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Eingestürzte Carolabrücke: So hat sich der Verkehr in Dresden verlagert

25.000 Menschen in der Straßenbahn, 34.500 Autos: Vor ihrem Einsturz wurde die Carolabrücke viel genutzt. Wo die Fahrzeuge jetzt langfahren und wie die Stadt ein Verkehrschaos verhindern will.

Von Theresa Hellwig & Sandro Pohl-Rahrisch
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Die Wilsdruffer Straße ist ein Stauschwerpunkt in Dresden, seitdem die Carolabrücke und das Terrassenufer gesperrt sind.
Die Wilsdruffer Straße ist ein Stauschwerpunkt in Dresden, seitdem die Carolabrücke und das Terrassenufer gesperrt sind. © Matthias Rietschel

Geduld ist an diesem Donnerstagmorgen in Dresdens Innenstadt gefragt: Seit die Carolabrücke sowie das Terrassen- und Ostraufer gesperrt sind, stockt der Verkehr auf den Ausweichstrecken. Besonders auf der Marien- und der Albertbrücke sowie auf den angrenzenden Straßen wie der Friedrichstraße und der Weißeritzstraße bilden sich täglich lange Staus. Autofahrer müssen teils bis zu 20 Minuten mehr Zeit einplanen.

Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht: Mit einer Wiedereröffnung der Carolabrücke ist lange nicht zu rechnen. Die Stadtverwaltung hat deshalb eine Taskforce ins Leben gerufen, die Lösungen gegen das Verkehrschaos erarbeiten soll. Wie sich der Verkehr von der Carolabrücke auf die anderen Elbebrücke verteilt und welche Lösungen nun denkbar sind: Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Verkehrschaos in der Stadt.

Wie viele Autos, Bahnen und Fahrräder sind bis zum Teileinsturz über die Carolabrücke gefahren?

Die Carolabrücke gehörte zu den bedeutendsten Dresdner Elbebrücken für den Verkehr. "Sie ist eine wichtige Lebensader", sagt Dresdens Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne). "Neben dem ÖPNV und dem Autoverkehr ist sie eine wichtige Verbindung für Radfahrer und Fußgänger."

15 Prozent aller Kraftfahrzeuge, die den Fluss überqueren, haben sie bis zum Teileinsturz genutzt, wie aus den Zahlen der Stadtverwaltung hervorgeht. Das waren am Tag etwa 34.500 Autos, Motorräder und Lkw.

Hinzu kamen die Straßenbahnen der Linien 3 und 7 mit bis zu 24 Fahrten in der Stunde. Der Radverkehr ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen: Zuletzt fuhren täglich mehr als 4.000 Radfahrer über die Carolabrücke – fast dreimal so viele wie noch im Jahr 2012. Darüber hinaus waren auf den Gehwegen in Richtung Alt- und Neustadt über 1.000 Fußgänger jeden Tag unterwegs.

Wie verteilt sich der Verkehr seit der Sperrung der Carolabrücke?

Die Stadt spricht von einer angespannten Verkehrslage, insbesondere auf der Marien- und auf der Albertbrücke. Diese werden am häufigsten als Ausweichstrecke genutzt. Laut Modellierung der Stadt muss die Albertbrücke etwa 18.500 zusätzliche Fahrzeuge täglich verkraften, die Marienbrücke rund 9.500.

Auch auf der Autobahnbrücke der A4 ist seit dem Teileinsturz mehr los. Dort geht die Stadt von 3.500 zusätzlichen Fahrzeugen aus. Die Flügelwegbrücke hat einen Zuwachs von schätzungsweise 2.500 Fahrzeugen bekommen, die Waldschlößchenbrücke von 7.500.

Keine Veränderungen gibt es laut Modellierung auf dem Blauen Wunder sowie auf der Niederwarthaer Brücke ganz im Westen der Stadt. "Das vorhandene Verkehrsnetz ist ausgelastet", so die Stadt. Es gebe kaum mehr Ausweichmöglichkeiten, sollte auf den Brücken ein Unfall den Verkehr zum Erliegen bringen. Das Ergebnis: Die Fahrzeiten haben sich verlängert, auch bei den Straßenbahnen, was zu einem Fahrgastverlust führen dürfte.

Auf der Marienbrücke brauchen Autofahrer viel Geduld.
Auf der Marienbrücke brauchen Autofahrer viel Geduld. © Matthias Rietschel

Wo fahren nun die Straßenbahnen entlang?

