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Ende ohne Abschied

Thomas Florschütz und Kevin Kuske sind die alten Männer des Bobsports – und fahren jetzt getrennt Schlitten.

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© bild13

Von Tino Meyer

Er sagt den Satz nebenbei. „Ich muss mir jetzt noch ein Team suchen, das konkurrenzfähig ist“, erzählt der Bobpilot Thomas Florschütz und nennt das eine Hiobsbotschaft. Er spricht weiter – und plötzlich entpuppt sich das als mittlere Sensation, zumindest im Bobsport. „Kuske und Poser fahren nicht mehr für mich“, erklärt Florschütz und spielt die Nachricht herunter. Beide Anschieber hätten sich nach Olympia eben anders entschieden.

Im Fall von Christian Poser, dem 27-jährigen Cottbuser, mag das nicht weiter tragisch sein. Dass aber Kevin Kuske, mit 35 Jahren zwar im gesetzten Alter, doch immer noch so etwas wie der Prototyp eines Anschiebers, sich auch einen neuen Schlitten sucht, kommt völlig unerwartet. Was Florschütz aber am meisten ärgert, ist die Art und Weise. „Es gab kein Vier-Augen-Gespräch, keinen ordentlichen Abschluss“, sagt der 36-Jährige und damit mit Abstand älteste und erfahrenste deutsche Pilot.

Nach Olympia ist immer die Zeit für Veränderungen, erst recht, wenn die Ergebnisse so desaströs waren wie diesmal. Insbesondere mit Kuskes Entschluss, der ja auch Signalwirkung hat, ist nun eine Personalrotation im ganz großen Stil im Gang. Vier gestandene Piloten sowie zwei Junioren-Weltmeister suchen je vier, fünf Anschieber. Und Florschütz könnte – anders als vor vier Jahren – diesmal Verlierer sein.

Der beste Pilot vereint mit dem stärksten Anschieber – das war die Traumkombination. Nach den Winterspielen 2010, als André Lange nach vier Olympiasiegen mit Kuske seine Karriere beendete, suchte „das stärkste Rennpferd im Eiskanal“ (O-Ton Lange) einen neuen Chef. Mit Florschütz wählte er den Olympia-Zweiten von Vancouver und damit die vermeintliche neue Nummer eins im deutschen Team.

Doch mit der Neubesetzung von Christoph Langen als Bundestrainer änderten sich die Spielregeln. Der Ex-Pilot setzt, anders als Vorgänger Raimund Bethge, auf ein starkes Team. Alle deutschen Piloten sollen eine reelle Siegchance besitzen – und auch das gleiche Material. Florschütz akzeptierte dies klaglos, er hatte ohnehin andere Probleme. Schon die erste Saison mit Kuske verlief nicht so wie erhofft. Eine Bandscheibenoperation des gebürtigen Sonnebergers sorgte dafür, dass beide mehr Zeit als erwartet benötigten, um sich aufeinander einzustellen. Trotzdem fuhren sie 2011 am Königssee zu WM-Silber. Was sie nicht wussten: dass es ihr größter gemeinsamer Erfolg bleiben wird.

Die Saison 2011/12 begann zwar noch besser mit Weltcup-Erfolgen und dem EM-Sieg in Altenberg. Doch bei seinem ersten Titel überhaupt brach sich Florschütz das Wadenbein und musste zusehen, wie Kuske im Schlitten von Maximilian Arndt immerhin WM-Dritter und -Zweiter wurde. 2013 dann war Florschütz fit, dafür verletzte sich Kuske. Bei der WM in St. Moritz riss ihm beim ersten Start der Muskel am Sitzbein. Mit Andreas Bredau, der sich wiederum in der Olympia-Vorbereitung 2014 den Mittelfuß brach, fuhr er noch zu Bronze.

„Warum erwischt es eigentlich immer mich?“, fragt Florschütz und gibt sich die Antwort selbst: „Weil ich Glück in der Liebe habe.“ So oft wie möglich sind seine Frau Diane und Sohn Viktor bei den Rennen dabei, und mehr Zeit als andere verbringt er mit ihnen in Erfurt. „Ich bin Familienvater, das gibt mir viel mehr Kraft“, verteidigt Florschütz auch im Nachgang die Entscheidung, auf das Trainingslager in Istanbul zu Beginn der Winterspiele zu verzichten und lieber zu Hause zu trainieren.

Auf das Desaster in Sotschi muss man ihn gar nicht erst ansprechen. Fahrerisch ist er sehr gut unterwegs, doch das Material nicht olympia-tauglich. Mit den Plätzen elf (Zweier) und sieben (Vierer) beschließt Florschütz nicht nur seine schlechteste Saison überhaupt, sondern vor allem seine Karriere mindestens einen Winter fortzusetzen. „Das Ergebnis von Sotschi“, begründet er, „lässt mich einfach nicht in Ruhe. Das bin nicht ich, das ist eine Katastrophe.“ Ähnlich dramatisch sind nun jedoch seine Voraussetzungen.

Drei Dinge braucht selbst ein starker Pilot, um ganz vorn mitfahren zu können: Gesundheit, Geld und ein gutes Team. Bei Florschütz muss man mehr denn alle drei Dinge infrage stellen. Für den BRC Riesa will er weiter fahren. Doch neben den Anschiebern hat sich auch der Sponsorenpool aus Riesa weitgehend zurückgezogen – so wie es für die Zeit nach Sotschi lange verabredet gewesen war.

Florschütz gibt sich dennoch entspannt und kämpferisch zugleich. „Ich mache mir keine Sorgen. Notfalls suche ich mir ein paar frische Jungs aus der Leichtathletik-Szene“, betont er. Auch das Geld, rund 80.000 bis 100.000 Euro gelten in der Szene als Richtwert, will er nun in Eigenregie besorgen. Die WM im Februar in Winterberg und der erste große Titel bleiben das Ziel.

Seinen Ex-Partner Kuske wird er schon eher wiedersehen – im Schlitten eines Kontrahenten. Manuel Machata, der mit dem Wechsel zu einem finanzstarken Verein in Stuttgart sowie dem Kufenhandel über das nötige Kleingeld verfügen soll, und der Oberhofer Arndt sind offenbar inzwischen Kuskes erste Ansprechpartner. Poser ist dagegen bei Zweier-Weltmeister Francesco Friedrich aus Pirna sowie beim Altenberger Junioren-Weltmeister Nico Walther im Gespräch. Die Wechselfrist im Bob-Lager endet am 30. April. Spätestens dann braucht auch Florschütz Gewissheit.