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Dresdner nach Herzschrittmacher-OP: "Ich bin ein neuer Mensch"

Als der Dresdner Steffen Rühle beim Treppensteigen immer weniger Luft bekam, schob er es aufs Alter. Erst später wird klar: Der 62-Jährige leidet an einer Herzinsuffizienz. Ein Herzschrittmacher veränderte sein Leben schlagartig - zum Besseren.

Von Juliane Just
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Seit Steffen Rühle einen Herzschrittmacher hat, ist er "ein neuer Mensch", sagt er. Doch bis seine Herzschwäche erkannt wurde, vergingen Jahre.
Seit Steffen Rühle einen Herzschrittmacher hat, ist er "ein neuer Mensch", sagt er. Doch bis seine Herzschwäche erkannt wurde, vergingen Jahre. © René Meinig

Eigentlich gab es keinen direkten Auslöser. Keinen Moment, in dem er merkte, dass irgendetwas nicht stimmt. Mit etwa 50 Jahren ging es los: Wenn Steffen Rühle die Treppen in den fünften Stock zu seiner Wohnung stieg, blieb ihm immer öfter und immer mehr die Luft weg. "Das gehört eben zum Älterwerden dazu", redete der 62-Jährige sich ein. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellt.

Denn die Diagnose ist eine der häufigsten, die in Deutschland jährlich gestellt wird: Herzmuskelschwäche, im Fachterminus Herzinsuffizienz. Zwei bis drei Millionen Patienten gibt es allein hierzulande, die mit dieser Diagnose leben müssen. "Ich habe eigentlich gar nichts gedacht", denkt Steffen Rühle an den Moment zurück, als er das sperrige Wort hört. "Ich war und bin immer lebenslustig und war mir sicher: Das wird so bleiben."

Dabei ist Herzschwäche eine "desaströse Erkrankung", wie Hilmar Martin sagt. Er ist Oberarzt im Städtischen Klinikum Dresden und Herzinsuffizienz-Experte. Diese Erkrankung sei schlimmer als ein Viertel aller Krebsarten, die Lebenserwartung nach 5 Jahren liegt bei 40 Prozent - zumindest ohne Behandlung. "Die Prognose ist meist düster, doch auf dem Gebiet hat sich in den vergangenen Jahren viel getan." Und obwohl Herzschwäche eher mit älteren Menschen in Verbindung bringt, betrifft die Erkrankung grundsätzlich alle Generationen.

Vom Notfallassistenten zum Herzschwäche-Patienten

Rühle geht zum Hausarzt, der schickt den Patienten zufällig in das eine Krankenhaus in Dresden, in dem dieser sich bestens auskennt. Am Klinikum in Friedrichstadt hat Steffen Rühle zu DDR-Zeiten seine Ausbildung zum Pfleger absolviert, war danach viele Jahre im Rettungsdienst tätig. Vor sechs Jahren zwang ihn ein Schlaganfall, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Doch der 62-Jährige nimmt es auch mit Humor: "Medizinische Mitarbeiter sind doch immer die schlimmsten Patienten."

Erhöhte Blutwerte weisen für die Ärzte schnell auf die Volkserkrankung Herzschwäche hin. Der Herzultraschall bestätigt den Verdacht bei Steffen Rühle. "Die Pumpleistung der linken Herzkammer war schwach", sagt Hilmar Martin. Der Patient erhält Medikamente, die nachhaltig das Herz stärken sollen. Das ist eine Standardtherapie. Steffen Rühle merkt, dass es ihm langsam besser geht und die Luftnot nachlässt, "aber der Durchbruch war es noch nicht".

Herzschwäche-Patient Steffen Rühle (v.l.) im Gespräch mit den Ärzten Frank R. Heinzel und Hilmar Martin. Seit seiner OP kann das geschädigte Herz engmaschig überwacht werden.
Herzschwäche-Patient Steffen Rühle (v.l.) im Gespräch mit den Ärzten Frank R. Heinzel und Hilmar Martin. Seit seiner OP kann das geschädigte Herz engmaschig überwacht werden. © René Meinig

Und damit hat er recht: Eine Untersuchung drei Monate später zeigt, dass die Pumpleistung seines Herzens sich nicht wesentlich verbessert hat. Bei Rühle tritt ein medizinischer Sonderfall auf: Beide Leitungen, die die linke Herzkammer ansteuern, sind gerissen. "Das Herz schlägt dann trotzdem weiter, aber die beiden Herzkammern schlagen nicht mehr synchron", erklärt Hilmar Martin. Das bedeutet: Das Herz gerät in eine Art Schaukelbewegung, die Pumpleistung wird erheblich minimiert.

OP für kleines Gerät mit "Schutzengelfunktion"

Die Lösung der Mediziner: Ein Herzschrittmacher mit einer "Schutzengelfunktion". Durch eine Elektrode, die direkt zur linken Herzkammer gelegt wird, kann das zeitgleiche Schlagen der beiden Herzkammern gewährleistet werden. Zusätzlich kann das Gerät bei einem Herzflimmern, für das Patienten mit Herzschwäche ein höheres Risiko haben, eingreifen. Der Herzschrittmacher gibt dann als "Schutzengel" Stromstöße ab, die das Herz wie bei der Nutzung eines Defibrillators wieder in den richtigen Takt bringen. Außerdem überwacht es regelmäßig das Herz, die Ärzte können die Daten auswerten.

Die mehrstündige OP zum Einsetzen eines Herzschrittmachers dieser Art ist Routine für die Mediziner im Städtischen Klinikum, das gerade erst als Schwerpunktklinik für die Behandlung von Herzmuskelschwäche zertifiziert wurde. Für die Patienten stehen Herzinsuffizienz-Spezialisten und mehrere Behandlungsoptionen bereit - bis hin zu Operationen, bei dem die kleinen Helfer eingesetzt werden.

Der Herzschrittmacher, den Steffen Rühle nun oberhalb seiner Brust unter der Haut trägt, passt in eine Hand.
Der Herzschrittmacher, den Steffen Rühle nun oberhalb seiner Brust unter der Haut trägt, passt in eine Hand. © René Meinig

Im Juni 2024 wird dieser Eingriff bei Steffen Rühle vorgenommen. Sein Leben ändert sich danach schlagartig. "Ich bin ein neuer Mensch. Als hätte man das Licht angemacht", sagt der 62-Jährige. Sein Arzt nickt, das sei ein erstaunlicher Effekt für viele Patienten: "Im Gegensatz zur Behandlung mit Tabletten gibt es sofort einen Effekt, weil das Herz sofort wieder gleichmäßig schlägt."

Erste Signale von Herzmuskelschwäche erkennen

Und genau deswegen ist die Früherkennung bei Herzschwäche so wichtig. Denn der Krankheitsverlauf des 62-Jährigen ist durchaus typisch: Oft ist der Prozess schleichend, den Patienten geht es lange vermeintlich gut und dann verschlechtert sich der Zustand akut. "Durch das frühzeitige Monitoring kann so etwas verhindert werden." Erste Signale sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit - und die Luftnot, die auch Rühle plagte.

Heute bleibt von all dem nur eine kleine Wölbung über seiner linken Brust. Dort sitzt das Gerät, das ihm sein Leben rettet. Anfangs musste er lernen, seine wiedergewonnenen Kräfte richtig einzuteilen. Regelmäßig muss er zur Kontrolle und einem Arztgespräch ins Klinikum, ansonsten hat er keine Einschränkungen im Alltag. Inzwischen freut sich der Dresdner auf den ersten Urlaub seit Jahren. "Kanu fahren steht dann auf dem Programm. Das wäre früher nicht möglich gewesen."