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Unermüdlich im Einsatz: Dresdner Fährmänner im Elbe-Hochwasser unterwegs

Nur eine einzige Fähre in Dresden ist derzeit noch in Betrieb: die Personenfähre zwischen Pillnitz und Kleinzschachwitz. Damit Personen überhaupt übersetzen können, braucht es eine spezielle Konstruktion - und Risiko-Checks der Schiffsführer.

Von Nadja Laske
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Während die Johanna an der neustädter Elbseite befestigt auf das Ende des Hochwassers wartet und die Caroline in Niederpoyritz, ist die Elbflorenz die einzige Fähre, die noch in Betrieb ist - gesteuert von Wolfram Spiller (r.) und Michael Metzler.
Während die Johanna an der neustädter Elbseite befestigt auf das Ende des Hochwassers wartet und die Caroline in Niederpoyritz, ist die Elbflorenz die einzige Fähre, die noch in Betrieb ist - gesteuert von Wolfram Spiller (r.) und Michael Metzler. © Matthias Rietschel

Ist sie noch da? Wolfram Spiller muss angestrengt Ausschau halten, als er kurz vor fünf Uhr dem Elbufer entgegengeht. Dichter Nebel umhüllt den Morgen - und die Fähre Elbflorenz. Sie ist die einzige, die die beiden Dresdner Ufer bei sechs Meter Pegel noch miteinander verbindet. Gleich nach dem Aufstehen hat der Fährmann wie immer die Wasserstände gecheckt: "Das gehört zu jedem guten Fährmannskaffee dazu", sagt er.

Für Dresden sind am Mittwochmorgen 5,95 Meter angezeigt. Bis maximal 6,50 Meter dürfen Spiller und seine Kollegen zwischen Kleinzschachwitz und Pillnitz übersetzen. Allerdings nur, wenn keine besondere Gefahr besteht.

Personenfähre fährt - Autofähre liegt still und wird als Steg benutzt

Beim Näherkommen sieht er sie liegen und beginnt zusammen mit seinem Kollegen Michael Metzler den allmorgendlichen Check: Sie kontrollieren, ob alle Befestigungen an Steg und Schiff intakt und auch sonst keine Schäden zu sehen sind. Aktuell bedeutet das, auch die Autofähre zu inspizieren. Sie pendelt zurzeit nicht wie üblich zwischen links- und rechtselbisch, sondern versieht ihren Dienst ungewöhnlich unbeweglich.

Nebulöser Morgen: Die Elbflorenz setzt zwischen Kleinzschachwitz und Pillnitz über, kann aber ihren üblichen Anleger nicht nutzen. Der ist im Hochwasser versunken.
Nebulöser Morgen: Die Elbflorenz setzt zwischen Kleinzschachwitz und Pillnitz über, kann aber ihren üblichen Anleger nicht nutzen. Der ist im Hochwasser versunken. © Matthias Rietschel

Um beim hohen Wasserstand den Fährbetrieb aufrechterhalten zu können, muss das flache Wasser am Ufer überbrückt werden. Nur so kommen die Fahrgäste trockenen Fußes an Bord. Also wurde die Autofähre als eine Art Verlängerung mit dem Kleinzschachwitzer Steg verbunden. Die Passagiere erreichen die Personenfähre Elbflorenz über die Autofähre und legen von ihr aus ab.

Wenn den Fährmännern an dieser Konstruktion nichts Ungewöhnlicheres auffällt, als sie ohnehin schon ist, öffnen sie mit Vierkant und Haken die Luken im Boden der Elbflorenz. "Das ist der Maschinenraum", erklärt Wolfram Spiller. Dort kontrolliert er, ob womöglich Wasser in den Schiffsrumpf eingedrungen und dass der Ölstand der Dieselmaschine in Ordnung ist.

Treibgut in der Schiffsschraube könnte zum Problem werden

Dieser Tage jedoch spielt eine weitere Frage die entscheidende Rolle: Wie gebärdet sich die Elbe? Sie ist zu hoch, ja. Aber fließt sie dennoch ruhig? Wie gut ist die Sicht, um sie zu überblicken und vor allem: Wie viel Schwemmgut führt sie mit? Im Wasser treibende Zweige und Äste, Gerätschaften, Bauteile könnten der Fähre sehr gefährlich werden.

"Wenn sie in die Schiffsschraube gelangen, blockiert sie und die Fähre lässt sich nicht mehr navigieren", erklärt Michael Metzler. Dann müssten die Fährleute mitten auf dem Wasser den Anker werfen, in der Hoffnung, dass er im Boden hält, und die Feuerwehr schnell kommt, um die Fahrgäste zu retten und das Schiff zu bergen. Ansonsten triebe sie unbeherrscht in den Fluten und würde zur Lebensgefahr für Passagiere und Besatzung.

