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Verkehrsversuche auf der Dresdner Carolabrücke und an der Kesselsdorfer Straße starten

Der Verkehrsversuch am Blauen Wunder scheiterte. Doch Dresden setzt weiter auf solche Tests, etwa an der Carolabrücke und der Kesselsdorfer Straße. Was sich konkret ändert.

Von Dirk Hein
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Im Rahmen eines Verkehrsversuches bekommt die Carolabrücke in Dresden einen Radweg. Mitte August beginnen dafür erste Arbeiten.
Im Rahmen eines Verkehrsversuches bekommt die Carolabrücke in Dresden einen Radweg. Mitte August beginnen dafür erste Arbeiten. ©  Archiv: Rene Meinig

Dresden. Immer häufiger setzt Dresden auf das - in der Straßenverkehrsordnung zugelassene - Mittel eines temporären Verkehrsversuchs. Unter großem Streit ging das am Blauen Wunder schief. Dort führten temporär Radwege über die Elbquerung. Der Test wurde nach heftigem Widerstand aufgrund langer Staus abgebrochen. Doch Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) hält weiter an Verkehrsversuchen fest: Für diese weiteren Versuche liegen erste Auswertungen vor und diese Tests starten noch im August.

Warum setzt Dresden plötzlich auf Verkehrsversuche?

"Als Verkehrsingenieur sind wir Naturwissenschaftler und ohnehin dem Versuch verpflichtet. Es gibt eine Theorie, ein Ziel und eine Auswertung. Das machen wir seit Jahren so", sagt der Leiter der Verkehrsentwicklung im Rathaus, Frank Fiedler. Aktuell schaue man sich die Staus rund um die Baustellen am Körnerplatz an.

Man beobachte regelmäßig wie sich der Verkehr rund um den Striezelmarkt ändert, habe genaue Analysen wie die Bosch-Ansiedlung sich auf den verkehr ausgewirkt hat. "Der Unterschied bei den Verkehrsversuchen ist, hier schaffen wir den Anlass selbst. Wir spüren, dass die Menschen sensibel reagieren", so Fiedler weiter.

Erstmals gefordert wurden Verkehrsversuche aus dem Stadtrat heraus, im erster Linie von Gegnern der Verkehrspolitik von Stephan Kühn, die durch die Tests Einschnitte für Autofahrer stoppen wollten. Kühn griff dieses Prinzip auf und setzt nun selber offensiv auf solche Tests. "Bestimmte Simulationen neuer Verkehrssituationen reichen nicht aus. Es sind Zahlen und Daten, die können nicht menschliches Verhalten vorhersagen", sagt Kühn.

Der nächste Test: Was passiert jetzt an der Kesselsdorfer?

Zwischen 12. August und 6. Oktober ist an der Kesselsdorfer Straße der nächste Verkehrsversuch geplant. Aktuell finden in dem Bereich schon vorbereitende Arbeiten statt. Stadtauswärts wird zwischen der Reisewitzer Straße und der Rudolf-Renner-Straße ein Radweg entstehen. Im Gegenzug fällt eine Fahrspur weg, Autos und Bahnen teilen sich eine Spur. Zudem wird die Kesselsdorfer Straße zwischen Bünaustraße und Wernerstraße stadtauswärts für den Autoverkehr gesperrt.

Hintergrund für den Verkehrsversuch: Ursprünglich sollte die Kesselsdorfer Straße in diesem Bereich vierspurig ausgebaut werden. Später korrigierte die Stadt die Planungen auf stadtauswärts eine Spur. So können Kurzzeitparkplätze, Bäume und mehr Platz für Fußgänger entstehen. Allerding ist unsicher, ob Autos und Bahnen auf der verbleibenden Spur nicht doch zu lange im Stau stehen. Dies wird nun getestet.

Um Anwohner und Händler ausreichend zu informieren wurden 4.000 Info-Schreiben verteilt, die Verwaltung sprach mit den Händlern vor Ort und verteilte Flyer. Abgebrochen werden soll der Verkehrsversuch, falls ÖPNV und Autos viel zu lange im Stau stehen und es vor Ort zu Unfällen kommt.

Am 12. August startet auf der Kesselsdorfer Straße ein neuer Verkehrsversuch.
Am 12. August startet auf der Kesselsdorfer Straße ein neuer Verkehrsversuch. © Sven Ellger

Was erwartet Autofahrer und Radler an der Carolabrücke?

Vom 2. September bis 31. Dezember fällt auf der Carolabrücke in Richtung Altstadt eine Fahrspur zugunsten eines Radweges weg. Dresden investiert in diesen Verkehrsversuch 200.000 Euro. Insgesamt 700 Meter Radwege inklusive neuer Abbiege-Beziehungen müssen markiert werden. Erste Arbeiten dafür starten am 19. August. Dann ändert sich die Spuraufteilung von der Albertstraße zum Carolaplatz.

Am Wochenende des 24. und 25. Augusts wird der Rechtsabbieger von der Köpckestraße auf die Carolabrücke gesperrt. Die Umleitung führt über die Albertbrücke. Am 1. September, einem Sonntag, wird die Carolabrücke in Richtung Altstadt komplett gesperrt, um den Radweg zu markieren.

