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Manipulierte Stimmzettel in Dresden: Landesdirektion prüft Neuwahl

Überklebte Kreuze bei den Landtags- und Kommunalwahlen: Der Wahl-Skandal in Dresden könnte nun doch erheblich Folgen haben. Es steht eine Teil-Annullierung im Raum. Was das für Dresden bedeuten würde.

Von Andreas Weller
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In Dresden-Langebrück wurden Stimmzettel der Briefwahl manipuliert. Jetzt steht eine Neuwahl im Raum.
In Dresden-Langebrück wurden Stimmzettel der Briefwahl manipuliert. Jetzt steht eine Neuwahl im Raum. © Dirk Hein

Dresden. Es geht um 280 Stimmzettel, die bei Wahlen manipuliert wurden - 154 im Juni bei der Dresdner Kommunalwahl und der Rest bei der Landtagswahl am 1. September. Die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits einen Dresdner im Visier, der dafür verantwortlich sein soll und selbst von der Manipulation profitiert hätte - ein Mitglied der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen". Nun könnte es tatsächlich zu einer Neuwahl kommen.

Wie ist der Wahlbetrug in Dresden aufgeflogen?

Ziemlich professionell in Farbe und Beschaffenheit sollen die klitzekleinen Aufkleber gewesen sein, die über gesetzte Kreuze geklebt wurden, um dann neue Kreuze bei der Kleinpartei "Freie Sachsen" zu machen. Verantwortlich dafür laut Generalstaatsanwaltschaft Dresden: Ein Fachpfleger aus Dresden-Langebrück, der selbst Mitglied der "Freie Sachsen" ist und bei den Wahlen jeweils kandidiert hatte.

Die Stimmzettel könnte er bei seinen Kunden, also pflegebedürftigen Menschen in Langebrück, eingesammelt haben - offiziell, um sie zur Post zu bringen, allerdings hat er diese möglicherweise dazwischen noch manipuliert und so Wahlbetrug begangen.

Politiker fordern bereits Neuwahlen - zumindest für den Ortschaftsrat in Langebrück. Denn da waren die manipulierten Stimmen entscheidend dafür, dass "Freie Sachsen"-Kandidat Michael Schleinitz gewählt wurde.

Bei der Stadtrats- und der Landtagswahl waren die Stimmen dagegen nicht entscheidend, weil "Freie Sachsen" dort zwar beim Wahlergebnis in Dresden-Langebrück ebenfalls statistische Ausreißer noch oben hatten, diese aber nicht zu einer signifikanten Verbesserung des Gesamtergebnisses führten, da viel mehr Menschen wahlberechtigt waren als bei der Wahl zum Ortschaftsrat.

Wird die Wahl jetzt für ungültig erklärt?

Aufgeflogen war die Wahlfälschung bei der Auszählung der Landtagswahl am 1. September, weil die manipulierten Stimmzettel Wahlhelfern auffielen. Nur so gelangte auch die Kommunalwahl vom Juni ins Visier der Ermittler. Sonst wäre dieser Betrug nie aufgeflogen, da das Ergebnis längst amtlich festgestellt war.

Auf Anfrage von Sächsische.de teilt die Stadtverwaltung Dresden nun mit: "Aktuell ist das Ergebnis der Ortschaftsratswahl Langebrück rechtswirksam festgestellt. Rechtsbehelfe hiergegen bestehen keine mehr." Das heißt, es kann kein Widerspruch mehr eingelegt oder dagegen geklagt werden. Aber: "Derzeit prüft die Rechtsaufsicht, Landesdirektion Dresden, ob und nach welcher Maßgabe eine Aufhebung des Feststellungsbescheides rechtlich zulässig und die gegenständliche Wahl im Ganzen oder teilweise für ungültig zu erklären ist", so die Stadt weiter.

Sind auch die Landtags- und Stadtratswahl betroffen?

Die Prüfung dauere aber noch an. "Ob und inwieweit neben der Wahl des Ortschaftsrats auch die Wahl des Stadtrats betroffen ist, hängt von der Bewertung und den zu treffenden Entscheidungen der Rechtsaufsichtsbehörde ab", erläutert die Stadtverwaltung Dresden. "In Bezug auf die Landtagswahl hängt diese Entscheidung vom Verlauf des aktuellen Verfahrens, insbesondere im Hinblick möglicher Rechtsbehelfe gegen die Feststellung des Wahlergebnisses durch den Landeswahlausschuss ab."

Muss der Bescheid widerrufen werden?

Stephan Schumann ist als Anwalt auch Experte für Wahlrecht und hat in der Klage gegen die Gültigkeit Oberbürgerbürgermeisterwahl in Dresden von der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen festgestellt bekommen, dass gravierende Fehler bei der Aufstellung von Dirk Hilbert als OB-Kandidat gemacht wurden und der spätere OB nicht hätte zugelassen werden dürfen. Da der Eingriff ins Wahlrecht aber zu gravierend wäre, wurde die Wahl nicht aufgehoben und die Klage abgelehnt.

Schumann verfolgt auch den Wahlbetrug in Dresden. Er sagt, dieser Feststellungsbescheid ist ein feststellender Verwaltungsakt nach Kommunalwahlgesetz. "Wenn festgestellt wird, dass dieser rechtswidrig erfolgt ist, kann er zurückgenommen werden. Dafür muss er aufgrund einer falschen Tatsachengrundlage erfolgt sein." Aber auch ein rechtmäßiger Bescheid könne widerrufen werden, wenn sich daraus "Nachteile für das Gemeinwohl" ergeben, wie es im Gesetz heißt. "Das ist bei einer Wahl gegeben, wenn sich wie hier der Betrug auf die Sitzverteilung auswirkt."

Demnach müsse der Bescheid der Landesdirektion aufgehoben werden und dann wäre alles wieder bei dem Schritt davor, also der Wahlprüfung. Dort müsse laut Schumann die konkrete Auswirkung geprüft werden, also ob "Freie Sachsen" den Sitz im Ortschaftsrat aufgrund der manipulierten Stimmen erreicht haben. Wovon auszugehen sei.

Es würde aber laut Schumann nicht reichen, die manipulierten Stimmen für ungültig zu erklären. Er sehe eher eine Neuwahl für den Ortschaftsrat Langebrück, da nicht klar sei, für wen die manipulierten Stimmen eigentlich hätten abgegeben werden sollen.

Eine Neuwahl könne auch auf die betroffenen Stimmbezirke, begrenzt werden, so Schumann weiter. Das ist bei Briefwahlbezirken - wie in diesem Fall - allerdings schwieriger einzugrenzen als bei Urnenwahlbezirken.

Dass der Betrug bei der Kommunalwahl erst bei der Prüfung durch die Justiz herausgekommen ist, wertet Schumann, der Mitglied der SPD ist, als "Versagen der Wahlprüfungsbehörde, also dem Wahlleiter in Dresden". Er erwarte, dass derartig extreme statistische Ausreißer vorher überprüft werden.