Zwei Straßenbahnlinien fuhren bisher über die Carolabrücke: die Linie 3 zwischen Coschütz und Wilder Mann und die Linie 7 zwischen Weixdorf und Pennrich. Die Bahnen brachten täglich rund 25.000 Fahrgäste über die Brücke. Auch für Straßenbahngäste bringt der Einsturz der Brücke deshalb Reisezeitverlängerungen mit sich.

Weil die Brücke weggebrochen ist, fahren die Linie 3 und die 7 nun über den Postplatz und die Augustusbrücke. Die Haltestellen Albertplatz und die zentralen Zugangspunkte zur Innenstadt werden dabei weiter bedient.

Ab dem 14. Oktober wird auch die Linie 8 umgelenkt. Diese fährt dann über den Straßburger Platz und die Albertbrücke.

Was würde die Öffnung der Augustusbrücke dem Autoverkehr bringen?

Derzeit prüft die Stadt, ob eine Öffnung der Augustusbrücke für den Autoverkehr denkbar ist. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.

Seitdem die Brücke saniert worden ist, ist privater Autoverkehr auf der Augustusbrücke eigentlich tabu. Würde die Stadt die Regelung ändern, so rechnet sie - angesichts des Wegfalls der Carolabrücke - mit 12.500 Autos, Lastwagen und Motorrädern pro Tag auf der Augustusbrücke. Davon würden den Berechnungen zufolge etwa zwei Drittel, also 8.400 Fahrzeuge, in Richtung Neustadt fahren. Etwa 4.100 Autos würden der Stadt zufolge in Richtung Altstadt unterwegs sein.

Was spricht gegen die Öffnung der Augustusbrücke?

Das größte Problem, das gegen die Öffnung der Augustusbrücke für den Autoverkehr spricht, ist: Die Augustusbrücke wird derzeit von vier Straßenbahnlinien befahren. Also: doppelt so vielen wie bisher. Alle 75 Sekunden fährt dort eine Bahn. Dazu kommen mehr als 10.000 Radfahrer pro Tag, die keinen separaten Radweg auf der Brücke haben. Die vier Bahnlinien, die Autos und die Radfahrerinnen und Radfahrer: Sie alle müssten sich eine einzelne Fahrspur teilen.

Auch etwa 9.000 Fußgänger sind auf der Brücke unterwegs. Ganz generell ist die Augustusbrücke nicht für den Kfz-Verkehr gewidmet und geplant worden, so die Stadt. Auch am Schloßplatz könnte es Probleme geben: Hier würde durch die Brückenöffnung für den Autoverkehr laut Stadt eine Gefahrenstelle für den Fuß- und Radverkehr entstehen.

In welchem Maße verschärft das Hochwasser die Verkehrssituation?

Das Elbe-Hochwasser hat das Terrassenufer unter Wasser gesetzt, wodurch eine weitere wichtige Innenstadtstraße aktuell gesperrt ist. Zwischen Steinstraße und Theaterplatz sind für gewöhnlich um 21.500 Autofahrer am Tag unterwegs, die nun ebenfalls Ausweichrouten suchen, etwa über die Wilsdruffer Straße, auf der die Verkehrslage seit vergangener Woche ebenfalls sehr angespannt ist. Wie schnell das Terrassenufer wieder genutzt werden kann, ist unklar.

Selbst wenn sich die Elbe unter einem Wasserstand von fünf Metern von der Straße zurückzieht, so gibt es immer noch den eingestürzten Carolabrückenzug C, unter dem das Terrassenufer verläuft. Daher war die Straße bereits vor dem Hochwasser gesperrt. Am Freitag will die Stadtverwaltung darüber informieren, wann und wie die Abrissarbeiten weitergehen.

Was ist noch möglich, um dem Verkehr Herr zu werden?

Die "Taskforce Carolabrücke" erarbeitet derzeit ein Verkehrskonzept für die kommenden Monate, insbesondere für die Adventszeit, wenn viele Touristen und Umland-Einwohner die Dresdner Weihnachtsmärkten besuchen wollen. Neben der Prüfung der Option, die Augustusbrücke für Autos zu öffnen, werden voraussichtlich die Ampelschaltungen entlang der Umleitungsstrecken so angepasst, dass der Verkehr flüssiger läuft. Das soll unter anderem am Rathenauplatz, am Carolaplatz, am Sachsenplatz, am Straßburger Platz, am Pirnaischen Platz und am Rosa-Luxemburg-Platz passieren.

Darüber hinaus will die Stadt prüfen, ob Baumaßnahmen ausgesetzt bzw. verschoben werden, um zusätzliche Nadelöhre zu beseitigen, etwa auf dem Körnerplatz, dem Lennéplatz und auf der Güntzstraße.