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Schlechte Noten im Brücken-TÜV: Das sind Dresdens weitere Problembrücken

Im Brücken-TÜV schnitt die Dresdner Carolabrücke mit der Note 3 schlecht ab, doch reichlich Brücken in der Stadt sind noch maroder. Welche das sind und was Dresden jetzt plant.

Von Dirk Hein
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Note 3,0: Die Dresdner Marienbrücke erhielt bei der letzten Brücken-Prüfung dieselbe Note wie der eingestürzte Teil der Carolabrücke.
Note 3,0: Die Dresdner Marienbrücke erhielt bei der letzten Brücken-Prüfung dieselbe Note wie der eingestürzte Teil der Carolabrücke. © René Meinig

Dresden. Am vergangenen Mittwochmorgen krachten Teile der Dresdner Carolabrücke in die Elbe. Der betroffene Brückenzug C ist mit schwerem Gerät und mithilfe von Bundeswehrpanzern abgerissen worden. Auch die in den Jahren vorher aufwändig sanierten Brückenteile A und B sind betroffen. Ein Komplettabriss und Neubau der Carolabrücke, der weit über 100 Millionen Euro kosten wird und für den sowohl dem Land als auch der Stadt das Geld fehlt, wird immer wahrscheinlicher.

Im sogenannten Brücken-TÜV, einer exakt geregelten, alle sechs Jahre stattfindenden Hauptprüfung, schnitt der jetzt eingestürzte Brückenteil C mit der Gesamtnote 3 ab. Dieser "nicht ausreichende" Zustand ist kritisch, wesentliche Brücken in der Stadt stehen aber genauso - oder noch wesentlich schlechter - da. Das sind Dresdens Problembrücken.

Deutliche Probleme an der Marienbrücke

Im September 2023 beantwortete die Stadt eine Ratsanfrage von Stadtrat Tilo Wirtz (Linke) nach den Brücken im Verantwortungsbereich der Landeshauptstadt, die mit den Noten 3,0 (oder schlechter) und 3,5 (oder schlechter) abgeschlossen haben. 4,0 ist dabei der schlechtest denkbare Zustand einer befahrbaren Brücke.

Die Marienbrücke wurde demnach zuletzt im August 2023 überprüft. Bemängelt wurde dabei der Zustand der Geländer, die nicht mehr sicheren Fahrbahn- und Gehwegbeläge sowie der Zustand der Fahrbahnübergänge. Formal bedingt dies die schlechte Prüfungsnote 3,0. Weil durch die Mängel aber nicht die Verkehrssicherheit der zwischen 1994 und 2001 umfassend sanierten Brücke gefährdet ist, soll sie innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre saniert werden. Zuletzt kündigte die Stadt an, dass 2025 die Planungen für diese in etwa drei Jahren beginnende Sanierung anlaufen sollen.

Erhebliche Mängel auf der Nossener Brücke

Die Nossener Brücke besteht aus vier einzelnen Brücken, von denen zwei Brücken erhebliche Mängel aufweisen. Der Brückenteil direkt über dem Heizkraftwerk-Gelände erhielt 2021 die Gesamtnote 3,4. "Hohl liegende, gerissene Spritzbetonschale an der Überbau-Unterseite", notierten die Prüfer. Seither gilt Tempolimit 30 auf der Brücke. Eine Sonderprüfung wurde angeordnet. Für diese Brücke gab es somit gerade noch die Note "nicht ausreichend". Dies ist ein Indikator dafür, dass "Instandsetzungsmaßnahmen zu planen sind".

Sogar mit ungenügend, also 3,5 oder schlechter, bewertet wurde der Brückenteil über der Fabrikstraße. "Risse und Verformungen im Rahmenriegel" wurden als maßgebende Schäden im November 2022 bei der Hauptprüfung der Brücke festgestellt. Die Folge: Brückennote 3,5. Die Straße unter der Brücke ist für Autos nicht mehr befahrbar. Sensoren erfassen dauerhaft den Brückenzustand.

Die Nossener Brücke ist in einem schlechten Zustand, sie soll ab 2026 abgerissen werden.
Die Nossener Brücke ist in einem schlechten Zustand, sie soll ab 2026 abgerissen werden. © René Meinig

Der Abriss der Nossener Brücke hätte im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen Straßenbahnlinie aus der Südvorstadt nach Löbtau längst erfolgen sollen. Weil die Planungen fast ein Jahrzehnt länger dauerten als erhofft, starten die Abrissarbeiten an der Brücke nun erst 2026. Allerdings ist die Finanzierung noch nicht klar.

