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Carolabrücke in Dresden: Stadt geht von Komplett-Neubau aus

Der Teileinsturz der Carolabrücke war das beherrschende Thema im Stadtrat in Dresden. Dabei konnten wichtige Fragen geklärt werden. Das sind die Antworten auf die wesentlichen.

Von Alexander Schneider & Andreas Weller
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Die Stadt Dresden geht davon aus, dass die  Carolabrücke (hinten) komplett neu errichtet werden muss. Wird nun die Augustusbrücke für den Autoverkehr geöffnet?
Die Stadt Dresden geht davon aus, dass die Carolabrücke (hinten) komplett neu errichtet werden muss. Wird nun die Augustusbrücke für den Autoverkehr geöffnet? © kairospress

Dresden. Am Tag nach dem Teileinsturz der Carolabrücke ist klar, dass weitere Teile einzustürzen drohen. Dazu kommt, dass Hochwasser auch in der Elbe befürchtet wird. Die Flut könnte Teile der Brücke abreißen oder durch die Teile in der Elbe Dresden größere Probleme bereiten.

Zudem deutet alles darauf hin, dass alle drei Züge der Carolabrücke abgerissen und komplett neu errichtet werden müssen. Es wird also ein Wettlauf gegen die Zeit und für Dresden eine teure Angelegenheit. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Weshalb werden Teile der Carolabrücke bereits abgerissen?

Die Brücke ist akut einsturzgefährdet und soll vor dem drohenden Hochwasser entfernt werden – sowohl die Teile, die bereits in der Elbe liegen als auch die nicht mehr sicheren weiteren Teile des Zuges C. „Es hängt alles an einem seidenen Faden“, begründet Simone Prüfer die schnelle Maßnahme. Sie ist die Leiterin des Straßen- und Tiefbauamtes.Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat zudem einen Krisenstab einberufen, der tagsüber permanent besetzt ist und in dem es regelmäßig Absprachen zum aktuellen Stand gibt.

Grund für die Einsturzgefahr ist, dass der Querträger, mit dem die drei Züge verbunden sind, abgerissen ist. „Die Teile liegen auf einem gemeinsamen Pfeiler“, so Prüfer. „Wir haben geprüft, ob wir diesen sichern können, haben das aber verworfen.“ Bevor die Brückenteile entfernt werden könnten, müsse Sprengstoff zum Einsatz kommen. „Die Schienen müssen dafür getrennt werden“, so die Amtschefin. „Wegen der starken Spannung müssen sie gesprengt werden.“

Der Abriss der Brückenteile begann am Donnerstagabend auf der Neustädter Seite und soll Freitag auf Altstädter Seite fortgesetzt werden. „Wir wollen vor dem Hochwasser mit den Teilen, die in der Schwebe sind, fertig sein“, erläutert Amtschefin Prüfer. Auch Zug B sei mittlerweile stark beschädigt worden, dort und am Zug A werden Messungen durchgeführt, diese seien aber für die Stadt „zunächst nachrangig“.

Kann die Brücke saniert werden?

Voraussichtlich nicht, sagt Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne). Der zum Teil abgestürzte Zug C soll bis Freitag abgerissen werden. "Aber auch am Zug B gibt es Schäden", so Kühn. "Auch hier sind die Lager erheblich verformt und ein Lager hat versagt - die Schäden sind erheblich."

Es sei nicht davon auszugehen, dass dieser Teil wieder hergerichtet werden kann. "Dazu liegen alle drei Züge auf einem Pfeiler", so Kühn. "Ich bezweifle, dass ein Prüfingenieur den Zug jemals freigeben würde. Deshalb gehen wir von Ersatzneubau aus." Das bedeutet, die Carolabrücke muss komplett neu gebaut werden.

Zwar benötigt die Stadt dafür, weil es ein Ersatz ist, kein langes Planfeststellungsverfahren, aber die Brücke muss zunächst geplant werden, dann gehen Ingenieurbüros an die Ausführungsplanung und danach kann der Bau europaweit ausgeschrieben werden. Die Brücke wird vermutlich eher Jahre nicht zur Verfügung stehen. Die Kosten benennt Kühn mit "mindestens 100 Millionen Euro". Er sagt, dass Dresden da auch auf Bund und Land angewiesen sei, sich zu beteiligen.

Wie entwickelt sich die Hochwassersituation?

Das Regengebiet werde laut Prognose von Südosten kommend Österreich am härtesten treffen, sagt Umweltamtsleiter René Herold. „Im Einzugsgebiet der Elbe wird weniger Niederschlag erwartet, aber dieser reicht aus, um voraussichtlich kommende Woche ein kleines Hochwasser in Dresden auszulösen.“

Eine genauere Prognose sei noch schwierig, die Elbe soll in der Landeshauptstadt zunächst auf fünf bis acht Meter steigen. Der Höchststand werde „Richtung Mitte kommender Woche“ erwartet. „Wir bereiten uns auf ein Hochwasser zwischen 6,50 bis 8 Meter vor.“

Die Stadt hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die zeigen soll, welche Auswirkungen das in der Elbe liegende Brückenteil haben kann. „Die Kernaussage lautet, es hat es keine signifikanten Auswirkungen auf den grundsätzlichen Pegel der Elbe“, so Herold. „Das Teil wird umflossen werden, dadurch nimmt aber die Strömungsgeschwindigkeit zu. Sie sinke der Marienbrücke wieder ab.

