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Hochwasser und Brückeneinsturz in Dresden: Eine Katastrophe kommt selten allein

Mit dem Einsturz von Teilen der Carolabrücke und der Flut kommen in Dresden zwei Katastrophen auf einmal. Wie die Stadt damit umgeht.

Von Alexander Schneider
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Blick von der Augustus- zur Carolabrücke: Die eingestürzten Betonblöcke sollen kein signifikantes Hindernis für das Hochwasser darstellen. Am Abend wurde mit dem Übersteigen von fünf Metern Alarmstufe zwei ausgelöst.
Blick von der Augustus- zur Carolabrücke: Die eingestürzten Betonblöcke sollen kein signifikantes Hindernis für das Hochwasser darstellen. Am Abend wurde mit dem Übersteigen von fünf Metern Alarmstufe zwei ausgelöst. ©  Foto: Sven Ellger

Dresden. "Wenn eine Katastrophe kommt, ist die nächste auch nicht weit", sagt Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am Sonntagnachmittag in der Pressekonferenz über die ersten Tage nach dem Teileinsturz der Carolabrücke und vor dem nahenden Hochwasser. Nachdem der zerstörte Zug C der Brücke auf der Neustädter Seite in zwei Tagen abgerissen und beseitigt wurde, könne man dort jetzt nichts mehr tun. Die Brückenreste auf der Altstädter Seite und die Betonblöcke, die in die Elbe gestürzt sind, kommen erst nach dem Hochwasser an die Reihe.

Der Pegel in Dresden steigt unterdessen zügig. Am frühen Sonntagmorgen werden vier Meter überschritten, Alarmstufe 1, gegen 18 Uhr schon fiel die Fünf-Meter-Marke, Alarmstufe 2 – dann schwappt die Elbe aufs Terrassenufer. Am Nachmittag werden daher in der Innenstadt Flutwände errichtet, die Stadtteilfeuerwehr nimmt in Laubegast eine Sandsack-Füllstation in Betrieb.

Ein Dutzend Bagger zerlegt am Neustädter Elbufer die Reste der eingestürzten Carolabrücke - Hunderten Menschen schauen interessiert zu. Am Sonnabendabend ziehen die Bagger ab.
Ein Dutzend Bagger zerlegt am Neustädter Elbufer die Reste der eingestürzten Carolabrücke - Hunderten Menschen schauen interessiert zu. Am Sonnabendabend ziehen die Bagger ab. © Foto: Robert Michael/dpa

Tausende Menschen strömen währenddessen an die Elbe, um sich selbst ein Bild von der Brücke und dem steigenden Pegel zu machen – und zwischen Theaterplatz und dem neu sanierten Heinz-Steyer-Stadion läuft an diesem Sonntag ein Sommer-Biathlon-Rennen. Wie ein Stück trotzige Normalität. Als hätte es nicht genug Wettrennen gegeben, seit die Brücke nachts und 2.59 Uhr zusammengekracht ist.

80 Mann und schweres Gerät rund um die Uhr im Einsatz

Weit mehr als 200 Einsatzkräfte lieferten sich einen dramatischen Wettlauf mit dem nahenden Hochwasser, als sie am Donnerstagabend mit dem Abriss der betroffenen Brücke begannen. Mathias Lindenlaub, Geschäftsführer der Firma Centro Umwelttechnik und Logistik GmbH, berichtet am Sonntag über die überraschende Anfrage nebst "kurzem Briefing" des Dresdner Krisen-Stabes – am Donnerstag um 12.30 Uhr: Ob er beim Abriss helfen könne? Innerhalb von sechs Stunden haben Lindenlaubs und elf weitere Unternehmen Großgerät, Bagger, Radlader, Sattelzüge mit Containern nach Dresden geschafft.

Selbst Schwerlasttransporte seien in kürzester Zeit genehmigt worden, um die bis zu 75 Tonnen schweren Fahrzeuge heranzuschaffen: "Normalerweise warten wir vier Wochen auf solche Genehmigungen", sagt Lindenlaub. "Um 19 Uhr waren die ersten Geräte da." Nachdem die Fernwärmeleitungen am Donnerstag gegen 23 Uhr gesprengt waren – auch das hatten Hunderte über Stunden vor Ort verfolgt –, begannen die Bagger ihr Werk. Gegen 3 Uhr stürzten die Brückenteile ein, "kontrolliert", so Lindenlaub.

Etwa 40 Mitarbeiter seien am Neustädter Elbufer rund um die Uhr im Einsatz gewesen, weitere 40 erbrachten Service im Hintergrund. 13 Bagger arbeiteten nahezu pausenlos, im Einsatz mit tonnenschweren Schaufeln, Abbruchscheren, Greifern, Zangen. Dazu noch zehn Fahrzeuge mit Abrollcontainern. "Am Ende waren wir am Sonnabend um 18 Uhr fertig, um 21 Uhr war das letzte Fahrzeug weg." Für Lindenlaub eine außergewöhnliche Leistung: "Das hat gezeigt, dass man in Deutschland noch 'was drehen kann", sagt er am Sonntag.

