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Dresdens Blaues Wunder: Noch ein Sorgenkind unter den Brücken

Alles scheint sich derzeit um die eingestürzte Carolabrücke zu drehen. Doch welche Geschichte haben die anderen Elbbrücken und wie ist ihr Zustand? Teil 1: Ein Blick auf das Blaue Wunder.

Von Peter Hilbert
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Das Blaue Wunder in der blauen Stunde nach Sonnenuntergang. Seit November 2011 erstrahlt die Stahlkonstruktion nachts in neuem Glanz. 60 LED-Strahler sorgen dafür, dass die Loschwitzer Brücke dezent beleuchtet wird.
Das Blaue Wunder in der blauen Stunde nach Sonnenuntergang. Seit November 2011 erstrahlt die Stahlkonstruktion nachts in neuem Glanz. 60 LED-Strahler sorgen dafür, dass die Loschwitzer Brücke dezent beleuchtet wird. © Peter Hilbert

Dresden. Die Loschwitzer Brücke hat als Blaues Wunder Berühmtheit erlangt. Die markante, 280 Meter lange Stahlkonstruktion gehört heute zu den Wahrzeichen der sächsischen Landeshauptstadt. Sie wurde als fünfte Dresdner Elbebrücke errichtet. Mittlerweile ist eine weitere Sanierung dringend nötig.

Die Vorgeschichte: Erste Anläufe scheitern

Im 19. Jahrhundert war es schwierig, von Loschwitz über die Elbe nach Blasewitz zu kommen. Beide Orte waren damals noch selbstständige Gemeinden. Kähne oder Fähren waren die einzige direkte Möglichkeit, die Elbe zu überqueren. Zwar wurde 1862 eine auf der Blasewitzer Werft unweit des heutigen Blauen Wunders gebaute Dampffähre in Betrieb genommen. Doch oft unterbrachen Hochwasser oder winterlicher Eisgang den Schiffs- oder Fährverkehr.

Nach mehreren Anläufen zum Brückenbau sollen 1883 der Loschwitzer Ortsverein und auch der Gemeinderat 1883 eine Petition zum Brückenbau zwischen beiden Dörfern an das Königlich-Sächsische Finanzministerium verfasst haben. Daraufhin wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben.

Die Konstruktion: Spezielle Bleche sollen Schwingungen bremsen

Am 15. Oktober 1884 bewilligte der Landtag eine Staatsbeihilfe von 400.000 Mark. Letztlich bildete sich im September 1886 ein Brückenverband, der das Projekt vorantreiben sollte. Das sächsische Eisenwerk Königin-Marien-Marienhütte aus Cainsdorf bei Zwickau stellte über die bereits eingegangenen Entwürfe einen weiteren Entwurf vor. Dabei arbeitete sie mit Professor Claus Köpcke zusammen, der nach seiner Lehrtätigkeit an der Polytechnischen Schule im Sächsischen Finanzministerium tätig war. Er entwarf eine versteifte Hängebrücke, die alle Bedingungen erfüllte.

Bis 1935 sah die Brücke so aus. Die Fußwege verliefen direkt neben der Straße.
Bis 1935 sah die Brücke so aus. Die Fußwege verliefen direkt neben der Straße. © Sammlung Holger Naumann

Die Stromöffnung hatte eine Spannweite von knapp 147 Metern, die beiden Seitenöffnungen von jeweils rund 62 Metern. Insgesamt sah der Entwurf eine Brückenlänge von 280 Metern vor. Vorgesehen war eine 3.000 Tonnen schwere Stahlkonstruktion. Diesen Entwurf reichte der Brückenverband 1887 in einer Petition beim Sächsischen Landtag ein. So wurde gebaut.

Der Bau: Stahl kommt auf Lastkähnen

Die Arbeiten fingen am 28. April 1891 mit dem Aushub der Baugruben für die Ankerkammern an. Schon im September 1891 waren die Bauleute so weit vorangekommen, dass die Verankerungskonstruktion aufgestellt werden konnte. Der Loschwitzer Anker war bereits im Februar 1892, der Blasewitzer einen Monat später fertiggestellt. Parallel dazu wurden bis Ende 1891 die Pfeiler errichtet.