Noch nicht absehbar ist die Situation aus Sicht von Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne). Im Innenstadtbereich seien aufgrund des Hindernisses in der Elbe Veränderungen erforderlich. Was das genau bedeute, werde noch berechnet. Alle Beteiligten würden informiert.

Weil in Tschechien bereits Talsperren geleert werden, soll der Pegel am Freitag langsam ansteigen, so Umweltamtsleiter Herold. Auf etwa vier Meter am Sonntag.

Was hat das Unglück ausgelöst?

Konkret haben die Spannglieder am abgestürzten Brückenzug versagt. Laut Prüfer könnte Korrosion die Ursache dafür sein. "Das Mittelgelenk hat einen frischen Riss und hat völlig versagt. Wir wissen nicht, was zuerst war."

Waren die Vorkehrungen ausreichend?

Grundsätzlich gibt es für solche Ingenieurbauwerke alle sechs Jahre eine Hauptprüfungen – eine Art TÜV, mit Noten für den Zustand – alle drei Jahre eine einfache Prüfung und jährlich eine Sichtprüfung sowie Prüfungen nach außergewöhnlichen Ereignissen wie Hochwasser.

Im Fall der Carolabrücke wurde 2023 zwar ein schlechter Zustand bei der Hauptprüfung attestiert, aber keine Einsturzgefahr, betont Prüfer. Aufgrund des Zustandes wurde aber Anfang dieses Jahres eine Sonderprüfung in Auftrag gegeben. „Hätte es Bedenken wegen der Standfestigkeit gegeben, hätten wir anders reagiert und auch reagieren müssen. Aber man kann in Spannglieder nicht reingucken.“

Weil der Zug noch im besten Zustand aller Teile der Brücke war, habe man vor Sanierungsbeginn entschieden, dass er zuletzt drankommt. „Bei der grundlegenden Sanierung 1996 wurden alle Lager getauscht, es gab einen Chlorid-Entzug und einiges mehr.

Wird die Augustusbrücke geöffnet?

Einen entsprechenden Eilantrag der FDP dazu ließ OB Hilbert nicht behandeln. "Verkehrsrechtliche Anordnungen sind Sache der Verwaltung, der Rat ist nicht zuständig. Aber wir werden das intensiv prüfen." Das habe aber Vor- und Nachteile, die einer Abwägung bedürfen.

Kühn kündigte an, dass eine "Task Force" zur Verkehrsführung in Dresden eingesetzt wird, die kommende Woche startet. "Die Carolabrücke wird längere Zeit nicht zur Verfügung stehen." Man müsse nun genau schauen, wie mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen auf den anderen Brücken umgegangen werden kann, aber auch mit Blick auf die Adventszeit, mit besonders vielen Besuchern in Dresden. "Die Carolabrücke ist als Verkehrsverbindung eine Lebensader für diese Stadt", so Kühn.

Was unternimmt die Weiße Flotte zu ihrem Schutz?

Zwei Tage nach dem Einsturz legten die Dampfer der Weißen Flotte wieder regelmäßig ab. Ab dem heutigen Freitag gilt ein neuer Fahrplan. Demnach sollen regelmäßig Schiffe ab dem Terrassenufer stromabwärts fahren. Ebenso regelmäßig werden Schiffe am Terrassenufer zu Fahrten stromaufwärts ablegen, allerdings an Anlegestellen nahe der Albertbrücke.

Der Brückeneinsturz habe das Fahrgebiet in zwei Teile getrennt, heißt es – in einen Teil in Richtung Pillnitz und Sächsische Schweiz sowie einen in Richtung Radebeul, Meißen und Diesbar-Seußlitz. Mit einem Shuttlebus, der täglich ab 9 Uhr alle 20 Minuten ab dem Georg-Treu-Platz fährt, will die Flotte ihren Kunden den Weg zu den Anlegestellen an der Albertbrücke erleichtern.

Direkt neben der Abfahrtsstelle können auch Tickets gekauft werden.Am Donnerstag entfernten Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen direkt unterhalb der Carolabrücke die Anleger 6 und 7. Sie wurden in den Pieschener Hafen geschleppt. Die Anleger oberhalb der Brücke sollen während des Hochwassers bleiben.

Warum gibt es eine Flugverbotszone rund um die Unglücksstelle?

Unter den zahlreichen Schaulustigen, die sich am Mittwochabend ein eigenes Bild von der Unglücksstelle machten, waren nach Angaben der Stadtverwaltung auch einige Drohnenpiloten. Die Unbekannten hätten im Bereich der Brücke mit eigenen Drohnen die Brücke überflogen. Das könne man nicht zulassen, um die Arbeiten nicht zu gefährden. Daher sei in dem betroffenen Bereich eine Flugverbotszone eingerichtet worden.

Wie ist die Gefahrenlage um die Brücke herum?

Sehr kritisch. Auch die beiden verbleibenden Brückenzüge sind nicht sicher. Das Risiko, sie zu betreten oder gar zu befahren sei noch nicht einschätzbar. Die Gegend ist daher gesperrt.