"Alleine die Brücke wird über 100 Millionen Euro kosten. Wir haben noch immer die Herausforderung, dass wir dafür Geld vom Freistaat brauchen", sagt Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne). Die Brücke sei Teil einer Autobahn-Umleitung und wichtiger Anschluss an die TU Dresden, das Land müsse daher helfen.

Einsturzgefährdete Brücke an der Königsbrücker

Die Brücke an der Königsbrücker Straße, über die Bahngleise am Industriegelände, ist einsturzgefährdet. Dort musste immer mehr von den Autospuren weggenommen werden. Die Brücke wird dauerhaft überwacht, weil die Tragfähigkeit nicht sichergestellt ist. Im Brücken-TÜV, der Anfang 2023 durchgeführt und die Note 3,0 ergab, bemängelten die Prüfer jedoch nur "Risse und Hohlstellen im Widerlager, Risse im Überbau" sowie den Zustand des Fahrbahnbelages.

Diese Brücke über Bahngleise an der Königsbrücker Straße muss noch bis mindestens 2027 durchhalten.
Diese Brücke über Bahngleise an der Königsbrücker Straße muss noch bis mindestens 2027 durchhalten. © René Meinig

Baubürgermeister Stephan Kühn sagt dazu: "Diese Brücke wird ab 2027 saniert." Weil das Bauwerk über die Gleise der Bahn führt, seien jedoch umfangreiche Abstimmungen notwendig.

Brücke über Fabricestraße wird ab 2026 saniert

Schlecht bewertet im Brücken-TÜV wurde zudem die Brücke über die Fabricestraße (3,0). Diese Brücke soll ab 2026 saniert werden. "Im Dresdner Norden haben wir, auch abgesehen von TSMC, viele Bauarbeiten in kürzester Zeit. Die Stauffenbergallee wird gerade saniert, die Königsbrücker Straße schließt sich an, darin eingebettet wird der Neubau der Fabricestraße", sagt Kühn. Laut Kühn haben "Brückensanierungen im Entwurf des nächsten Doppelhaushaltes oberste Priorität."

Blaues Wunder und Roter Graben: Das sind die schlechtesten Brücken im TÜV

Mit einer Gesamtnote von 3,5 oder schlechter haben insgesamt fünf der 314 Brücken im Stadtgebiet abgeschnitten. Dieser "ungenügende Bauwerkszustand" bedeutet, dass die Standsicherheit der Brücke erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben ist.

Neben dem Blauen Wunder (Gesamtnote 3,5) und der über die Fabrikstraße führenden Nossener Brücke sind noch die Radwegbrücke über den Roten Graben in Langebrück (3,5), der Durchlass des Keppbaches im für Wanderer gesperrten Keppgrund (3,7) und der Durchlass über den Leubnitzbach entlang der Dohnaer Straße (3,8) in einem sehr schlechten Zustand.

Experte fordert Neubewertung der Brückenprüfungen

Tilo Wirtz, von Beruf Bauingenieur für Statik und Konstruktion, saß bis zur Neuwahl des Stadtrates für die Linke im Gremium und blickt mittlerweile mit anderen Augen auf die Prüfberichte für die Dresdner Brücken. "In der Folge des Einsturzes der Carolabrücke würde ich die Ergebnisse der Brückenprüfungen dahingehend neu bewerten, ob tatsächlich ein ausreichender Sicherheitspuffer besteht."

Es müsse sichergestellt werden, dass Schäden an Brücken "zu einer zuverlässigen Einschränkung der Beanspruchung der Brücke führen und außerdem ein Voranschreiten von Schäden sofort erkannt wird". Außerdem müsse die Stadt insgesamt schneller sanieren. Brücken dürften gar nicht erst in den Bereich einer 3,0 fallen.

Neue Sorge um das Blaue Wunder

Rückblickend macht sich Wirtz nun auch mehr Sorgen um den Zustand des Blauen Wunders. "Mich sorgt ein Korrosionsschaden, den ich 2010 bei einem Pressetermin vor Ort gesehen habe, bei dem Stahlplattenpakete des Hauptträgers am Loschwitzer Brückenhaus durch Lamellenkorrosion sehr stark aufgequollen waren." Damals habe er sich auf die beauftragten Ingenieure verlassen, die alles als zuverlässig und sicher einschätzten. "Heute würde ich das hinterfragen und mir genau erklären lassen. Nicht dass es wieder heißt: Man steckt nicht drin."

An der Carolabrücke habe der Brücken-TÜV einen Einsturz nicht verhindert. "Die Alarmsysteme haben nicht gegriffen. Trotz aller Berichte über den Zustand der Brücke: Es gab niemanden, der vor einem Einsturz gewarnt hatte".