Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Dresden

Warten aufs Hochwasser - Dresden zwischen Schaulust und Flutschutzstress

Am Wochenende bietet Dresden ein bizarres Bild: Großevents hier, Hochwasser und Brückentourismus da. Unterdessen Flutschutzbau unter Hochdruck.

Von Nadja Laske
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jens Bauermeister hat sich die Regenjacke übers dicke Fell gezogen. Obwohl der Einsatz der beiden Kräne fünfstellig zu Buche schlägt, behält der Betreiber des Fährgartens seine gute Laune.
Jens Bauermeister hat sich die Regenjacke übers dicke Fell gezogen. Obwohl der Einsatz der beiden Kräne fünfstellig zu Buche schlägt, behält der Betreiber des Fährgartens seine gute Laune. © Sven Ellger

Dresden. Seltsam gespaltene Stadt: Während am Wochenende Gastronomen im Stadtzentrum eilig ihre elbnahen Lokale sichern, bauen Sportveranstalter Hunderte Meter Absperrzäune, Versorgungszelte, Fressbuden und Werbestände in Reichweite zur immer näher rückenden Wasserkante auf. Mit geräderten Ski an den Füßen sausen die Athleten ihre Bahn entlang. Oldtimer tuckern durch die Straßen, derweil setzen Techniker im Auftrag des Radeberger Spezialausschanks eine Flutschutzwand vorm Lokal zusammen.

Eiliges Räumen entlang der Elbe

Von Hochwasserwarnstufe 1 bis zur Stufe 2 soll die Elbe im Laufe des Sonntages klettern. Das bedeutet, fünf Meter würde die nahende Flut erreichen.

Die Pegelanzeige auf dem Theaterkahn zeigt am frühen Sonntagnachmittag 4,66 Meter an.
Die Pegelanzeige auf dem Theaterkahn zeigt am frühen Sonntagnachmittag 4,66 Meter an. © Sven Ellger

Schon am Samstag hatte Clemens Lutz begonnen, mit einer Truppe Freiwilliger aus Freunden und Bekannten die hölzernen Bar-Elemente am Basteischlösschen und das Biergartenequipment am Theaterkahn wegzuräumen. Dort war über den Sommer das Surf & Turf-Büdchen für Dresdner und Touristen zum Anziehungspunkt und für den Betreiber des Kobalt Club Royal nebenan zur ersten Einnahmequelle vor Übernahme des Restaurants Kahnaletto geworden.

Clemens Lutz muss sein Biergartenmobiliar am Theaterkahn zum Italienischen Dörfchen räumen.
Clemens Lutz muss sein Biergartenmobiliar am Theaterkahn zum Italienischen Dörfchen räumen. © Sven Ellger

Welch stürmische Wogen dazugehören werden, wenn Clemens Lutz künftig sein neues schwimmendes Lokal betreibt, erfährt er dieser Tage hautnah. "Freitagnacht haben wir mit unseren Bars die Gäste des Schwoofs im Albertinum versorgt. Die Party ging bis morgens", erzählt er. Deshalb habe er sein Team erst einmal ausschlafen lassen und sich mit Freunden an die Arbeit gemacht.

"Wir bringen die Stühle und Tische auf die Terrasse des Italienischen Dörfchens, das ich in der kalten Jahreszeit mit einem Winterdorf bespielen werde." Für den frühen Samstagnachmittag hat der Gastronom einen Kran geordert, der die Gastro-Bude direkt am Kai anhebt, auf einen Sattelschlepper lädt und in Sicherheit bringt.

Ohne riesige Kräne kommt in solch kritischen Zeiten auch Jens Bauermeister nicht weiter. Der Betreiber des Fährgartens Johannstadt hat die Auflage, sein Areal direkt am Elberadweg zu räumen, bis die Elbe eine Höhe von 5,50 Metern erreicht hat. Am Sonntag sorgen seine orangefarbenen Kraftprotze für Aufsehen. Einer steht am Biergarten und setzt die Gastrocontainer inklusive Küche und Ausschank auf einen Tieflader.

Hochwasser-Schilder mahnen entlang des Terrassenufers Vorsicht vor der nahenden Flut an.
Hochwasser-Schilder mahnen entlang des Terrassenufers Vorsicht vor der nahenden Flut an. © Sven Ellger

Weiter oben am Käthe-Kollwitz-Ufer hebt ein weiterer Kran die mobilen Häuschen wieder herunter und parkt sie auf provisorischen Fundamenten aus Holz im Gras. "Hey, wann ist Fassanstich?", ruft ein Schaulustiger und Umstehende lachen. Selbst Jens Bauermeister hat bewundernswert gute Laune. So oft schon hat er die Elbe kommen und gehen gesehen. Er ist Leid gewöhnt.

Stillleben mit Polizeiwagen: An der zerstörten Carolabrücke kehrt eine bizarre Ruhe vor der Flut ein.
Stillleben mit Polizeiwagen: An der zerstörten Carolabrücke kehrt eine bizarre Ruhe vor der Flut ein. © Sven Ellger

"Wie hoch steht die Elbe im Moment?", fragt er. Da meldet das Umweltamt rund viereinhalb Meter. Für ihn ist damit noch ausreichend Luft nach oben. Ein Meter sozusagen. Doch länger zu warten, macht für ihn keinen Sinn. "Ich will es erledigt haben", erklärt er. Sehr unwahrscheinlich, dass der Einsatz im fünfstelligen Eurobereich am Ende unnötig sein wird. Mit sieben Metern Elbpegel rechnen Experten in den nächsten Tagen.

Elbaufwärts am Schillerplatz interessiert das am Sonntagnachmittag noch niemanden. Dort schwenkt der Koch die Pommes im Sieb und Bratwürste dampfen auf dem Grill. Man trinkt Aperol Spritz und Bier, während das Wasser am Radweg unterhalb des Blauen Wunders züngelt und ihn schon mittags überspült.

Die Feuerwehr errichtet am Sonntagabend am Laubegaster Ufer einen Sandsackwall.
Die Feuerwehr errichtet am Sonntagabend am Laubegaster Ufer einen Sandsackwall. © Nadja Laske

Ruhig ist es bis zum frühen Abend auch in Laubegast. Von Sandsäcken noch keine Spur. Doch die Elbauen machen sich langsam dünne. Sie verschwinden in den Wellen, die ungut an die schweren Flutjahre 2002 und 2013 erinnern. Um sieben lädt die Feuerwehr am Laubegaster Ufer, direkt neben der Bäckerei Simank doch Sandsäcke ab. Die Kameraden machen sich ans Werk. Eine Stunde später steht der Sandsackwall am Fuße der Rudolf-Zwintscher-Straße. Die ersten Feuerwehrfahrzeuge fahren ab. Es ist ruhig im Viertel - und am Kronstädter Platz plätschert der Springbrunnen.