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So war das Konzert von Paolo Nutini in Dresden

Sänger Paolo Nutini hinterlässt in Dresden ein emotionales Wellental – mit einer Stimme, die eine Band beinahe überflüssig macht.

Von Tom Vörös
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Der Sound stimmt: Paolo Nutini.
Der Sound stimmt: Paolo Nutini. © dpa/Gian Ehrenzeller

Eigentlich hätte der Mann längst ins Imbiss-Geschäft seiner Familie einsteigen sollen, so der elterliche Plan. Inzwischen serviert der 37-jährige Paolo Nutini seit über 20 Jahren musikalische Leckereien in aller Welt – mit einer Soulstimme, die ihn schon zu Beginn seiner Karriere ins Vorprogramm der legendären Amy Winehouse brachte.

Absolut kein Wunder, so stellt man mit Freude bei seiner Dresdner Konzert-Premiere fest. Auf dem Open-Air-Gelände des Liveclubs Tante Ju hebt die einzigartige Stimme des Italo-Schotten gleich zu Beginn ab.

Und man spürt gleich: Dieser Paolo Nutini im weißen T-Shirt hat sich mit seiner Band längst emanzipiert von seiner anfänglichen Rolle als lockerleichter Soul-Schmusebarde, der vor allem die Herzen der holden Weiblichkeit gewinnt.

Zwischen Lagerfeuer-Stimmung und Freiluft-Disko

Die Musik des aktuellen Albums klingt viel experimenteller, reifer und instrumental dichter als seine frühen Singer-/Songwriter-Nummern. Die Zeiten der Lagerfeuer-Sommerhits von „New Shoes“ bis „Candy“ scheinen mit diesen Genre-Spielereien und teils bombastischem Indierock gezählt. Bei außerordentlich gutem Sound kommt das ebenso gut gefüllte Areal in den Genuss eines wahren Klangrausches, erzeugt von diversen Synthesizern. Auch wenn nicht alle neueren Song-Gebilde überzeugen, so etabliert sich der neue Crossover-Nutini vor allem als ein interessantes, an echter Kreativität interessiertes Musikwesen. Lieder wie „Acid Eyes“ und vor allem „Through The Echoes“ entlocken einigen Damen im Publikum euphorische Zwischenrufe.

Die vertextete Liebe in den Liedern ist auf jeden Fall geblieben. Und mit „Petrified In Love“ liefert Nutini gar eine 60er-Jahre-Pop-Nummer zum Kaugummikauen im Cadillac.

Aber, und trotz des vielschichtigen neuen Musikweges: Paolo Nutini klingt immer dann am besten, wenn die Musik leiser gespielt wird oder gar komplett verstummt. Denn nur so erlebt man den seelenvollen Facettenreichtum einer Stimme, die sich vor Ikonen wie Ray Charles & Co. verneigt. Und dann bringt Nutini doch noch die Songs, die ihn bereits als Mittzwanziger so gereift klingen ließen. Ein bis zwei Akustikgitarren plus Stimme und man ahnt: Genau dieser Minimalismus würde auch für einen ganzen Abend reichen. Mit „Coming Up Easy“ und „Candy“ verteilt Nutini nun jene Süßigkeiten, an denen sich längst nicht nur die Frauen laben. Der Mann ist eben doch ein geborener Imbissverkäufer für unsichtbaren Süßstoff. Andere Ohrwürmer wie „Jenny Don’t Be Hasty“ und „New Shoes“ schickt der Sänger allerdings wieder als kleines Klanggewitter durch die Boxen.

Und gegen Ende des zweistündigen Konzerts schaut seine Band tatenlos dabei zu, wie ihr Sänger über elektronische Beats singt und das Konzert so zur Freiluft-Disko umfunktioniert. Dabei tänzeln er und sein glückliches Publikum gefühlt bis in den Sonnenaufgang. Der Mann fühlt sich offenbar wohl in Dresden. Hoffentlich muss die Stadt nicht wieder 20 Jahre warten, bevor der virtuose Schotte wieder mit neuen akustischen Häppchen anreist.