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SZ + Dresden

Mit dem Wünschewagen zur letzten Sehnsucht

Schwer kranke Menschen begleiten Christian von Jagemann und rund 100 Freiwillige überall dorthin, wo sie am Ende ihres Lebens gern noch einmal sein wollen.

Von Nadja Laske
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Christian von Jagemann hat mit dem Wünschewagen schon rund 30 Fahrten unternommen.
Christian von Jagemann hat mit dem Wünschewagen schon rund 30 Fahrten unternommen. © Marion Doering

Dresden. Seine erste Fahrt mit dem Wünschewagen hat ihm Kraft für all die vielen folgenden gegeben. Als Christian von Jagemann ihn bestieg, als freiwilliger Helfer in Guter-Engel-Mission, ahnte er noch nicht, welche Gänsehautmomente er erleben würde. Wer in dem extra beschrifteten blau-weiß-roten Transporter mitfährt, hat etwas ganz besonders Schönes vor sich. Doch ihm bleibt für schöne Erlebnisse nicht mehr viel Zeit.

Die Mannschaft des ASB-Wünschewagens erfüllt Menschen am Ende ihres Lebens einen Herzenswunsch. Der schwerkranke Patient, den Christian von Jagemann vor viereinhalb Jahren als Neuling in seinem Ehrenamt begleitete, wollte noch einmal ein Musical erleben. "Wir sind mit ihm nach Dresden ins Abba-Musical gefahren", erzählt der 37-Jährige. Mit dem Transporter, der wie ein ganz normaler Rettungswagen ausgestattet ist, fuhren die Wünscheerfüller bis in die Messehalle und mit der rollenden Trage direkt vor die Bühne.

"In der Pause habe ich Backstage einige Darsteller abgepasst. Die schickten mir ihren Manager, ich habe ihm erklärt, was wir machen und gefragt, ob ein gemeinsames Foto der Künstler mit unserem Passagier möglich sei." Kein Problem - aber es kam noch besser: Das Stück ging weiter und es gab eine Ansage ans Publikum. Heute gebe es im Saal einen ganz speziellen Gast, und ihm sei das folgende Lied gewidmet.

Mit Liebe und Würde ein schönes Erlebnis bescheren

An diesen beglückenden Moment denkt Christian von Jagemann gern zurück. In ihm steckt alles, was sich der Arbeiter-Samariter-Bund mit seinem Projekt erhofft hat: todkranken Menschen mit Liebe, Würde, Aufmerksamkeit und Frohsinn ein schönes Erlebnis zu bescheren - auf dass die Erinnerung daran sie die letzte Wegstrecke trage.

Seit mehr als fünf Jahren fährt der ASB-Wünschewagen durch ganz Sachsen. In Leipzig ist er stationiert und erreicht von dort aus jeden Ort, der auf vier Rädern zu schaffen ist. Das waren bisher rund 100.000 Kilometer. Rund 150 Fahrgäste im Jahr bringt er an ihren Wunschort.

Nach der eindrücklichen ersten Fahrt von Erlabrunn in Bayern zum Musical in der sächsischen Landeshauptstadt hat Christian von Jagemann schon an die 30 Fahrten unternommen. Insgesamt rund 100 Ehrenamtler sind im Pool abrufbereit, immer zwei Helfer - Rettungssanitäter, Ärzte, Pflegekräfte - stehen dem Patienten und gegebenenfalls seinen Familienangehörigen zur Seite.

Ein ebenfalls sehr anrührender Ausflug ging von Grimma aus an die Ostsee. Der Wunschbeschenkte sehnte sich so sehr ans Meer und hatte dort sogar Gelegenheit, Gast einer Hochzeit im Familienkreis zu sein.

Ausstellung zeigt weitere Touren des Wünschewagens

Auch schwer kranke Kinder fahren im Wünschewagen mit. Solche Anlässe sind eine ganz besonders große Herausforderung für die Begleiter. Jeder weiß, dass Leben endlich ist. Aber das Leben sollte seine Zeit bekommen, was es nicht immer tut. "Was mir auch sehr zusetzt ist, wenn eine geplante Fahrt abgesagt werden muss, weil der Zustand des Patienten sich kurzfristig so sehr verschlechtert hat", sagt Christian von Jagemann.

Viele weitere berührende Geschichten sind noch bis zum 26. August montags bis freitags, jeweils 9 bis 15 Uhr, in einer Wanderausstellung zu sehen. Sie informiert im ASB-Begegnungszentrum Wiesenhäuser, Wiesenstraße 17, über die Arbeit des Wünschewagens und lädt die Besucher dazu ein, sich selbst Gedanken darüber zu machen, welchen letzten Wunsch sie einmal haben könnten.

Dafür gibt es eine große Pusteblume, an der jeder seine ganz persönliche Idee hinterlassen kann. Darüber hinaus soll die Ausstellung Privatpersonen, Firmen und Institutionen dafür sensibilisieren, den Wünschewagen mit Sammelaktionen zu unterstützen - weil jeder einmal einen letzten Wunsch frei haben sollte.