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Kinderlosigkeit: Im Osten gibt es mehr Mütter als im Westen

Die Zahl der kinderlosen Frauen in Deutschland steigt. Warum der Osten eine niedrigere Quote hat, wie sich Bildung darauf auswirkt und warum sich Frauen heute gegen Kinder entscheiden.

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Junge Mütter entscheiden sich inzwischen aus vielen Gründen gegen Kinder. Die Kinderlosen-Quote steigt sowohl in Ost als auch West.
Junge Mütter entscheiden sich inzwischen aus vielen Gründen gegen Kinder. Die Kinderlosen-Quote steigt sowohl in Ost als auch West. ©  dpa/Sebastian Gollnow

Wiesbaden. In Ostdeutschland sind Frauen öfter Mütter als im Westen, sie haben jedoch selten mehr als zwei Kinder. Zudem hat jede fünfte Frau zwischen 45 und 49 Jahren in Deutschland im vergangenen Jahr keine leiblichen Kinder gehabt. Damit lag die sogenannte Kinderlosenquote zum Ende des gebärfähigen Alters in den vergangenen zehn Jahren nahezu unverändert bei 20 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Vor 15 Jahren war die Quote noch etwas niedriger und lag bei 17 Prozent.

Mit Blick auf die Daten von 2022 zeigen sich klare regionale Unterschiede: So war die Quote in Westdeutschland mit 20 Prozent deutlich höher als in Ostdeutschland, Berlin nicht mit einberechnet, wo sie 14 Prozent betrug. Schaut man auf die einzelnen Bundesländer, waren die Frauen im Alter zwischen 45 und 54 Jahren in den Stadtstaaten Hamburg (29 Prozent) und Berlin (25 Prozent) deutlich häufiger kinderlos als etwa in Thüringen, wo die Quote bei 13 Prozent lag.

Geringere Unterschiede zwischen Ost und West

"Großstädte bieten viel mehr Möglichkeiten, was Freizeit und Karriere, aber auch was einen wechselnden Partnermarkt betrifft. Da wollen sich viele nicht binden und festlegen", sagt Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB). Zudem seien Städte mit dem vielen Verkehr oder dem teuren Wohnraum meist weniger familienfreundlich.

Die regionalen Unterschiede zwischen Ost und West sind besonders stark in der Nachkriegsgeneration ausgeprägt, das heißt bei den Jahrgängen der 50er- und 60er-Jahre. Bei den Jahrgängen ab Mitte der 60er-Jahre, deren Familiengründung überwiegend nach der deutschen Vereinigung im Jahr 1990 erfolgte, sind die Unterschiede zwischen Ost und West nicht mehr so deutlich ausgeprägt. Die Ursache dafür war der Anstieg der Kinderlosigkeit in Ostdeutschland einerseits und die Stabilisierung der Kinderlosenquote in Westdeutschland andererseits.

Trotz der Annäherung scheint sich der Abstand in der Kinderlosigkeit zwischen den Frauen in West- und Ostdeutschland auch in den jüngeren Jahrgängen zu verfestigen, teilt das Statistische Bundesamt mit. Die zwischen 1981 und 1990 geborenen ostdeutschen Frauen, die noch in der Familiengründungsphase sind, haben eine geringere Kinderlosenquote als gleichaltrige Frauen in Westdeutschland.

Ostdeutsche Frauen haben selten mehr als zwei Kinder

Die Anzahl der Kinder, die ostdeutsche Mütter gebären, hat sich auch im Lauf der Zeit verändert. So nahm der Anteil der Mütter von Einzelkindern tendenziell zu, während Mütter mit zwei und mit drei Kindern seltener geworden sind. Bei den zwischen 1947 und 1962 geborenen Müttern, die ihre Familienplanung im Wesentlichen vor der deutschen Vereinigung abgeschlossen hatten, lag der Anteil der Mütter von Einzelkindern, ähnlich wie im Westen, zwischen 28 und 31 Prozent. Bei später geborenen Frauen stieg er dann deutlich bis auf 43 Prozent.