Die Fährmänner Wolfram Spiller (l.) und Michael Metzler sind in schwierigen Hochwasserzeiten zu zweit auf der Personenfähre Elbflorenz unterwegs.
Die Fährmänner Wolfram Spiller (l.) und Michael Metzler sind in schwierigen Hochwasserzeiten zu zweit auf der Personenfähre Elbflorenz unterwegs. © Matthias Rietschel

In ihrer noch relativ kurzen Dienstzeit hat das weder der eine noch der andere erleben müssen. "Ich bin seit 2020 glücklicher Fährmann", sagt Wolfram Spiller. 25 Jahre lang hat er als Gastronom gearbeitet, dann im Vertrieb. "Doch dann kam ein Lockdown nach dem nächsten und ich habe einfach keine Perspektive mehr gesehen", erzählt der 56-Jährige.

In dieser Zeit entdeckte er eine Werbung der DVB und DVS - Dresdner Verkehrsservicegesellschaft - die Schiffsführer suchte. Ein Jahr lang ließ sich Spiller ausbilden, absolvierte seine Prüfung und tritt seitdem jeden Dienst mit dem Bewusstsein an, in seiner zweiten Lebenshälfte eine berufliche Entdeckung gemacht zu haben.

"Arbeit ist die wärmste Jacke"

Dieser Mittwochmorgen ist zehn Grad kalt, klamm und nebelig. Die Fähre gleitet durch hellgraue Wogen. In der Ferne erscheint die Erna im feuchten Dunst wie ein auf Grund gelaufenes Piratenschiff. "Das hat etwas Mystisches", sagt Spiller.

Keine Piraten weit und breit, stattdessen zwei um Erna besorgte Fährmänner. Immerhin wird die kleine Fähre bald 100 Jahre alt und könnte trotzdem flotter aussehen. "Sie ist unser Ersatzboot und taugt auch als Eisbrecher", sagt Wolfram Spiller. Zwar sieht die eiserne Lady arg rostig aus. Doch sie ist stabil genug, um Schollen zur Seite zu schieben - sollte die Elbe jemals wieder zufrieren. "Es wäre so klasse, wenn man sie zu ihrem 100. Geburtstag 2027 restaurieren könnte", sagt Michael Metzler.

Fähre kutschiert Schulkinder und Berufspendler

Aus gesundheitlichen Gründen ist der ehemalige Busfahrer auf die Fähre umgestiegen. Wie sein Kollege fühlt auch er sich glücklich in seinem Beruf. "An sonnigen Tagen sagen die Fahrgäste: Sie haben einen tollen Job! In stürmischen und regnerischen Zeiten sagen sie das nicht." Dabei stört den 45-Jährigen das Wetter weder bei Hitze noch bei Nässe oder Frost. "Wir haben gute Kleidung, heißen Tee und im Fahrerhaus ist's warm." Kapitänskollege Spiller lacht: "Und wir bewegen uns viel. Arbeit ist die wärmste Jacke."

Pendler Gerald Nitsche (r.) ist dankbar für die unermüdliche Arbeit der beiden Fährmänner Wolfram Spiller (l.) und Michael Metzler.
Pendler Gerald Nitsche (r.) ist dankbar für die unermüdliche Arbeit der beiden Fährmänner Wolfram Spiller (l.) und Michael Metzler. © Matthias Rietschel

Umnebelt tauchen Baumstämme im Wasser auf. "Das sind nur Eisbäume", erklären die Männer. Sie werden extra in Ufernähe gelegt, damit Eisschollen durch Verwirbelung im Wasser eine für die Fähre günstige Richtung nehmen. Selbst ohne treibendes Eis dienen sie dem Anlegen der Schiffe.

Auch das nächste Manöver gelingt geschmeidig. Ein Dutzend Kinder strömt auf die Elbflorenz. Von Kleinzschachwitz wollen sie nach Pillnitz zur Schule. "Erst kommen die Schulkinder, dann die Pillnitz-Besucher und nun auch die Hochwasser-Touristen", sagt Wolfram Spiller. Letzteren erkläre er freundlich aber bestimmt, dass die Fähre nicht zum Spaß hin und her fahre, sondern dann, wenn ausreichend Passagiere die Elbseite wechseln wollen.

An diesem Morgen wollen das vor allem Pendler. Einer von ihnen ist Gerald Nitsche. Sein E-Bike lehnt an der Sitzbank der Fähre und hat kurz Pause. "Ich fahre jeden Wochentag vom Fernsehturm nach Niedersedlitz, wo ich als Erzieher arbeite", erzählt er. Dann legt die Fähre in Kleinzschachwitz an und das Schiebetor rasselt in der Schiene. "Toll wie ihr das hier macht!", ruft er den Fährmännern zu und greift sein Rad: "Einen schönen Tag euch und bis später!"