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Darum arbeitet Filmstar Martina Gedeck erstmals in der Semperoper

Die populäre Schauspielerin über schöne, lange Proben mit Sängern, sehr kommunikative Dresdner und darüber, welche Rollen sie mittlerweile ablehnt.

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Martina Gedeck sammelte 2019 an der Lindenoper mit einer Sprechrolle erste Musiktheatererfahrungen. Jetzt tut sie es in Dresden an der Semperoper.
Martina Gedeck sammelte 2019 an der Lindenoper mit einer Sprechrolle erste Musiktheatererfahrungen. Jetzt tut sie es in Dresden an der Semperoper. © PR

Sie ist eine der besten und vielseitigsten Schauspielerinnen des Landes: Martina Gedeck. Mit Filmen wie „Bella Martha“, „Das Leben der Anderen“ und „Die Wand“ wurde sie auch international bekannt. Nun probt die 62-Jährige in der Semperoper die Oper „Mefistofele“. Premiere ist am 28. September. Anlass für ein Gespräch über ihre neue Lust an der Musik, warum der Teufel sie nicht verführen könnte und weshalb sie Patin eines Kinderhospizes ist.

Frau Gedeck, wie kommt es, dass Sie in der Semperoper agieren?

Die Regisseurin von „Mefistofele“, Eva-Maria Höckmayr, sprach mich bei einer Premiere an, ob ich Interesse hätte, in dieser Oper mitzuwirken. Und ob, meinte ich, denn die ganze Faust-Geschichte interessiert mich. Außerdem finde ich diese Oper einfach sehr schön. Und auch die Regie-Konzeption fand ich sehr reizvoll.

Die Frau in dem Film "Die Wand" von 2012 ist einer der ganz großen Erfolge von Martina Gedeck.
Die Frau in dem Film "Die Wand" von 2012 ist einer der ganz großen Erfolge von Martina Gedeck. © Alfons Kowatsch/coop99 filmprodu

Sie geben eine erfundene Frauenfigur, die dem Teufel spöttisch Paroli bieten soll. Verkörpern Sie Gott?

Eva-Maria Höckmayrs Ansatz ist, nicht vordergründig den Teufel und Gott auf die Bühne zu bringen, sondern einen Menschen, der im zerstörerischen Prinzip zu Hause ist. Der aus der Zerstörung heraus existiert, darin lebt und auch Zerstörung sät. Und dazu wollte sie eine Gegenkraft, die gegen dieses Zerstörerische arbeitet. Boitos Oper spart Gott in dem Sinne aus, während er ja bei Goethe präsent ist.

Wie spielt man einen positiven Gegenpart zum Teufel?

Nur so viel: Ich bin die ganze Zeit auf der Bühne und agiere auch dort. Meine „Frau“ begegnet Mephisto, begegnet Faust – allerdings stumm. Texte spreche ich in den Aktpausen und teils zur Musik.

Was unterscheidet die Arbeit an einem Opernhaus von der im Schauspiel oder beim Drehen am deutlichsten?

In der Oper gefällt mir der schöne, lange Probenprozess, wo sich etwas sehr in kleinen Schritten aufbaut, bis es schlussendlich auf die Bühne kommt. Ich mag sehr, dass die Künstler mit gelerntem Material auf die Probe kommen und dass auch der Regisseur schon genau weiß, was stattfinden wird. Das ist der große Unterschied zur Schauspielarbeit. Dadurch hat man eine ganz klare Struktur – die natürlich musikalisch gegeben ist. Und dadurch kann die eigene künstlerische Freiheit wirklich zum Blühen kommen, weil man sofort am Wesentlichen arbeiten kann.

Wäre mehr Arbeit in der Oper eine Option für Sie?

Die Lust dazu besteht schon länger. Deshalb habe ich in den vergangenen Jahren vermehrt auch Lesungskonzerte oder Rezitationskonzerte wie den „Sommernachtstraum“ mit Orchester gemacht. Freilich gibt es nicht viele Sprechrollen in Opern. Schade, denn ich empfinde diese Arbeit als große Bereicherung. Allein schon die Energie der Sänger auf der Bühne ist schon was sehr Besonderes.

Würden Sie einem Teufel folgen, der Sie – wie Faust – mit Ungeahntem verführt?

Nein, das wäre mir zu schnelllebig, zu oberflächlich. Diese letztendliche Unzufriedenheit von Faust, der sich nirgendwo aufgehoben fühlt, unglücklich ist, das ist für mich kein lebenswerter Zustand.

Sie leben in Berlin, eine Stadt, die mir nicht lebenswert erscheint – oder?

Meine Familie zog mit mir als Kind von Bayern nach Berlin aus beruflichen Gründen. Ich habe immer die Natur vermisst in Berlin, obwohl Berlin eine der grünsten Städte Europas ist. Aber die richtige Natur, so wie ich sie aus Bayern kannte, die gab es natürlich nicht. Aber ich habe in Berlin eine hervorragende Ausbildung genossen und zwar in vielerlei Hinsicht, nicht nur bezogen auf die Schauspielerei. Ich habe die vielen kulturellen Möglichkeiten nutzen können. Und auch die Qualität der Begegnungen, das Menschliche, was ich dort erlebt habe, hat mich geprägt. Natürlich, die Stadt ist nach der Wende sehr kosmopolitisch geworden. Aber meine Familie und alle Freunde leben in Berlin.

Auch Dresden begeistert Sie, wie das?

Dresden hat natürlich andere Reize. Es ist eine so feine, ausgewogene Stadt, was die Architektur, den Fluss, das Eingefügtsein in die Natur angeht. Und mir gefällt die Konfrontation mit der Geschichte. Wenn man an die großen Dichter und Komponisten denkt, die hier gelebt und gearbeitet haben, das ist ja alles noch architektonisch zu sehen. Die Präsenz dessen, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist, ist hier auch spürbar. Und etwas Bemerkenswertes ist die große Freundlichkeit der Menschen, deren Offenheit und Lust auf Kommunikation. Das kenne ich sonst nur aus Bayern. In Dresden ist keine Gleichgültigkeit zu spüren. Und das finde ich ganz toll.

Zurück zur Schauspielerin. Wie viel geben Sie in Ihren Rollen von sich preis?

Da gibt es mehrere Aspekte. Eine Figur zu kreieren, der Weg dahin, ist ja für mich selbst auch erst mal ein unbekannter Weg. Das heißt, auch ich bin am Suchen und Tasten. Dafür brauche ich eine gewisse Form der Fokussierung. Wenn man das Ganze dann auf die Bühne gebracht hat, kann man darüber reden. Aber vorher würde man diesen Prozess stören, wenn man zu sehr auf eine rationale Ebene geht. Die intuitive Ebene ist sehr, sehr wichtig, damit der Zuschauer in das Mysterium der Geschichte kommen kann. Zugleich geht es ja auch immer darum, das Publikum zu überraschen und Neues oder Ungeahntes zu offerieren. Deswegen glaube ich, ist es ganz gut, wenn nicht alles auf dem Silbertablett liegt, wie man privat ist.