"Dresdner Boulevardtheater ist wie beim Fleischer: Jeder weiß sofort, was es da gibt"
Dresden. Klassentreffen kommt von klasse. Deshalb sind sie auch alle gekommen, die Künstler, die im Laufe der vergangenen zehn Jahre auf Dresdens Boulevard-Bühne gespielt haben. Der Grund: ein klasse Treffen zum Geburtstag des Privattheaters in der Maternistraße, dessen Gründer, Olaf Becker und Marten Ernst, das Gefühl haben, die Eröffnung sei erst gestern gewesen. Höchstens vorgestern.
War es nicht ein richtiges Wagnis, ein privates Theater zu eröffnen, Herr Becker?
Olaf Becker: Ich wollte das anfangs auch alles nicht. Das alte Theater Wechselbad, unser heutiges Boulevardtheater, gefiel mir als Gebäude nicht und die finanzielle Belastung hat mir Angst gemacht.
Ihr hattet also schlaflose Nächte?
Marten Ernst: Dafür waren wir am Ende des Tages zu fertig. Mein Kopf hatte gar keine Kraft mehr, um Gedanken kreiseln zu lassen.
Olaf Becker: Und meine Erschöpfung war schon bald größer als alle Bedenken.
Warum habt ihr euch trotz der Vorbehalte fürs eigene Theater entschieden?
Olaf Becker: Insgeheim war es ja unser Traum. Aber wir sind dafür auch voll ins Risiko gegangen und haben mithilfe der Bürgschaftsbank 450.000 Kredit bekommen.
Marten Ernst: Während unserer Schnupperproduktion "Das singende, klingende Bäumchen" ist uns klar geworden, dass am Wechselbad nichts so ist, wie wir es brauchen. Fast alles musste umgestaltet werden. Da ist schließlich fast ne Million reingeflossen.
Für solch eine Investition braucht es einen starken Glauben. Woher habt ihr den genommen?
Olaf Becker: Wir waren ja keine Anfänger und hatten schon lange zuvor Erfolg mit eigenen Produktionen, nur eben immer an anderen Häusern - an der damaligen Komödie Dresden, im Wechselbad, auf dem Konzertplatz Weißer Hirsch und auf Gastspielen in anderen Städten.
Die Hexe Baba Jaga hat sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Wie klar war euch, was euer eigenes Theater leisten soll und was nicht?
Marten Ernst: Das wussten wir sehr genau und haben unser Konzept entsprechend entworfen. Es war nie unser Ziel, das Weltgeschehen zu kommentieren, politische Diskussionen anzuregen und die Gesellschaft zu bilden, sondern unser Publikum zu unterhalten.
Olaf Becker: Unser Name sollte das auch ausdrücken. Unterhaltungstheater war uns zu sperrig, Lustspielhaus zu anzüglich. Wir wollten ein Boulevardtheater sein und so auch heißen - ganz klar und gerade heraus. Dresdner Boulevardtheater ist wie beim Fleischer: Jeder weiß sofort, was es da gibt
Am Tag X gab es die Schlüsselübergabe und dann?
Marten Ernst: Richtig. Das war am 30. April 2014. Letzte Vorstellung. Am 1. Mai, Tag der Arbeit, ging die Sanierung los. Für drei Monate später war der Start der neuen Spielzeit geplant. Bis auf die Theaterstühle, die wir komplett aufarbeiten lassen haben und auf denen das Publikum nun schon 50 Jahre lang sitzt, blieb fast nichts so wie es war.
Olaf Becker: Und parallel haben wir die neue Spielzeit geplant, die Inszenierung vorbereitet, geprobt, unser komplettes Corporate Design entworfen, Mitarbeiter gesucht, gefunden und eingestellt und uns darum gekümmert, dass möglichst viele Tickets verkauft werden. Wir waren beseelt und durchdrungen von einer unfassbaren Energie. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
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Wie zauberhaft waren die Zahlen der ersten Spielzeit?
Olaf Becker: Die Spielzeit 2015 war sehr hart. Uns war klar, dass wir drei Jahre durchstehen müssen, bis wir uns etabliert haben und all die Mühe sich hoffentlich zu rechnen beginnt. Drei Jahre, bis der Gast ins Taxi steigt und der Taxifahrer auf Anhieb weiß, wo das Boulevardtheater ist.