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SZ + Dresden

Autofahrer werden auf der ersten Fahrradstraße in Dresden kontrolliert

Die Polizei hat am Montag den Verkehr auf Dresdens erster Fahrradstraße kontrolliert. Worauf Autofahrer auf solch einer Straße achten müssen und wie die Ergebnisse ausgefallen sind.

Von Christoph Springer & Dirk Hein
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Kontrolle auf der Fahrradstraße: Polizist Thomas Kiraly und Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) erklären die Regeln.
Kontrolle auf der Fahrradstraße: Polizist Thomas Kiraly und Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) erklären die Regeln. © René Meinig

Dresden. Der Blitzer bleibt an diesem Montagvormittag kalt, aber die rote Kelle ist im Einsatz. Thomas Kiraly hat das Messgerät gemeinsam mit seinen Kollegen der Dresdner Verkehrspolizei auf der Glashütter Straße aufgestellt, Blitzrichtung Schlüterstraße. Die Beamten überwachen den Verkehr auf der "Glashütter" zur Bergmannstraße. Mehr als 30 km/h darf dort kein Auto fahren, denn diese Straße gehört zu Dresdens erster Fahrradroute, der Radroute Ost. Sie ist eine sogenannte Fahrradstraße.

Am Blitzer-Standort ist das nur an den weißen Strichellinien neben den geparkten Autos zu erkennen. Die Striche markieren nicht etwa den Rand eines Radwegs, sie sollen eine Warnung für Fahrradfahrer sein: "Mindestens so weit reicht eine geöffnete Autotür", lautet sie und ist eine Empfehlung, Abstand zu halten. Manche wissen das vielleicht, andere noch nicht. Kiraly will gemeinsam mit der Dresdner Radverkehrskoordinatorin Paula Scharfe Radfahrer informieren und Autofahrer sensibilisieren. Autofahrer, die zu schnell sind, sollen außerdem geblitzt werden.

Hier auf der Glashütter Straße haben die Radfahrer das Sagen, Autos müssen sich nach ihnen richten. Eine Ausnahme gilt für den Rettungswagen, der mit Blaulicht unterwegs ist.
Hier auf der Glashütter Straße haben die Radfahrer das Sagen, Autos müssen sich nach ihnen richten. Eine Ausnahme gilt für den Rettungswagen, der mit Blaulicht unterwegs ist. © René Meinig

Maximal 30 km/h und höchste Vorsicht

Doch das Radargerät blitzt nur an diesem Vormittag nur selten. Fast alle Autofahrer verhalten sich vorbildlich, nur einer rauscht zu schnell an der Messstelle vorbei, während fast ein Dutzend "Offizielle" in Höhe des Blitzers stehen. Glück für ihn: Da, wo er fährt, "erkennt" ihn die Kamera zu spät.

500 bis 2.000 Radfahrer pro Tag waren auf der Strecke unterwegs, die von der Innenstadt Richtung Tolkewitz führt, bevor sie eine ausgewiesene Radroute wurde, sagt Paula Scharfe. Eine neue Zählung sei im Mai und im Juni geplant. Scharfe begleitet an diesem Vormittag Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne), der natürlich mit dem Fahrrad gekommen ist und ebenfalls Auto- und Radfahrer anspricht. Sie verteilen postkartengroße Handzettel mit den wichtigsten Hinweisen zum richtigen Verhalten auf Fahrradstraßen: Tempo 30 steht an erster Stelle, Radfahrer dürfen nebeneinander fahren, auch wenn sie damit Autos aufhalten, alle motorisierten Verkehrsteilnehmer müssen ganz besonders rücksichtsvoll sein.

Der Blitzer auf der Fahrradstraße blitzte am Montag nur sehr selten. Die Strichellinie zeigt an, wieviel Abstand Radfahrer von parkenden Autos halten sollten.
Der Blitzer auf der Fahrradstraße blitzte am Montag nur sehr selten. Die Strichellinie zeigt an, wieviel Abstand Radfahrer von parkenden Autos halten sollten. © René Meinig

Wer überholt, ist schnell zu schnell

Überholen ist fast ausgeschlossen, meint Polizist Thomas Kiraly. Denn Radfahrer fahren ja schon etwa 25 km/h, wer da an ihnen vorbei will, kommt schnell in den roten Geschwindigkeitsbereich. Fünf bis zehn Stundenkilometer zu schnell kosten 30 Euro, bei zehn bis 15 km/h mehr werden 50 Euro fällig.

