Dresden. André Zehrfeld ist zufrieden. In der Kreuzkapelle der Hofkirche hat der 55-jährige Restaurator aus dem Dresdner Stadtteil Rähnitz seine Arbeit jetzt geschafft. Der Kunsthandwerker hockt ganz oben im Fensteroval unter der runden Kuppel, das er noch einmal poliert hat. Durchs Fenster bietet sich ein schöner Blick zur Semperoper. Hier konnte der Fachmann, der auch Kunstformermeister ist, sein Können zeigen.
1996 hatte der Dresdner sich in Venedig zum Restaurator qualifiziert. Dort hatte er auch seine Frau, die Restauratorin Susanna Sbaraglia, kennengelernt, die auch in der Kreuzkapelle mitgearbeitet hat. Gemeinsam waren sie schon an vielen bedeutenden europäischen Bauwerken aktiv.
Die Sanierung: Laufender Prozess in Hofkirche
"Die Sanierung ist ein laufender Prozess, der an so einem altehrwürdigen Bauwerk nie endet", erklärt Projektleiter Norbert Seidel vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Die Hofkirche gehört dem Freistaat. Das katholische Bistum hat allerdings die Nutzungsrechte an Sachsens größtem Gotteshaus mit einer Grundfläche von 4.800 Quadratmetern. Bis Anfang 2021 war das Hauptschiff, zwischen September und Dezember vergangenen Jahres die beiden Seitenschiffe komplett saniert worden.
Die Bedeutung: Einer der schönsten Räume Dresdens
Jetzt ist die Kreuzkapelle an die Reihe gekommen. "Hier waren Putzstücke abgefallen und es gab Dutzende Risse", sagt er. Also musste gehandelt werden. Zumal die Kreuzkapelle eine besondere Bedeutung hat, betont Torsten Nimoth vom Landesamt für Denkmalpflege. "Sie ist einer der schönsten spätbarocken Räume Dresdens", sagt der Fachmann, der für Wandmalereien und Architekturfassungen zuständig ist.
Diese Eckkapelle wird geprägt vom Altarbild, das der französischen Maler Charles Hutin 1753 geschaffen hat. Das von vergoldeten Stuckarbeiten umrahmte Bild zeigt die Kreuzigung Christi. Die Malerei in der Kuppel, die ebenfalls von Hutin stammte, war bei den Angriffen auf Dresden im Februar 1945 zerstört und danach andeutungsweise wiederhergestellt worden. "Dort wurde ein Engel nach dem historischen Vorbild eingefügt", erklärt Nimoth.
Geprägt wird die Kapelle von Stuckmarmor. Der besteht aus einem Gemisch von Gips, Farbstoffen sowie Leim und sieht wie Marmor aus. Fast 100 Quadratmeter haben André Zehrfeld und seine Frau gereinigt und die Schäden daran beseitigt. "Herr Zehrfeld ist ein exzellenter Restaurator, der Stuckmarmor wieder sehr gut herstellen kann", berichtet Denkmalpfleger Nimoth von seinen langjährigen Erfahrungen mit dem Restaurator.
Der Auftakt: Restauratorin erfasst Risse
Im Mai hatte eine Restauratorin die Schäden kartiert. Danach war der Auftrag für zwei Gewerke ausgeschrieben worden. Den Zuschlag bekommt André Zehrfeld für die Stuckmarmorflächen, die Skulpturen und die anderen Bereiche. Die 39-jährige Diplom-Restauratorin Lydia Dietrich aus Dorf Wehlen kümmert sich mit ihrem Mitarbeiter Markus Pinther um die Schäden an den Wandmalereien unter der Kuppel.
Der Aufwand: Kompressen gegen Salz
"Bei der Tiefenreinigung haben wir zuerst allen Wachs gelöst und ihn dann mit speziellen Zelluloseschwämmen gereinigt", beschreibt Zehrfeld den Auftakt im Juli. Dann geht es darum, die Schäden zu beseitigen. In Skulpturen war Salz eingedrungen, das die Restauratoren mit Kompressen, die alle zwei Tage gewechselt werden, in drei Zyklen entfernen.
"Risse haben wir mit Stuck verkittet", beschreibt Zehrfeld den nächsten Schritt. Zum Schluss bekommen die Stuckmarmorflächen einen neuen Schutzfilm aus Wachs.
Die Einstiche: Mit Spritzen Hohlräume verfüllt
Beseitigt werden auch Schäden oder Hohlstellen in der Mörtelschicht unter dem Stuckmarmor, sodass er wieder festen Halt hat. Durch kleine Löcher wird über Kanülen Festigungsmittel hineingespritzt, bei größeren Hohlräumen Kalkmörtel.
"Das ist viel Feinarbeit. Denn die Glanzschicht auf dem Stuckmarmor darf nicht zerstört werden", erklärt Zehrfeld. Zur Feinarbeit gehört es auch, die angebrochenen Finger eine Skulptur wieder fest zu verankern.
Das Finale: Letzte Pinselstriche unter der Decke
Anfang August beginnen Lydia Dietrich und Markus Pinther damit, vom Gerüst aus die Deckenmalereien am unteren Ende der Kuppel zu reinigen. Zuerst kommen dabei der Staubsauger und ein Akapadschwamm zum Einsatz, der wie ein großer Radiergummi funktioniert.
"Dann mussten wir in einem Bereich noch Salz entfernen", sagt Restauratorin Dietrich. Wahrscheinlich stammt das Salz von einem Wasserschaden im Dach. Um es aus der Wand zu entfernen, muss in drei Runden eine sogenannte Würzburger Kompresse aus Meerschaumpulver, Glasgranulat und Sand aufgebracht werden, die jeweils nach einer Woche wieder entfernt wird.
Zudem verfüllen die Restauratoren bis zu 1,5 Meter lange Risse vorsichtig mit kleinen Spateln. Zum Schluss bemalen die Fachleute die instandgesetzten Stellen mit ihren Pinseln, sodass sie sich wieder harmonisch ins Gesamtbild der Kuppel einfügen. "Es ist toll, dass die Kreuzkapelle jetzt restauriert ist", resümiert SIB-Projektleiter Seidel. Rund 60.000 Euro hat der SIB dafür investiert. Jetzt werden die Gerüste abgebaut.