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Buga, Fernsehturm, Rathaus-Party: Was in Dresden nach dem Einsturz der Carolabrücke auf dem Prüfstand steht

In der Dresdner Stadtkasse fehlen weit über 100 Millionen Euro. Daher soll ohnehin drastisch gespart werden. Welche Projekte neu auf der Kippe stehen, um den Bau der Carolabrücke zu finanzieren.

Von Dirk Hein
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Die zum Teil eingestürzte Carolabrücke verschärft die Geldnot der Stadt. Wo gespart werden soll, ist jedoch offen.
Die zum Teil eingestürzte Carolabrücke verschärft die Geldnot der Stadt. Wo gespart werden soll, ist jedoch offen. © dpa/Robert Michael

Dresden. In den Kassen der Stadt werden Ende des Jahres 45 Millionen Euro fehlen. Das erste Mal seit vielen Jahren geht Dresden mit erheblichen Finanzlücken ins Folgejahr - und dort sieht es kaum besser aus. 2025 werden etwa 70 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen, 2026 sind es wohl über 80 Millionen Euro, die fehlen. OB Dirk Hilbert (FDP) hat daher extreme Sparvorschläge diskutieren lassen. Jetzt könnten der Stadt weitere 100 Millionen Euro fehlen, falls die Carolabrücke komplett neu aufgebaut werden muss. Wie die Stadt damit umgeht.

Welche Sparvorschläge gibt es bereits?

In einer geheimen Hintergrundrunde hatte OB Dirk Hilbert zunächst nur CDU, Grüne, SPD und FDP/Freie Bürger zu Gesprächen eingeladen. Zusammen hätte diese Haushaltskoalition jedoch keine Mehrheit.

In dieser Runde wurden die Sparvorschläge der einzelnen Bürgermeister vorgestellt, also quasi deren Maximalvarianten, wenn tatsächlich so extrem gespart werden soll wie bisher befürchtet wird. Diese Runde fand jedoch statt, als die Carolabrücke noch nicht eingestürzt war.

Eingeplant in die Haushaltsüberlegungen war bereits damals eine viel geringere Absenkung der Grundsteuer, als ursprünglich geplant. Allein dadurch könnten knapp 40 Millionen Euro pro Jahr mehr eingenommen werden. Zudem könnten die Parkgebühren erneut steigen. Statt 2,40 Euro würden dann 3,00 Euro pro Stunde in der teuersten Zone fällig.

Um Geld zu sparen, soll das Elbamare-Freizeitbad nicht länger angemietet werden, sowohl das neue Sachsenbad als auch die neue Schwimmhalle in Klotzsche würden (vorerst) nicht gebaut. Mehrere Schulneubauten stehen auf der Streichliste, bei der Kultur und im Sozialen soll gespart werden.

Wer stellt jetzt Buga und Fernsehturm zur Debatte?

Vor dem Hintergrund steigender Kosten stellen die Dresdner Grünen jetzt sowohl ohnehin missliebige Projekte als auch eigentlich mit Wohlwollen betrachtete Großinvestitionen infrage. "Schon vor dem nicht vorhersehbaren Einsturz der Carolabrücke drohten für die Dresdnerinnen und Dresdner spürbare Einschnitte. Diese Situation hat sich mit dem nötigen Abriss und Ersatz der Carolabrücke noch einmal massiv verschärft", sagt der Sprecher der Dresdner Grünen, Klemens Schneider.

Seine Partei stelle daher infrage, "ob sich Dresden jetzt noch eine Bundesgartenschau oder den Umbau des Fernsehturms leisten sollte. Der Erhalt unserer technischen und sozialen Infrastruktur und die Vorsorge vor erwartbaren zukünftigen Krisen wie Hitzesommern und Starkregen müssen jetzt im Vordergrund stehen."

Auch die Dresdner Stadträtin und ebenfalls Sprecherin der Grünen, Susanne Krause, kritisiert die für 2033 geplante Bundesgartenschau (Buga) in Dresden: "Eine Buga light, die womöglich genau die Projektbestandteile unter den Tisch fallen lässt, die einen wirklichen langfristigen Nutzen für unsere Stadt hätten, kann Dresden sich erst recht nicht leisten. Wir brauchen Bäume in jeder Straße, renaturierte Gewässer und eintrittsfreien Hitze- und Hochwasserschutz für alle."