Durch den testweisen Radweg über die Brücke entsteht erstmals ein durchgängiger Radweg vom Albertplatz bis zur TU Dresden. Bisher müssen Radler am Carolaplatz die Gleise überqueren, auf einem engen Radweg zusammen mit Fußgängern die Elbe überfahren, um auf Höhe der Synagoge erneut die Gleise zu queren. Weil die Brücke sowohl bei Fußgängern als auch bei Radfahrern sehr beliebt ist, wäre ein so enger Rad und Gehweg wie aktuell gar nicht mehr zulässig.

"Wir müssen uns über einen richtigen Radweg unterhalten - und Platz ist eigentlich nur auf der Brücke", sagt Verkehrsplaner Fiedler. Abbrechen will die Stadt diesen Test nur, wenn es zu häufigen Unfällen kommt, die in erkennbarem Zusammenhang mit dem Versuch stehen.

Wie lief der Test am Terrassenufer in Dresden?

Zwischen Juli und Oktober 2023 hat die Stadt auf dem Terrassenufer testweise die Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer gesenkt. Die Folge: Deutlich mehr Radler nutzten dann den vorhanden Schutzstreifen auf der Straße und fuhren nicht mehr als "Geisterradler" auf dem Gehweg. "Offensichtlich fühlen sich die Menschen bei Tempo 30 sicherer auf der Straße", sagt Bürgermeister Kühn.

Weil aber bei Tempo 30 nicht mehr nur 70 Prozent der Autofahrer, sondern dann sogar 84 Prozent Radler mit weniger als dem erlaubten Sicherheitsabstand von anderthalb Metern überholten, war lange unklar, ob der Verkehrsversuch als Erfolg gewertet werden kann. Mittlerweile hat die Verwaltung entschieden: Weil es bei Tempo 30 zu insgesamt weniger Überholmanövern kommt und weniger Radler auf dem Fußweg unterwegs sind, bleibt es bei Tempo 30.

Tempo 30 wurde am Terrassenufer erst getestet, nun aber dauerhaft eingeführt.
Tempo 30 wurde am Terrassenufer erst getestet, nun aber dauerhaft eingeführt. © René Meinig

Bleibt die Seestraße verkehrsberuhigt?

Die fünf Kilometer lange Fußgängerzone vom Hauptbahnhof bis zum Albertplatz wird nur auf der Seestraße am Altmarkt unterbrochen. Um hier die Aufenthaltsqualität zu verbessern, hat Dresden die Straße seit Juli verkehrsberuhigt. Erlaubt sind nur noch Lieferverkehr und Radfahrer. Neues Grün und Radabstellanlagen wurden geschaffen. Flächen für Außengastronomie wurden vergrößert.

Auch dieser Versuch ist aus Sicht der Stadt ein Erfolg. "Die Sitzgelegenheiten werden gut angenommen. Die Menschen wechseln aber noch nicht wirklich vom Fußweg auf die Straße", sagt Kühn. Ein tatsächlicher dauerhafter Umbau scheint zumindest nicht zeitnah möglich. Bordsteine müssten abgesenkt werden. Bäume haben wegen der vielen Leitungen im Untergrund kaum Platz, wirklich zu wachsen. "Der Versuch wird eher Impuls für eine schrittweise Aufwertung des Quartiers sein", sagt Kühn.

Bürgermeister Stephan Kühn (Grüne) an der neu gestalteten Seestraße.
Bürgermeister Stephan Kühn (Grüne) an der neu gestalteten Seestraße. © René Meinig

Wie geht es in Altcotta weiter?

Seit April testet die Stadt am Flügelweg in Altcotta eine neue Verkehrsführung. Zwischen der südlichen Tunnelausfahrt und der Raimundstraße in Altcotta hat die Verwaltung eine der beiden Fahrstreifen in Richtung Cotta zur Umweltspur umgestaltet. Die Trasse darf nur noch durch Busse und Radfahrer genutzt werden. Ziel des Verkehrsversuchs ist die Beschleunigung des Busverkehrs.

Am Dresdner Flügelweg hat die Stadt eine der beiden Fahrstreifen in Richtung Cotta zur Umweltspur umgestaltet
Am Dresdner Flügelweg hat die Stadt eine der beiden Fahrstreifen in Richtung Cotta zur Umweltspur umgestaltet © Christian Juppe

Der Versuch läuft noch bis 20. Oktober. Aus Sicht von DVB und Rathaus hat auch dieser Test sich bewährt. Busse sind nun ungefähr eine Minute schneller. Der ebenfalls entstandene Radweg wird von 1.500 Radlern pro Tag benutzt. Weil die Spuren im Bereich der Ampelkreuzung in Altcotta unverändert blieben, kommen dort so viele Autos pro Ampelphase über die Kreuzung wie vorher. Ob aus dem Test eine dauerhafte Regel wird, will Kühn zusammen mit dem neun Stadtrat entscheiden.