Sechs Stunden nach der Anfrage am Donnerstagmittag waren die ersten Bagger an der Einsatzstelle, sagt Mathias Lindenlaub, Geschäftsführer der Firma Centro Umwelttechnik. Seine Mitarbeiter und die elf weiterer Unternehmen haben den Abriss in zwei Tagen dur
Sechs Stunden nach der Anfrage am Donnerstagmittag waren die ersten Bagger an der Einsatzstelle, sagt Mathias Lindenlaub, Geschäftsführer der Firma Centro Umwelttechnik. Seine Mitarbeiter und die elf weiterer Unternehmen haben den Abriss in zwei Tagen dur ©  Foto: Sven Ellger

Zunächst hatte man gehofft, bis Sonntagabend Zeit zu haben. Das schon sei ambitioniert gewesen, sagte Feuerwehrsprecher Michael Klahre. Dann aber stand der prognostizierte Pegel schon am Radweg und behinderte den Abtransport des Schutts. Daher mussten die Kräfte am Sonnabend noch eine Schippe ‘drauflegen. Der Brückenschutt, an dem sich angeschwemmtes Treibgut sammeln und ein unkontrollierbares Anstauen der Fluten verursachen könnte, war verschwunden.

OB Dirk Hilbert: "Meinen größten Respekt

"Was hier geleistet wurde, ist außergewöhnlich. Ein großes Kompliment an alle", sagt OB Hilbert. "Jeder, der an diesem Projekt beteiligt war, hat meinen größten Respekt und die Dankbarkeit der Dresdnerinnen und Dresdner." In Anbetracht der Hochwassersituation sei jedes Teil, was nun nicht mehr in der Elbe liegt, ein kleiner Sieg, so der OB.

Er dankte allen Einsatzkräften für die gelungene Zusammenarbeit. "Mein Dank gilt der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, dem Landeskommando Sachsen der Bundeswehr, der Polizei, der Drohnenstaffel des ASB, der Stadtverwaltung und letztlich jedem Baggerführer und jedem LKW-Fahrer der Centro Umwelttechnik und Logistik und deren Partnerunternehmen." Auch die nächsten Herausforderungen würden gemeistert.

Zumindest die noch im Fluss liegenden Betonblöcke sollen während des Hochwassers keine große Gefahr darstellen, sie würden nicht weggeschwemmt, heißt es. Allerdings könnten sie dafür sorgen, dass die Elbe in dem Bereich am Terrassenufer 30 bis 50 Zentimeter höher steht – und die Strömung etwas stärker sei, sagt René Herold, Chef des Dresdner Umweltamtes.

Die Elbe überspült schon die eingestürzten Betonteile der Carolabrücke. Experten gehen davon aus, dass sie kein großes Hindernis darstellen.
Die Elbe überspült schon die eingestürzten Betonteile der Carolabrücke. Experten gehen davon aus, dass sie kein großes Hindernis darstellen. © Foto: dpa

Zwei Schaufelraddampfer der Weißen Flotte wurden daher vorsichtshalber nach Riesa verlegt, damit sie durch Treibgut nicht beschädigt werden. Die beiden Salonschiffe "August der Starke" und "Gräfin Cosel" sind fest vertäut am Terrassenufer, sie seien "robuster", wie es Christoph Springer, der Sprecher der Sächsischen Dampfschifffahrt formuliert. Die Flotte hatte bereits am Sonnabendnachmittag wegen der Treibgutgefahren ihren Fahrbetrieb – oberhalb und unterhalb der Carolabrücke – beendet.

Brückengutachten soll in zwei Wochen vorliegen

Unterdessen haben am Wochenende auf den noch erhaltenen Zügen der Carolabrücke Probebohrungen stattgefunden. Nach Angaben von Simone Prüfer, Leiterin des Straßen- und Tiefbauamtes, geht es dabei um die Ermittlung der Schadensursache und zur Prüfung der Standsicherheit der Brücke. „Wir legen Spannglieder frei, um die Litzen begutachten zu können“, sagte die Ingenieurin, "dazu haben wir jetzt die Möglichkeit.“ Beim eingestürzten C-Zug sei an der Bruchstelle Korrosion an diesen Bauteilen festgestellt worden. Dafür sind Schadstoffeinträge wie etwa Chlorid vom Tausalzeinsätzen ursächlich.

Prüfer geht davon aus, in etwa 14 Tagen Ergebnisse dieser Untersuchungen zu haben - und damit die Möglichkeit einer fundierte Aussage über die Frage, „ob wir Teile der Brücke nutzen können" oder ob nur noch ein Abbruch infrage kommt. Schon am Freitag hatte die Amtsleiterin geschätzt, dass ein Neubau "sicherlich notwendig" sei.

Das wiederholt am Sonntag auch OB Hilbert. "Die Carolabrücke ist eine wesentliche Verkehrsader unserer Stadt. Sie muss wiederhergestellt werden. Wenn es zu einem Ersatzneubau kommen muss, sind gravierende Investitionen nötig." Mittel dafür stünden aktuell nicht zur Verfügung. Soeben habe der Sächsische Städte- und Gemeindetag auf die schwierige Lage der Kommunen hingewiesen. "Ohne Unterstützung von Land und Bund wird es nicht gehen." Wenn der Pegel sinkt, steht die Brücke also wieder ganz oben auf der Liste.