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Dresden

Gerichtsprozess: Wenn die Sonne tief steht

Ein 32-jähriger Autofahrer hat einen Motorroller übersehen und die Fahrerin verletzt. Die Strafe akzeptiert er jedoch nicht. Die Gerichtskolumne.

Von Alexander Schneider
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Nach einem Unfall in der Tiergartenstraße gab es ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Dresden. Der Unfallverursacher behauptete, die Sonne habe ihn geblendet.
Nach einem Unfall in der Tiergartenstraße gab es ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Dresden. Der Unfallverursacher behauptete, die Sonne habe ihn geblendet. © Symbolfoto: André Braun

Dresden. Der Mann gibt die Vorwürfe zu, belastet sich selbst sogar mehr, als es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Ein Verteidiger-Paar sollte nun verhindern, dass er dafür verurteilt wird. "Fahrlässige Körperverletzung" lautete der Vorwurf in dem Prozess am Amtsgericht Dresden.

Der 32-jährige Betriebswirt soll am Steuer seines Golfs eine Moped-Fahrerin übersehen haben, als er im Oktober 2021 morgens um kurz nach acht Uhr auf dem Weg zur Arbeit war. Laut Anklage hatte der Mann an einer roten Ampel in der Tiergartenstraße gestanden, vor ihm ein Auto und der Roller. Als die Ampel auf Grün schaltete, sei er losgefahren, habe die Frau vor ihm nicht beachtet und in deren Roller gekracht. Die Frau stürzte und wurde leicht verletzt. An ihrem Zweirad entstanden einige Hundert Euro Schaden.

Das Gericht verurteilte den Fahrer zunächst per Strafbefehl zu einer Geldstrafe im unteren Bereich. Die 1.000 Euro setzten sich aus 20 Tagessätzen zu je 50 Euro zusammen. Doch der Mann akzeptierte die Strafe nicht.

Gegenüber der Richterin berichtete er von einem normalen Arbeitstag, an dem er an seinem damaligen Wohnhaus gestartet sei. Er habe die Frau auf dem Roller noch vorbeifahren lassen, ehe er aus dem Grundstück gefahren sei. Wenige Meter entfernt war schon die Ampelkreuzung Tiergartenstraße/Karcherallee.

Er habe sich als Linksabbieger eingeordnet. Die Sonne habe tief über dem Betriebshof der Dresdner Verkehrsbetriebe am Ende der Tiergartenstraße gestanden, er sei geblendet gewesen. Auch seine Windschutzscheibe sei von der rechten Seite her mehr als 50 Prozent verschmiert gewesen. Das seien die Gründe gewesen, warum er die Roller-Fahrerin vor sich übersehen hatte, als er bei "Grün" angefahren sei.

Vom Strafverfahren "überrascht"

Von dem Knall beim Zusammenstoß mit dem Moped sei er selbst erschrocken gewesen. "Ich bin ausgestiegen, habe der Frau geholfen", sagte der Unfallfahrer. Er habe sich erkundigt, wie es ihr geht, habe angeboten, sie in eine Klinik zu fahren. Dann habe er die Polizei alarmiert und sich von den Beamten bestätigen lassen, dass er alles richtig gemacht habe, wie er sagte: "Deswegen bin ich von dem Gerichtsverfahren überrascht." Weil er jedoch einen dringenden Termin hatte, habe nun seine Frau mit der Verletzten auf die Polizei gewartet.

"Sie merken aber schon selbst, dass Sie etwas falsch gemacht haben?", fragte die Richterin, nachdem der Angeklagte erneut bestätigt hatte, dass er die Frau auf dem Roller vor ihm zunächst bemerkt hatte. Nach dieser Einlassung war sie über den Einspruch irritiert.

Die Verteidiger des Angeklagten, Annika Bargenda und Robert Sauer, argumentierten nun, ihr Ziel sei, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, denn es sei nur ein "geringes Verschulden" ihres Mandanten festzustellen. Er sei "doch kein schlechter Mensch", so die Verteidiger. Das wiederum brachte den Staatsanwalt auf die Palme: "Sie fahren mit einer 50 Prozent verschmierten Scheibe im Blindflug los", sagte er. Der Angeklagte sei auch an der Ampel blind vorwärtsgefahren. Die glimpflichen Folgen habe die Justiz bei der Strafhöhe bereits berücksichtigt.

Finanzielle Nöte?

Darauf entgegnete der Angeklagte, dass er inzwischen in Radeberg lebe, die Darlehensraten für sein Haus aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation massiv gestiegen seien, er zwei kleine Kinder habe: "Das ist eine extreme Belastung", die Geldstrafe sei für ihn daher "eine Riesensumme".

Damit war der Staatsanwalt jedoch nicht zu beeindrucken: Einer Einstellung gegen eine Summe, die so günstig wie die Geldstrafe des Strafbefehls sei, werde er nicht zustimmen. Zumal der Angeklagte mit zwei Rechtsanwälten erschienen sei.

Am Ende schafft es der Angeklagte, ohne Urteil aus der Sache herauszukommen. Die Richterin stellte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.200 Euro an die Verkehrswacht Dresden vorläufig ein.