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Sammer in Dresden über Leistungssport: "Andere haben bessere Strukturen"

Der Dresdner Matthias Sammer ist Ehrengast einer Gesprächsrunde, die "70 Jahre Sportschulen" in seiner Heimatstadt feiert. Das Thema ist ernst, die Meinung deutlich - doch es wird auch gelacht.

Von Tino Meyer
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Matthias Sammer ist Ehrengast bei der Talkrunde, die "70 Jahre Sportschulen in Dresden" feiert. Und er vertritt bekanntermaßen eine klare Meinung.
Matthias Sammer ist Ehrengast bei der Talkrunde, die "70 Jahre Sportschulen in Dresden" feiert. Und er vertritt bekanntermaßen eine klare Meinung. © kairospress

Dresden. Nach einer Woche Feiern, so sagt es die Schulleiterin, muss der Blick nun nach vorn gehen. Mit 70 Jahren Sportschulen in Dresden, die bislang 35 Olympiasiege hervorgebracht haben, soll es schließlich nicht gewesen sein. "Leistungssport in Dresden zwischen Tradition und Gegenwart" heißt deshalb der Titel des Podiumsgesprächs in der Ballsportarena, das sich mit den sportlichen Perspektiven weit über die Stadt hinaus befasst - und prominenter kaum besetzt sein könnte.

Mit Christa Luding-Rothenburger zum Beispiel, die es als eine der ganz Wenigen geschafft hat, sowohl bei Olympischen Winter- als auch Sommerspielen eine Medaille zu gewinnen - und das 1988 sogar binnen weniger Monate. Neben der 64-Jährigen sitzen der einstige Weltklasse-Gewichtheber Marc Huster sowie Tina Punzel, die Olympia-Dritte von 2021 im Wasserspringen.

Den bekanntesten Namen hat indes Matthias Sammer, der als "Ehrengast" angekündigt wird und ebenso Absolvent der Sportschule in seiner Heimatstadt Dresden gewesen ist. "Ich bin ja schon eine Weile weg und freue mich umso mehr, hier zu sein", sagt der ab diesem Donnerstag 57-Jährige, der schon vor Gesprächsbeginn viele Hände zu schütteln hat. "Alles, was ich geworden bin, hat die Grundlage hier in Dresden", betont Sammer.

Wie man ihn als TV-Experte kennt, hält er sich mit einer klaren, unmissverständlichen Meinung nicht zurück. "Ich finde es allein schon traurig, dass wir in einer Sportstadt überhaupt über den Wert des Sports diskutieren müssen. Das erschüttert mich", sagt der gebürtige Dresdner, der seit vielen Jahren in München wohnt. Im Zuge der Wiedervereinigung, erklärt er, ist "vieles Gutes vernichtet und alles über einen Kamm geschert worden".

Das Podium in der Dresdner Ballsportarena ist groß wie prominent besetzt.
Das Podium in der Dresdner Ballsportarena ist groß wie prominent besetzt. © kairospress

Und dann erzählt Sammer die Anekdote aus seiner Zeit von 2006 bis 2012 als Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund. "Ich wollte damals beginnen, eine umfassende Bewegungsschule aufzubauen, die im Kindergarten beginnt", so Sammer. Gescheitert sei das am Veto der Innen- und Kultusminister der Bundesländer, die ihm stellvertretend für seine Sportart vorwarfen, der Fußball würde jetzt schon im Kindergarten die Talente wegschnappen.

Auch dass hierzulande mittlerweile darüber debattiert wird, ähnlich wie bei Olympia-Gastgeber Frankreich in der Schule eine Sportstunde pro Woche einzuführen, hält Sammer für zu wenig: "Das ist ein Witz. Ohne Sport ist alles keine Option." Tosender Beifall in der Arena.

Die Probleme, das macht Dresdens Kanu-Toptrainer Jens Kühn deutlich, sind unverändert: Kaum noch Talente, viel zu wenige Trainer und eine finanzielle Unterstützung, die in Summe millionenschwer sein mag und im Detail dennoch längst nicht ausreichend ist. "Mit Liebe und der Goldmedaille kann ich beim Bäcker nicht bezahlen", ergänzt Sammer - und er zieht den Vergleich zu anderen Nationen wie den Niederländern, die - Olympia in Paris hat es gezeigt - über den Fußball hinaus an Deutschland vorbeigezogen sind. "Sie werden ja nicht anders geboren, sie haben einfach die besseren Strukturen", erklärt Sammer und nimmt den Staat in die Pflicht.

"Erst ganz am Ende der Kette ist der Leistungssport, am Anfang stehen gesundheitliche Aspekte, Werte wie Gemeinsamkeit, Anstand, Respekt und Miteinander", betont Sammer in einer spannenden, informativen wie launigen Runde. Und er verdeutlicht noch einmal die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft: "Wenn der Polizist nicht rennen kann, wird es eng."