Im Mai 1892 konnte die Montage der Stahlkonstruktion beginnen. Binnen neun Monaten stand sie und war bereits mit der markanten blauen Farbe gestrichen. Zudem waren die Brückengelenke funktionsfähig geschlossen. Nach gut zweijähriger Bauzeit kam am 11. Juli 1893 der Härtetest mit einer damals üblichen Belastungsprobe. Schwere Fahrzeuge rollten auf die Brücke, unter anderem Dampfwalzen sowie schwer beladene Straßenbahnwaggons und Fuhrwerke. Damit war die Brücke gleichmäßig verteilt mit 3.150 Zentnern belastet. Nennenswerte Verformungen stellten die beauftragten Vermessungsingenieure nicht fest.

Um auch die dynamische Belastung zu testen, ließ man eine Kompanie mit etwa hundert Soldaten im Parade-Gleichschritt übers Blaue Wunder marschieren. Diesen Test bestand das Bauwerk ebenfalls problemlos. Nach gut zweijähriger Bauzeit wurde die "König-Albert-Brücke" am 15. Juli 1893 eingeweiht. Ihr Bau hatte rund 2,25 Millionen Mark gekostet. Schnell bürgte sich jedoch der Name Blaues Wunder im Volksmund ein.

Die Verbreiterung: Neue Fußwege auf beiden Brückenseiten

Allerdings war die nur sieben Meter schmale Fahrbahn für den erst allmählich, später rasch zunehmenden Straßenverkehr zu schmal. 1934 wurde beschlossen, das Blaue Wunder zu verbreitern. Am 18. März 1935 begannen die Arbeiten, die noch in dem Jahr abgeschlossen wurden.

Durch die neuen Fußwege war es möglich, die Fahrbahn um über drei Meter auf 10,20 Meter zu verbreitern. In dem Zuge konnten die Straßenbahngleise zur Fahrbahnmitte verlegt werden. Insgesamt wurden für die Konsolen und zur Brückenverstärkung rund 340 Tonnen Stahl eingebaut und dabei 11.000 Meter lange Schweißnähte gezogen.

Zwischen 1956 und 1959 erhielt das Blaue Wunder eine stabile Fahrbahnkonstruktion. Dabei handelte es sich um eine sogenannte orthotrope Platte aus Feinblech, die an der Unterseite versteift wurde. Darüber konnte dann die Straße bis hin zum Gussasphalt auf
Zwischen 1956 und 1959 erhielt das Blaue Wunder eine stabile Fahrbahnkonstruktion. Dabei handelte es sich um eine sogenannte orthotrope Platte aus Feinblech, die an der Unterseite versteift wurde. Darüber konnte dann die Straße bis hin zum Gussasphalt auf © Archiv Straßen- und Tiefbauamt Dresden

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Blaue Wunder nicht beschädigt. Von 1956 bis 1959 erhielt die Brücke beim großen Umbau eine stabile Fahrbahnkonstruktion.

Die Sanierung: Streit verzögert weitere Arbeiten

Von 2022 bis März 2023 war das 280 Meter lange Mittelteil des Blauen Wunders saniert worden. Eigentlich sollten die Arbeiten auf der Blasewitzer Brückenseite im Juni 2023 fortgesetzt werden. Doch das hat ein juristischer Streit um die Auftragsvergabe verhindert, sodass die Stadt im Januar das Verfahren um den bereits vergebenen Auftrag wieder aufgehoben hat. Der Erstplatzierte war vors Oberlandesgericht (OLG) gezogen. Die mündliche Verhandlung war am 2. Mai. Das Verfahren ist beendet, da die Firma ihren Beschwerdeantrag zurückgezogen hat.

Gesperrt werden musste das Blaue Wunder bei der Jahrhundertflut 2002, aber auch wie auf diesem Foto zu sehen bei der Juniflut 2013.
Gesperrt werden musste das Blaue Wunder bei der Jahrhundertflut 2002, aber auch wie auf diesem Foto zu sehen bei der Juniflut 2013. © Peter Hilbert

Der Nachprüfungsantrag einer am Vergabeverfahren beteiligten Firma wurde zurückgewiesen, hatte die Landesdirektion Sachsen (LDS) mitgeteilt. Über das zweite Nachprüfungsverfahren muss sie jetzt noch entscheiden.

Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) hofft, dass die Arbeiten im Frühsommer 2025 beginnen können. Die Fördermittel von 13 Millionen Euro stehen noch zur Verfügung. Die umfassende Sanierung ist dringend nötig, macht Brücken-Abteilungsleiter Holger Kalbe vom Straßenbauamt deutlich.

Von der vorletzten Prüfung 2018 bis zur jüngsten Hauptprüfung ist die Bewertung von "nicht ausreichend" (3,0-3,4) auf "ungenügend" (3,5-4,0) abgesackt. Das ist die schlechteste Zustandsnote auf der bis 4 reichenden Skala.