Thoralf Müller ist Fahrprofi, im Einsatz für einen Kurierdienst. Die "30" hat er strikt eingehalten, gestoppt wird er trotzdem - für die Infos zur Fahrradstraße. "Ich finde das in Ordnung", sagt er zu den strengen Einschränkungen, die auf der "Glashütter" gelten. Er kennt die Regelungen. Das vorerst letzte Knöllchen hat er vor rund vier Monaten kassiert, gesteht der 47-Jährige, aber auf dem Weg nach Dippoldiswalde.

Peter Kirchner hat dagegen noch nie einen Strafzettel bekommen. Kiraly stoppt den Dresdner mit seinem SUV auf dem Weg in Richtung Schlüterstraße. "Alles in Ordnung", stellt Kiraly zunächst fest, dann bekommt auch Kirchner die Hinweise zu den Fahrradstraße-Regeln. Er kennt sie, wohnt nicht weit entfernt und nutzt die Fahrradstraße auch selbst. "Aber ich brauche sie nicht", sagt er, überhaupt sei sie eigentlich nicht nötig, schließlich gebe es an der parallel zur "Glashütter" verlaufenden Schandauer Straße Radwege. "Man kann beide Seiten verstehen", sagt Kirchner und meint damit die Argumente der Fahrrad- und der Autolobby.

Die Fahrradstraße ist für Kurierdienst-Fahrer Thoralf Müller kein Problem. Sein letztes Knöllchen hat er bei einer Überland-Fahrt kassiert.
Die Fahrradstraße ist für Kurierdienst-Fahrer Thoralf Müller kein Problem. Sein letztes Knöllchen hat er bei einer Überland-Fahrt kassiert. © René Meinig

Kritiker fordern Rückbau

Vor allem die Bürgerinitiative "Automobil in Dresden" kritisiert die Radroute scharf. So seien unnötige "Schikanen für Anwohner und Autofahrer" entstanden. Und das, obwohl es eine Alternative gibt: "Im Juli 2011 hatte der Stadtrat auf Antrag der SPD beschlossen, das Elberadwegnetz auszubauen. Seit nunmehr zwölf Jahren verschleppt der von den Grünen geführte Verkehrsbereich diese wichtigste Maßnahme für Radfahrer in Dresden. Stattdessen wurde nun eine halbe Million Euro für eine Fahrradstraße verbrannt", sagt Christian Bösl von der Initiative.

Autofahrer und Anwohner würden durch den Wegfall zahlreicher Parkplätze "leiden". Die Initiative gegen "unverschämte Schikanen gegen Autofahrer" wurde Anfang 2023 neu gegründet, jetzt fordert sie den Rückbau der "sinnlosen Radstraße".

In einer ersten Analyse lobte hingegen der ADFC die Route überwiegend. Das Fahren mit Kindern sei nun sicherer. Trennstreifen zum Autoverkehr bieten mehr Schutz. Dadurch, dass Radfahrer entlang der Route meist Vorfahrt haben, kommen sie spürbar schneller voran.

320 Parkplätze entfallen

Um die Sicherheit von Radfahrenden zu erhöhen, kann entlang der Radroute tatsächlich weniger geparkt werden. 250 Parkplätze sind bereits entfallen oder verschwinden noch dieses Jahr. Notwendig wird dies, weil meist nicht mehr senkrecht, sondern nur noch parallel zur Radroute geparkt werden darf. Ein Großteil der Parkplätze soll im Umkreis von 300 Metern neu entstehen.

Anwohner und Gewerbetreibende verunsichert das dennoch. Entlang der Route wurden schon 360 Knöllchen verteilt. Eine Firma berichtet von enormen Problemen - erste Transportfirmen wollen entlang der Radroute teilweise nicht mehr ausliefern, weil kaum noch legal geparkt werden kann.

Die größte Einzelmaßnahme steht laut Rathaus dabei noch bevor. Dieses Jahr soll die Radroute entlang der Comeniusstraße bis fast zum Straßburger Platz erweitert werden. Allein dabei entfallen 140 Parkplätze. Weitere 70 Stellflächen entfallen perspektivisch auf dem letzten Teil der Radroute entlang der Kipsdorfer Straße zwischen der Altenberger Straße und dem Schulcampus Tolkewitz.

Am Ende blieb es am Montag auf der Glashütter Straße fast ein reiner Kontrolltermin. 121 PKWs und Laster fuhren an der Kontrollstelle am Montagvormittag vorbei, sechs davon waren zu schnell. Parallel dazu überwachte die Polizei die Kreuzung Laubestraße/Müller-Berset-Straße. Dort hielten sich vier Verkehrsteilnehmer nicht an die Stopp-Schild-Regeln, einer telefonierte beim Fahren und einer hatte den Sicherheitsgurt nicht angelegt.