr nicht seid. Die Informationen sind das Zentrum dieser Sendung, nicht die Person, die sie präsentiert. Aber da habe ich keine Sorgen, dass die vier das nicht wüssten. Natürlich braucht es ein großes Maß an Leidenschaft, um diesen Job zu machen. Es darf einem nichts ausmachen, nachts aus dem Bett geklingelt zu werden, um dann eine Stunde später im Studio zu sitzen.

Was mussten Sie für Ihren Beruf opfern?
Ich musste auf viele Abende mit Familie und Freunden verzichten. Theater, Oper, Kino, Schulversammlungen, das gab es bei mir fast nicht. Ich musste mir dann meine anderen kleinen Inseln suchen, am Samstag, am Sonntag, im Urlaub. Aber das ist kein Blick zurück im Zorn: Ich habe nicht das Gefühl, dramatisch viel verpasst zu haben in meinem Leben. Ganz im Gegenteil.

Das Interview führten Joachim Huber und Kurt Sagatz.