Wer fordert jetzt ein Ende der Dresdner Schuldenfreiheit?

Aus Sicht der Dresdner Linke ist der Dresdner Haushalt schon lange nicht mehr frei von momentan noch verdeckten Schulden. So wird beispielsweise das neue Verwaltungszentrum am Dr.-Külz-Ring durch die städtische Tochter KID gebaut. Das ist die kommunale Immobiliengesellschaft, die bereits den Kulturpalast sanieren und das Kulturkraftwerk Mitte errichten ließ. Das Unternehmen erhielt eine Bürgschaft der Stadt in Höhe von 116 Millionen Euro, um einen Kredit aufnehmen zu können.

Aus Sicht von Tilo Kießling (Linke) sind Kreditfinanzierung auch für andere Dresdner Investitionen denkbar. Zum Verzicht auf einzelne Projekte will sich der Stadtrat jedoch nicht äußern. "Die Haushaltsprobleme der Stadt sind zu groß, um mit wilden Spekulationen um sich zu werfen. Wir konzentrieren uns darauf, dass diese Probleme nicht bei den einfachen Leuten abgeladen werden. Kürzungen im sozialen Bereich gehen gar nicht."

Sparen wollen die Linken hingegen bei den aus ihrer Sicht überteuerten "Rathaus-Partys" von OB Hilbert. "In der aktuellen Situation wäre eine solche Party völlig unpassend und unangemessen", sagt der Fraktionsvorsitzende der Linke, André Schollbach.

Wo könnte noch gespart werden?

Laut AfD-Fraktionschef Thomas Ladzinski habe OB Hilbert auch mit seiner Fraktion - ergebnislose - Gespräche zum Haushalt für die beiden Folgejahre geführt. "Wir haben unsere rote Linie deutlich gemacht, es darf keine Mehrbelastungen für die Bürger geben", sagt Ladzinski. Seine Fraktion lehne jegliche Erhöhung von Steuern, Gebühren und Abgaben ab. Gespart werden könne hingegen bei freiwilligen Leistungen für Geflüchtete.

Einsparpotenzial sieht die Fraktion bei der geplanten Sanierung der Robotron-Kantine, nicht jedoch bei der Revitalisierung des Fernsehturms. "Das städtische Geld fließt dabei zumeist in die Sanierung von Verkehrsinfrastruktur. Wie wichtig das ist, zeigt die Carolabrücke", so Ladzinski weiter. Die Fraktion stehe zum Verschuldungsverbot der Stadt. Wenn Geld für die Carolabrücke gebraucht würde, müsste dies durch Umschichtungen im Haushalt erfolgen.

Wer kritisiert "unkoordiniertes Handeln" im Rathaus?

CDU-Fraktionschefin Heike Ahnert erwartet sich zuerst ein Gesamtbild der geplanten Einnahmen und Ausgaben. "Nur anhand von Einzelpositionen oder Schlagworten ist das nicht möglich. Wir erwarten deshalb, dass der Oberbürgermeister jetzt schnellstmöglich den Verwaltungsentwurf des kommenden Haushalts vorlegt. Das war ursprünglich bereits für August geplant."

Wenn der Haushalt vorliegt, "werden wir alle Projekte und Investitionen kritisch hinterfragen – das war angesichts des Haushaltsdesasters schon vor dem Einsturz der Carolabrücke klar", so Frau Ahnert weiter.

Sehr kritisch sieht die CDU aktuelle Vorlagen mit offenen oder versteckten Kostentreibern. "Seit Monaten diskutiert die Verwaltung intern über eigentlich zwingende Investitionen, die nicht finanziert werden können. Gleichzeitig legt man uns Brunnenpläne vor dem Stadtforum, 100-Prozent Grünstrom für die gesamte Stadtverwaltung inklusive Schulen und Kitas ab 2025, neue Planungswerkstätten und vieles mehr auf den Ratstisch. Das erscheint mir völlig unkoordiniert. Das machen wir nicht mit."