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Das Schweigen der Ämter: Verwirrung um umstrittene Wahlwerbung vor Dresdner Landgericht

Im Kommunalwahlkampf vor drei Monaten beschwerten sich Bedienstete in Dresden wegen Wahlwerbung vorm Landgericht. Mit Erfolg: Die Plakate kamen runter. Doch im gerade zurückliegenden Landtagswahlkampf ging das Rathaus auf Tauchstation. Eine Betrachtung.

Von Alexander Schneider
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Vorm Landgericht in Dresden hängt Wahlwerbung einer rechtsextremen Kleinpartei. Im Wahlkampf im Mai entfernte die Stadt die Wahlwerbung. Jetzt geht sie auf Tauchstation.
Vorm Landgericht in Dresden hängt Wahlwerbung einer rechtsextremen Kleinpartei. Im Wahlkampf im Mai entfernte die Stadt die Wahlwerbung. Jetzt geht sie auf Tauchstation. © SZ/Alexander Schneider

Dresden. Was Wahlkämpfer in Dresden dürfen - und vor allem: was nicht - regelt ein demokratisch verabschiedetes Werk mit dem sperrigen Namen "Satzung Verfahrensregelung Wahlwerbung". In der Praxis allerdings ist von "Regelung" so wenig sichtbar wie von "Verfahren". Es bleibt "Wahlwerbung", und das nicht zu knapp. So müssen Richter, Staatsanwälte, andere Bedienstete des Dresdner Justizzentrums und ihre Besucher tagtäglich den Anblick politischer PR in Grün-weiß ertragen, ob sie nun wollen oder nicht, samt Konterfei eines schillernden Rechtsanwalts, der früher einmal sogar Opfer von Außerirdischen vertreten wollte.

Schon im Frühjahr in den Wochen des Kommunal- und Europa-Wahlkampfs war das so. Jetzt hat es sich zur Landtagswahl wiederholt. Schon im Mai hatten Wahlkämpfer einer rechtsextremen Kleinpartei ihre Botschaften wild plakatiert und weder auf das Gericht als staatliches Gebäude Rücksicht genommen noch auf den angrenzenden Eliasfriedhof in der Ziegelstraße, für den der Gesetzgeber eine zweieinhalbfach größere Zurückhaltung beschlossen hatte, in eben genannter "Satzung Verfahrensregelung Wahlwerbung".

20 Meter, heißt es da, hat der Abstand zu Gebäuden wie Rathäuser und staatlichen Schulen zu betragen (private Bildungseinrichtungen sind davon ausgenommen) - für Kirchen, Friedhöfe und Einrichtungen von Religionsgemeinschaften beträgt der Bann gar 50 Meter.

So ist es also keine Überraschung, dass sich zivilcouragierte Justizmitarbeitende schon im Mai wiederholt an die Stadt gewandt hatten, um das rechtsextreme Plakatieren in Wildwest-Manier anzuprangern. Eine der kritisierten Partei-Losungen damals lautete sogar trefflich "Handschellen müssen klicken!"

Doch es klickten keine Handschellen. Erst Anfang Juni, ungezählte Telefonate und E-Mails später, schritt ein kommunaler Bediensteter beherzt zur Tat, die im Amtsdeutsch "Ersatzvornahme" bezeichnet wird. "Die Plakate wurden am 4. Juni endlich abgenommen", berichtete eine Beschwerdeführerin, die, wenn sie nicht illegalem Plakatieren nachstellt, eigentlich die ganz schweren Jungs verfolgt.

Täglich grüßt das Murmeltier

Doch geholfen hat das alles nichts. Als hätte es genannten Verfahrensregelungs-Akt, die Ersatzvornahme, nie gegeben, war das Justizzentrum am Sachsenplatz nebst angrenzendem Eliasfriedhof zum Beginn des Landtagswahlkampfs wieder mit Hasslosungen auf Grün-weiß umzingelt. Wieder griffen Richter und Staatsanwälte zum Telefon. Das sei jetzt kein Augenblicksversagen der vom Verfassungsschutz beobachteten Kleinpartei mehr, sondern Vorsatz, mutmaßte man schon in der Justiz. Eine Tat im Wiederholungsfall und Vorsatz erhöhen das Strafmaß in der Regel, das ist gelebte Strafrechts-Praxis.

Das Rathaus jedoch reagierte nun überhaupt nicht mehr. Vielmehr streuten die städtischen Öffentlichkeitsarbeiter mit einer knappen Reaktion auf eine Medienanfrage Mitte August reichlich Sand. Anders als Verwirrung in bester Politiker-Manier ist die Antwort auf eine Nachfrage von Sächsische.de nicht interpretierbar. Der "umfriedete Raum" betrage "für Dienstgebäude und Schulen der Landeshauptstadt Dresden, des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland" 20 Meter. Gähn, das war bereits Teil der Frage. Und dann kam der Sand: "Dienststellen müssen zum politischen Geschehen einen erkennbaren Bezug haben. Das dürfte für Rathäuser und Ministerialgebäude zutreffen. Gerichte sind unabhängig, sodass ein politischer Bezug zur Wahl nicht vorliegt. Gesetze, die den gerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, werden vom Bundestag oder Landtag getroffen."

In anderen Worten soll das heißen, dass das Plakatieren vor dem Gericht nicht illegal sei, obwohl doch erst im Juni vermeintlich die vermeintlich illegalen Plakate ersatzvorgenommen wurden. Passiert ist bis jetzt, Tag drei nach der Schicksalswahl, nichts. Auch Nachfragen an das Rathaus, wie es um die Unabhängigkeit sächsischer Behörden und Gerichte bestellt ist, bleiben unbeantwortet. Selbst wenn sich jetzt der ein oder andere Tote auf dem Eliasfriedhof im Grabe umdreht.