Die Fruchtbarkeit dieser Jahrgänge wurde offenbar besonders stark durch die sozialen Veränderungen der Wendezeit beeinflusst. Bei den Jahrgängen 1973 bis 1977, lag der Anteil der Mütter von Einzelkindern bereits deutlich niedriger, wohingegen es mehr Mütter mit zwei Kindern und am seltensten Mütter mit dreien gab. Der Anteil der Mütter mit vier oder mehr Kindern hat sich auch im Osten im Laufe der Zeit kaum verändert.

Der Bildungsstand ist ausschlaggebend

Was ebenfalls entscheidend sein kann, ob eine Frau Mutter wird oder nicht, ist laut den Statistiken des Bundesamts der Bildungsstand. So haben Frauen zwischen 45 und 49 Jahren mit hoher Bildung eine Kinderlosenquote von 23 Prozent. Bei mittlerer Bildung waren es 21 Prozent und bei einem niedrigen Bildungsstand sogar nur 11 Prozent. Allerdings gibt es auch hier eine positive Entwicklung. Vor einigen Jahren war die Quote bei den höher Gebildeten noch größer: "Die Entwicklung ist ein Erfolg und hat viel mit der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise mit der Einführung des Elterngelds, zu tun", sagt Bujard dazu.

In den ostdeutschen Bundesländern nahm die Kinderlosenquote bei den Frauen mit akademischem Bildungsabschluss leicht zu, allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Die Quote der ostdeutschen Akademikerinnen betrug 17 Prozent, westdeutsche Akademikerinnen kamen auf 23 Prozent. Bei nichtakademischen Frauen blieben die Zahlen in Ost und West gleichermaßen stabil.

Kinderwunsch ab 40?

Der Experte sieht vor allem drei Gründe für Kinderlosigkeit: "Da sind die Frauen, die generell nie Nachwuchs wollten. Dann gibt es diejenigen, die biologisch keine Kinder bekommen können. Und dann noch jene, die keinen Partner finden oder zu lange warten."

Zugleich suchen immer mehr Frauen jenseits der 40 Hilfe in Kinderwunschkliniken: Waren es 2011 noch rund 8.000 Patientinnen aus dieser Altersgruppe, lag die Zahl zehn Jahre später bereits bei mehr als 12.600. Oft seien die Frauen überrascht darüber, wie schlecht die Aussichten auf ein Baby trotz medizinscher Hilfe seien, hieß es unlängst beim Deutschen IVF-Register, das Daten über Behandlungen aus mehr als 130 Kinderwunschzentren bundesweit zusammenträgt. Ab 40 sinke nicht nur die Schwangerschaftsrate, die Fehlgeburtenrate nehme auch stark zu.

Eizellen einfrieren ist nicht die Lösung

"Der Erfolg von Kinderwunschkliniken wird von älteren Frauen oft überschätzt. Und auch das social freezing - also das Einfrieren von Eizellen - gibt die falsche Sicherheit, dass man die Entscheidung für ein Kind immer weiter aufschieben kann", sagt Bujard. Politik und Gesellschaft sollten vielmehr Voraussetzungen schaffen, um bereits bei jüngeren Erwachsenen eine Elternschaft interessanter zu machen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts vom Mittwoch wurden im vergangenen Jahr in Deutschland insgesamt weniger Kinder geboren als in den Vorjahren: Laut vorläufiger Daten kamen 739.000 Babys auf die Welt. Das waren 7,1 Prozent weniger als 2021 und 5,6 Prozent weniger als im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021. Auch die Geburten Anfang 2023 blieben auf niedrigem Niveau.

Eine der wichtigsten Ursachen für die sinkende Geburtenzahl ist laut Bundesamt, dass es weniger Frauen im Alter von Ende 20 bis Ende 30 gibt, die Altersspanne, in der die meisten Kinder geboren werden. "Auch die Verunsicherung der Bevölkerung durch zahlreiche Krisen könnte sich negativ auf die Familienplanung ausgewirkt haben", vermutet das Team für demografische Analysen. (dpa mit SZ/nat)