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Teileinsturz der Dresdner Carolabrücke: "Dass hier alle im Amt bleiben, das wird so nicht klappen"

Sind im Dresdner Rathaus rund um die Carolabrücke die falschen Prioritäten gesetzt worden? Wurde falsch geprüft? Wie zwei Stadtratsfraktionen jetzt Druck auf die Verwaltung ausüben wollen.

Von Dirk Hein
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Der Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden könnte einen Untersuchungsausschuss im Rathaus zur Folge haben.
Der Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden könnte einen Untersuchungsausschuss im Rathaus zur Folge haben. © René Meinig, dpa/Robert Michael

Dresden. Der Teileinsturz der Carolabrücke stellt eine Zäsur in Dresden dar: Eine Brücke, die zwar kurz vor einer seit langem geplanten Sanierung stand, aber aus Sicht der verantwortlichen Ingenieure nicht einsturzgefährdet war, versagte innerhalb von Sekundenbruchteilen. Während die Stadt das akute Krisenmanagement sehr gut leistet, wird bei der Suche nach den Verantwortlichkeiten für das Unglück vermeintlich auf die Bremse getreten. Eine ungewöhnliche Allianz im Stadtrat will das ändern.

Informationsverlangen, Anhörung, U-Ausschuss

"Im Land der Ingenieure stürzen die Brücken ein. Der Einsturz der Carolabrücke hat weltweite Resonanz erfahren. Der Schaden für die Stadt, für das Image des ganzen Landes ist schon da", sagt AfD-Fraktionschef Thomas Ladzinski. Seine Fraktion habe zusammen mit anderen Fraktionen in der vergangenen Stadtratssitzung versucht, dazu Antworten von der Rathausspitze zu bekommen. "Es wurde mit viel Prosa ausgewichen, wir vermuten, dass dies im Bauausschuss und ganz generell aus Sicht der Verwaltung so weitergehen soll", sagt Holger Zastrow (Team Zastrow).

Die beiden Fraktionen haben sich bei der Suche nach den Verantwortlichen im Rathaus für das Brückendesaster zusammengeschlossen und am Dienstag über das geplante Vorgehen in einer gemeinsamen Pressekonferenz informiert. Der Plan: Ein Zehntel der Stadträte, also in Dresden mindestens sieben Rätinnen und Räte, können laut Gemeindeordnung ein Informationsverlangen an den Oberbürgermeister richten. Die beiden Fraktionen haben 19 umfangreiche Fragen aufgeschrieben, die nun gemeinsam an OB Dirk Hilbert (FDP) übergeben wurden.

Welche Frist der Verwaltung gestellt wurde

Zastrow will der Verwaltung nur wenig Zeit geben, um darauf zu antworten. Im Bauausschuss am Mittwoch sollen die Verantwortlichen im Rathaus auf viele der Fragen zumindest erste Antworten geben. Beide Fraktionen wollen dabei erreichen, dass der Ausschuss entgegen der Regel öffentlich tagt. "Es darf keine weiteren Ausreden geben", sagt Zastrow.

Sollte die Stadt nicht ausreichend antworten, wollen AfD und Team Zastrow eine öffentliche Anhörung beantragen. Auch ein zeitweiliger Ausschuss, eine Art Untersuchungsausschuss, könnte einberufen werden. Dem muss jedoch eine Mehrheit des Rates zustimmen.

Der bisher letzte sogenannte zeitweilige Ausschuss tagte zum teilweise giftbelasteten Technischen Rathaus an der Hamburger Straße vor vielen Jahren.

Diese Fragen soll der OB jetzt beantworten

Eigentlich stellen Stadträte kleinere Anfragen an die Verwaltung. Diese dürfen aber nur einen eng umrissenen Gegenstand als Grundlage haben. Die Stadt hat dann vier Wochen Zeit, darauf zu antworten. Bei einem Informationsverlangen kann wesentlich umfangreicher gefragt werden. OB Hilbert entscheidet jedoch selbst, wann er wie umfangreich antwortet. Auch daher drohen die öffentliche Anhörung und der U-Ausschuss weiterhin.

Konkret wollen beide Fraktionen zum Beispiel wissen, ob im Rahmen von Sonderprüfungen Verfahren angewendet wurden, die zerstörungsfrei Spannbetonbrücken auf mögliche Schäden untersuchen können. Die Stadt teilte bisher mit, dass solche Verfahren an der Brücke zwar in Betracht gezogen wurden, aber nicht angewendet werden konnten.

"Nahezu alles kann geprüft werden, Spannbetonbrücken können nicht dem Zufall unterliegen, ob sie einstürzen. Es gibt daher besondere Prüfverfahren für Spannbetonbrücken", meint Ladzinski.

Weiterhin gefragt wurde, ob ein plötzliches Versagen der bereits sanierten Brückenteile A und B ausgeschlossen werden kann. Prüfprotokolle der Brücken sollen eingesehen werden, es wird die Frage gestellt, inwieweit der Teileinsturz der Carolabrücke jetzt zu Sonderprüfungen an anderen Brückenbauwerken führen wird.

Viele der Fragen hat auch Sächsische.de der Stadt gestellt. Die Verwaltung hat in diesem Zusammenhang auf eine weitere Pressekonferenz verwiesen, die für Mittwoch geplant ist.

"Ein Aussitzen wird in diesem Fall nicht funktionieren"

Aus Sicht von Holger Zastrow erscheint es momentan so, dass sich die Verwaltung nicht an die geltenden Regelwerke für Brückenprüfungen gehalten hat. Ob dies wirklich so ist, soll schnellstmöglich aufgeklärt werden. "Ich habe die Sorge, dass wir bei einigen Brücken in unserer Stadt in der Hand des Zufalls sind." Derzeit vertraue er der Verwaltung nicht mehr. "Ein Aussitzen wird in diesem Fall nicht funktionieren." Zastrow fordert daher Konsequenzen: "Es schleicht sich der Eindruck ein, die Verantwortlichen im Rathaus können machen, was sie wollen, und bleiben dennoch im Amt. Das wird in diesem Fall nicht klappen."

Konkrete Rücktrittsforderungen vermieden am Dienstag jedoch sowohl Holger Zastrow als auch Thomas Ladzinski: "Wir müssen jetzt Aufklärung betreiben, daraus erschließt sich dann, wer verantwortlich ist."

Zusammenarbeit statt Brandmauer

Erstmals überhaupt hat im Dresdner Stadtrat eine Fraktionen eine gemeinsame Pressekonferenz mit der AfD organisiert. "Es geht hier um die Sache, nicht um ideologische Scheuklappen. In diesem Punkt eine Brandmauer zur AfD hochzuziehen, dies geht sehr weit an der Bevölkerung vorbei", erklärte Holger Zastrow dazu.

Hinzu kommt, zumindest aus der Sicht von Team Zastrow, dass die sechs Räte in dieser kleineren Fraktion nicht ausreichen, um selbst ein Informationsverlangen an den OB zu richten. Die AfD, seit der vergangenen Kommunalwahl mit Abstand stärkste Fraktion im Stadtrat, hätte die Anfragen auch aus eigener Kraft heraus stellen können. Dennoch sagt Holger Zastrow: "Die Idee dazu kam von der AfD. Wir wurden angefragt, haben uns kurz abgestimmt und dann gesagt - einfach machen."